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BGH entscheidet über Schadensersatz nach Unfall auf Fahrt zur Amateursportveranstaltung
BGH – III. Zivilsenat – Urteil vom 23.6.2015 – III ZR 346/14 –

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Die Klägerin fuhr ihre Enkelin nach B., weil dort die Kreismeisterschaft stattfand, an der die Enkelin teilnehmen wollte. Die Fahrt durch die Großmutter der Enkelin erfolgte aus Gefälligkeit gegenüber der Enkelin und deren sorgeberechtigten Eltern.
Die Enkelin spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Am Unfalltag fand in B. die Kreismeisterschaft statt. Auf der Fahrt nach B. verunfallte die Großmutter. Sie erlitt erhebliche Verletzungen. Sie verlangte daher von dem beklagten Verein Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die A-Versicherung AG, die Sportversicherung der Beklagten, lehnte die von der Klägerin gestellten Ansprüche ab. Nur offiziell eingesetzte Helfer würde Versicherungsschutz genießen.

Die Klage vor dem Landgericht Stade wies die 2. Zivilkammer mit Urteil vom 11.12.2013 – 2 O 304/12 – zurück. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Celle mit Urteil vom 16.10.2014 – 5 U 16/14 – den beklagten Verein unter Zurückweisung des Anspruchs auf Schmerzensgeld zur Zahlung von 2.811,63 € nebst Zinsen verurteilt. Die vom OLG Celle zugelassene Revision des beklagten Vereins gegen das Urteil des OLG Celle hatte Erfolg. Der III. Zivilsenat des BGH hob das Urteil des OLG Celle auf und bestätigte das klageabweisende Urteil des Landgerichts.

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des beklagten Vereins entschieden wurde. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse zwischen einem Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft im Sinne des § 662 BGB besorgt oder jemandem nur eine außerrechtliche Gefälligkeit erweist, hängt vom Rechtsbindungswillen ab. Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt.

Eine vertragliche Bindung wird dann anzunehmen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist das allerdings nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird daher regelmäßig bei sogenanntem Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, fehlen. Genauso muss, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 677 ff. BGB und der außerrechtlichen Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden.

Maßgeblich ist, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln darstellt. Die Abgrenzung erfolgt unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen die Leistungen erbracht werden, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge können den Tatbestand der rechtsgeschäftlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß der §§ 677 ff. BGB nicht erfüllen. Sie bleiben im außerrechtlichen Bereich. Bei der Fahrt der Klägerin handelt es sich um eine Gefälligkeit gegenüber der Enkelin bzw. der sorgeberechtigten Eltern.

An dem Charakter der Gefälligkeitsfahrt ändert sich auch nichts dadurch, dass der Transport der Enkelin als Spielerin der Fußballmannschaft auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Vereins lag. Der Bringdienst der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen war nach den tatrichterlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, Sache der Eltern bzw. anderer Angehöriger. Die Enkelin ist immer privat gefahren worden, wenn die Mannschaft Auswärtsspiele hatte. Bei den Fahrten zu den Auswärtsspielen handelt es sich daher um reine Gefälligkeiten auch gegenüber dem Verein. Im Gefälligkeitsbereich scheiden daher, wenn keine anderweitigen Absprachen getroffen worden sind, Aufwendungsersatzansprüche aus.

Fazit und Praxishinweis: Bringen Eltern, Großeltern oder andere Familienangehörigeihre minderjährigen Familienmitglieder zu Sportveranstaltungen, an denen die Minderjährigen teilnehmen, so handelt es sich bei den Fahrten regelmäßig um Gefälligkeitsfahrten, die im Falle eines Unfalls nicht zu Aufwendungsersatzansprüchen wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag führen. Ob eine reine Gefälligkeit oder eine rechtsgeschäftliche Handlung mit Bindungswillen vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und der Verkehrssitte zu ermitteln, wobei es auf die Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters ankommt.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung