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AG Straubing verneint die Anwendbarkeit des JVEG auf Nebenkosten
AG Straubing Urteil vom 10.6.2015 – 2 C 495/15 –

RFWW

Die Kundin des späteren Klägers war Opfer eines unverschuldeten Verkehrsunfalls im Amtsgerichtsbezirk Regensburg. Das schadensverursachende Fahrzeug wurde von dem späteren Beklagten gesteuert.
Nach dem Unfall beauftragte die Geschädigte den Kläger als Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Der Sachverständige ermittelte einen Schaden in Höhe von 5.871,15 €. Für das Gutachten berechnete der Kläger 837,76 €. Die hinter dem Beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte darauf 690,-- €. Der Kläger verlangt die Differenz aus abgetretenem Recht. Nachdem auch der Unfallverursacher nicht zahlte, erhob der Kläger Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht in Straubing. Der zuständige Amtsrichter gab dem Kläger Recht.

Dem Kläger steht ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Sachverständigenkosten gem. §§ 7 I, 17 I StVG, 249, 398 BGB zu. Aufgrund der Sicherungsabtretung ist der Kläger auch aktivlegitimiert. In der Hand der Geschädigten hätte ohne Abtretung ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vollen Gutachterkosten aus den §§ 7, 17, 18 StVG, 823 I, 249 BGB, 1, 3 Nr. 1 PflVG, 115 VVGbestanden. Der Restanspruch ist durch die wirksame Abtretung, die von dem Beklagten auch nicht beanstandet wurde, auf den Kläger als abgetretener Schadensersatzanspruch übergegangen. Die Sachverständigenkosten sind grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; BGH NJW 2014, 1947).

Bei den abgerechneten Sachverständigenkosten, die der von der Geschädigten beauftragte Gutachter der Geschädigten gegenüber berechnet hatte, handelt es sich um den erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 II 1 BGB. Dies konnte das erkennende Gericht aufgrund der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO feststellen. Gemäß der BGH-Rechtsprechung ist der Sachverständige berechtigt, eine in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Honorar zu beanspruchen (vgl. BGH ZfS 2006, 564; BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Hinsichtlich der Nebenkosten konnte die Geschädigte die entsprechende Rechnungsstellung der Höhe nach nicht beeinflussen. Es liegt insoweit ein Fall des sogenannten Werkstattrisikos vor. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat auf die Foto-, Schreib- und Fahrtkosten keinen Einfluss. Der Sachverständige ist kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Darüber hinaus ist es dem Beklagten und auch seiner Kfz-Haftpflichtversicherung verwehrt, sich auf eine vermeintliche Überhöhung der Sachverständigenkosten zu berufen (Palandt-Heinrichs § 249 Rn. 58; LG Bochum NJW 2013, 3666).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Schadensersatzansprüche des Geschädigte, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff.; a.A. Hörl NZV 2003, 305, 307). Soweit in Teilen der Instanzrechtsprechung hinsichtlich der Nebenkosten eine entsprechende Anwendung des JVEG vertreten wird (so etwa AG Eggenfelden Urt. v. 28.4.2010 – 3 C 167/10 - ), so steht dies nach Ansicht des erkennenden Gerichts eindeutig im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450). Danach steht einer Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter schon entgegen, dass der Anwendungsbereich des JVEG auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt ist und dass der Privatgutachter im Unterschied zum gerichtlich bestellten Sachverständigen, der zu den Parteien in keinem Vertragsverhältnis steht, dem Auftraggeber nach allgemeinen deliktsrechtlichen und vertragsrechtlichen Grundsätzen haftet. Dagegen unterliegt die Haftung gerichtlich bestellter Sachverständiger der Sonderregelung des § 839a BGB, die die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (vgl. BGH DS 2007, 144 ff.).

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat der erkennende Amtsrichter die Anwendbarkeit der Grundsätze des JVEG auf die Kostenrechnungen von Privatgutachtern, die nach Verkehrsunfällen zur Feststellung der Schadenshöhe und des Schadensumfangs beauftragt werden, abgelehnt. Denn – wie der BGH in seinem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – [die Unfallzeitung berichtete darüber] bereits ausgeführt hat – der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung stehen die unterschiedlichen Haftungsnormen entgegen (vgl. dazu auch BGH Urt. v. 4.4.2006 – X ZR 122/05 - = BGHZ 167, 139).
Quellen
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