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Berufungskammer des LG Hamburg urteilt zu erforderlichen Sachverständigenkosten
LG Hamburg Berufungsurteil vom 22.1.2015 – 323 S 7/14 –

RFWW

Der Geschädigte eines unverschuldeten Verkehrsunfalls am 27.4.2013 beauftragte den späteren Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Gleichzeitig trat er seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen erfüllungshalber ab.
Der Sachverständige berechnete für seine Tätigkeit einen Betrag von 667,65 € brutto. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete 571,70 €, wobei sie sich an dem Bruttoendbetrag des Honorartableaus 2012 der HUK-COBURG, basierend auf der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011, orientierte. Der Kläger war mit der Kürzung nicht einverstanden und klagte aus abgetretenem Recht den Differenzbetrag von 95,95 € bei dem zuständigen Amtsgericht Hamburg-Altona ein. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 5.11.2013 – 316 C 301/13 – der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung legte Berufung ein. Das Rechtmittel hatte keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht zur Zahlung des Differenzbetrages von 95,95 € als restlichen Schadensersatz verurteilt. Der Zedent selbst kann als Geschädigter Ersatz der Kosten in der geltend gemachten Höhe als Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Unfall beanspruchen. Die Sachverständigenkosten sindaus der Sicht des Geschädigten für eine sachdienliche Rechtsverfolgung erforderlich. Die Reparaturkosten belaufen sich auf über 2.000,-- €. Damit liegt kein Bagatellschaden vor. Die Kosten eines Sachverständigen sind daher dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Kosten des Sachverständigen sind auch der Höhe nach erstattungsfähig. Sie stellen den erforderlichen Herstellungsaufwand dar, dessen Ersatz der Geschädigte nach § 249 II BGB beanspruchen kann.

Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der erforderliche Herstellungsaufwand nicht nur nach objektiven Kriterien, sondern auch durch die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit des Geschädigten mitbestimmt (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 63, 182, 185). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass dem Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger das dem Einfluss des Geschädigten entzogene Risiko nicht zugemutet werden darf. Der Geschädigte ist – anders als bei den Mietwagenkosten – nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes der Kfz-Sachverständigen verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen. Zum einen gibt es – anders als etwa im Mietwagengewerbe – keine allgemein zugänglichen Preislisten, zum anderen orientiert sich das Grundhonorar an der Schadenshöhe, die allerdings noch nicht feststeht. Der Schädiger kann daher nur dann den Ausgleich der Sachverständigenkosten in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt deutlich erkennbar (BGH NJW 2014, 1947, 1948) bzw. erkennbar erheblich (BGH NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen in der Branche liegt.

Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen ist, nicht auf die Einzelpositionen abzustellen, sondern die Überhöhung ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Vorliegend überschreiten die geltend gemachten Sachverständigenkosten den Wert des von der beklagten HUK-COBURG für die Beurteilung der Angemessenheit zugrunde gelegten Honorartableaus der HUK-COBURG 2012 um ca. 34 %.

Unabhängig von der Frage, ob das von der Versicherung erstellte Honorartableau überhaupt als geeignete Grundlage zur Ermittlung der üblichen Sachverständigenkosten herangezogen werden kann, liegt keine Überschreitung vor, die es gebietet, die als Schadensersatz geltend gemachten Sachverständigenkosten als nicht erforderlich im schadensersatzrechtlichen Sinne anzusehen. Auch eine andere Beurteilung ist nicht anzulegen, weil der Sachverständige durch die Abtretung erfüllungshalber an die Stelle des Geschädigten getreten ist. Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Einbeziehung der beklagten Versicherung in den Schutzbereich des Vertrages bestehen nicht. Eine Aufklärungspflicht, wie sie bei der Anmietung von Mietwagen besteht, kann nicht auf Sachverständige übertragen werden.

Fazit und Praxishinweis: Zutreffend hat die Berufungskammer des Landgerichts Hamburg die Berufung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung zurückgewiesen. Bei der Bestimmung des für die Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages nach § 249 II 1 BGB kommt es entscheidend auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen an. Eine Pflicht zur Erforschung des zugänglichen Sachverständigenmarktes, um einen möglichst preisgünstigenSachverständigen zu beauftragen, existiert nicht. Das ist auch schwerlich möglich, da der Sachverständige sein Grundhonorar regelmäßig in Relation zur Schadenshöhe berechnet. Diese Schadenshöhe soll er gerade durch das Gutachten erst feststellen.

Die Grundsätze zum Unfallersatztarif sind auf die Sachverständigenkosten nicht übertragbar (BGH NJW 2007, 1450). Auch die Grundsätze des JVEG sind auf Privatsachverständige nicht übertragbar (vgl. BGHZ 167, 139; BGH DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann). Auch das von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung herangezogeneHonorartableau der HUK-COBURG 2012 ist für die Bemessung der erforderlichen Sachverständigenkosten nicht anwendbar. Das LG Hamburg hat die Frage der Anwendbarkeit zwar offen gelassen, aber es ist zu berücksichtigen, dass nach eigenen Angaben der HUK-COBURG das Honorartableau lediglich für die Beurteilung der Angemessenheit geeignet ist. Im Schadensersatzprozess kommt es aber nicht auf die Angemessenheit im werkvertraglichen Sinne, sondern auf die Erforderlichkeit im schadenrechtlichen Sinne des § 249 II BGB an. Daher besagt das Honorartableau nichts über die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB aus.
Quellen
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