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AG Sonthofen urteilt zur merkantilen Wertminderung, zu den Reparaturkosten und zur Unkostenpauschale
AG Sonthofen Urteil vom 8.11.2016 – 1 C 419/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Immer wieder kommt es bei der Regulierung von Verkehrsunfallschäden zu Kürzungen durch die voll einstandspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer. So werden neuerdings auch die Rechnungen der Fachwerkstätten wegen angeblicher Überteuerung gekürzt. Mit klaren Worten hat jetzt das Amtsgericht Sonthofen mit dem nachfolgend dargestellten Urteil darauf verwiesen, dass der Schädiger das Werkstattrisiko trägt und dass die Werkstatt der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist. Überhöhte Preise gehen daher grundsätzlich zu Lasten des Schädigers.
Der Geschädigte eines für ihn unverschuldeten Verkehrsunfalls beauftragte zunächst einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. In dem Gutachten stellte der Sachverständige voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 5.481,25 € netto und eine merkantile Wertminderung von 650,--- € fest. Nach der Vorlage des Schadensgutachtens ließ der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug in einer Fachwerkstatt reparieren. Die Reparaturkosten betrugen 5.609,81 € netto. Diesen Betrag sowie die im Gutachten festgestellte Wertminderung und eine Unkostenpauschale von 30,-- € verlangte der Geschädigte von der einstandspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung ersetzt. Diese zahlte auf die Reparaturkosten einen um 111,26 € gekürzten Betrag sowie lediglich 400,-- € auf die Wertminderung und nur 20,-- € Unkostenpauschale . Der Differenzbetrag ist Gegenstand der Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Sonthofen. Das Gericht hat hinsichtlich der Wertminderung den Kfz-Sachverständigen als sachverständigen Zeugen gehört. Die Klage hatte Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger stehen die weiteren Schadensersatzbeträge zu.

1. Die allgemeine Unkostenpauschale beträgt nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des Amtsgerichts Sonthofen mittlerweile 30,-- €. Da die beklagte Haftpflichtversicherung nur 20,-- € ersetzt hatte, waren dem Kläger mithin weitere 10,00 € zuzusprechen.

2. Die unfallbedingte merkantile Wertminderung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges beträgt zur Überzeugung des Gerichts 650,-- €. Dieser Betrag konnte anhand der sachverständigen Bewertung und den diesbezüglichen Erläuterungen gemäß § 287 I ZPO geschätzt werden. An der fachlichen Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen hegt das Gericht keine Zweifel. Dieser hat sich bereits in einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren als äußerst zuverlässig und fachkundig erwiesen. Der Sachverständige führte aus, dass die konkrete merkantile Wertminderung in jedem Einzelfall abhängig von Käuferverhalten, Fabrikat, Typ, Erstzulassung, Laufleistung und der wertminderungsrelevanten Instandsetzungsarbeiten individuell sachverständig festzustellen ist, und die entsprechenden Werte der vom Computer durchgeführten Berechnungsmethoden insoweit lediglich als überschlägige Berechnungsgrundlage dienen. Unter Beachtung all dieser Parameter betrage die konkrete Wertminderung 650,-- €. Da die beklagte Haftpflichtversicherung auf die Wertminderung lediglich 400,-- € reguliert hatte, war dem Kläger mithin ein weiterer Betrag in Höhe von 250,-- € zuzusprechen.

3. Auch die noch ausstehenden Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von 111,26 € waren dem Kläger zuzusprechen. Dieser hatte sein Kraftfahrzeug nach Einholung eines Schadensgutachtens „nach Gutachten“ bei einer Fachwerkstatt reparieren lassen. Die tatsächlichen Reparaturkosten lagen sodann mit 5.609,81 € netto insgesamt nur 128,56 € netto über den im Schadensgutachten berechneten Kosten in Höhe von 5.481,25 € netto. Diese Abweichung erwies sich als sehr geringfügig. Bei der Ermittlung des für den Kläger erforderlichen Instandsetzungsbetrages ist beachtlich, dass der Geschädigte nun gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast bereits allein durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des von ihm mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens genügt. Ist dies der Fall, reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15.9.2015 – VI ZR 475/14 -). Weiter ist jedoch auch daran festzuhalten, dass für den Fall, dass eine in Teilen überhöhte Abrechnung erfolgt, wie vorliegend von der beklagten Partei eingewandt wurde, bzw. eine möglicherweise unübliche, zusätzlich berechnete Position wie „Sichtprüfung Gurtsystem“ enthalten ist, das sogenannte „Werkstattrisiko“ grundsätzlich vom Schädiger zu tragen ist. Insoweit geht jedenfalls das Werkstattrisiko auch bei objektiv übersetzten Kosten zu Lasten der Beklagten, insoweit der Kläger als Geschädigter bei einer subjektiven ex – ante – Betrachtung im Rahmen seiner individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten wirtschaftlich vernünftig vorging, was regelmäßig bei einer Vergabe des Reparaturauftrages an eine Fachwerkstatt zu bejahen ist, welche insoweit auch nicht als Erfüllungsgehilfe des Geschädigten fungiert (ständige.Rspr.: BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73 -; BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12 - ). Anhaltspunkte dafür, dass die benannten Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben wären, sind nicht ersichtlich. Dahingehend verbietet sich auch eine Ermittlung der allgemeinen Angemessenheit der von der Reparaturfirma berechneten Positionen (vgl. BGH, Urteil vom 15.9.2015 – VI ZR 475/14 -). Folglich waren dem Kläger auch die gekürzten Reparaturkosten in einer Gesamthöhe von noch 111,26 € brutto zuzusprechen, allerdings waren die im Gutachten kalkulierten Verbringungskosten in Abzug zu bringen, da die Werkstatt über eine eigene Lackiererei verfügt.

Fazit und Praxishinweis: Mit klaren Worten hat das erkennende Amtsgericht die vom Schadensgutachter festgestellte merkantile Wertminderung durch eigene Schadenshöhenschätzung gemäß § 287 ZPO zugunsten des Klägers berücksichtigt. Die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ist nämlich auch eine Beweis- und Darlegungserleichterungsnorm zugunsten des Klägers. Auch bei der Prüfung der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten ist das erkennende Gericht im Wesentlichen der Darlegungserleichterung des § 287 ZPO gefolgt. Allerdings hat das Gericht – wohl auch zu Recht – die im Gutachten aufgeführten Verbringungskosten gestrichen, da sie konkret in der Fachwerkstatt, in der der Kläger nach Gutachten reparieren ließ, nicht angefallen sind. Im Übrigen hat das Gericht zu Recht auf das Werkstattrisiko, das der Schädiger zu tragen hat, hingewiesen. Wegen möglicher Überteuerungen ist der Schädiger auf den Vorteilsausgleich verwiesen (vgl. dazu: BGHZ 63, 182 ff; Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff). Zu Recht hat das Gericht auch die allgemeine Unkostenpauschale auf 30,-- € festgelegt.
Quellen
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