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BGH urteilt erneut zur Verweisung auf Partnerwerkstatt der Versicherung
BGH – VI. Zivilsenat – Urteil vom 28.4.2015 – VI ZR 267/14 –

RFWW

Am 15.7.2010 ereignete sich in Hamburg ein Verkehrsunfall, bei dem der fast fünf Jahre alte Mercedes E 220 CDI des Klägers beschädigt wurde. Die Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalles trägt zu 70 Prozent der Unfallgegner, der bei der später beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung haftpflichtversichert war.
Die Haftungsquote ist unstreitig. Der Geschädigte holte ein Sachverständigengutachten ein, das zu Reparaturkosten in Höhe von 8.049,54 € gelangte, wobei die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde gelegt waren. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung legte ihrer Schadensregulierung die günstigeren Stundensätze von freien Werkstätten zugrunde. Drei Werkstätten gab sie mit Anschrift bekannt. Ihrer Schadensberechnung legte sie die günstigste der drei Werkstätten zugrunde.

Eine der benannten Werkstätten war lediglich eine Annahmehalle in Hamburg. Die eigentlichen Reparaturen erfolgten im ca. 130 km entfernten Ort P. in Mecklenburg-Vorpommern. Die beiden anderen Werkstätten waren Partnerwerkstätten der Beklagten, vornehmlich im Rahmen der Kaskoverträge. Siebzig Prozent des Differenzbetrages sind Gegenstand des Rechtsstreites. Das Amtsgericht Hamburg hatte mit Urteil vom 7.12.2011 – 54A C 91/10 – die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 13.5.2014 – 302 S 8/12 – der Klage insoweit stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter, obwohl der BGH bereits unter anderemmit Urteil vom 22.7.2010 – VI ZR 337/09 – die Frage der Verweisung entschieden hatte.

Das Berufungsurteil des LG Hamburg hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand. In mehreren Urteilen hat der erkennende VI. Zivilsenat grundsätzlich entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der seinen Schaden fiktiv abrechnet, die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer Markenfach-Werkstatt beanspruchen kann. Der Geschädigte darf seiner Schadensabrechnung im Falle der fiktiven Abrechnung grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGHZ 155, 1,3 f.; BGHZ 183, 21 Rn. 7 f.; BGH VersR 2010, 1096 Rn. 6; BGH VersR. 2010, 1097 Rn. 6; BGH NJW 2014, 3236 Rn. 8).

Es besteht nach der Rechtsprechung des erkennenden VI. Zivilsenates des BGH regelmäßig ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer Markenfachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGHZ 155, 1, 3; BGH NJW 2014, 3236 Rn. 8). Allerdings darf der Schädiger uner dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 II BGB den Schädiger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Werkstatt verweisen, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass die Reparatur in der freien Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in der Markenfachwerkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der Markenfachwerkstatt unzumutbar machen (BGHZ 183, 21 Rn. 13; BGH VersR 2010, 923 Rn. 9, 11; BGH VersR BGH VersR 2010, 1096 Rn. 7; BGH VersR 2010, 1097, Rn. 7; BGH VersR 2010, 1380 Rn. 7; BGH NJW 2014, 3236 Rn. 8).

Unzumutbar ist für den Geschädigten eine Reparatur in einer freien Werkstatt, wenn das beschädigte Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls nicht älter als drei Jahre ist. Auch bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, kann eine Verweisung auf eine freie Werkstatt unzumutbar sein. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in der Markenfachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH VersR 2010, 1380 Rn. 8; BGH VersR 2010, 1096 Rn. 7). Unzumutbar ist eine Reparatur in der freien Werkstatt weite dann, wennsie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Anderenfalls würde nämlich die dem Geschädigten nach § 249 II 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen. Es soll nämlich dem Geschädigten die Möglichkeit eingeräumt werden, die beschädigte Sache in eigener Regie zu reparieren. Gleichzeitig soll der Geschädigte auch davor befreit sein, die beschädigte Sache die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen (vgl. BGH ZfS 2010, 143; BGH ZfS 2010, 497; BGH VersR 2014, 849 Rn. 29).

Der Geschädigte soll sich mit der Schadensbehebung nicht in die Hände des Schädigers begeben müssen. Mit diesen Grundsätzen steht das Urteil des LG Hamburg nur teilweise im Einklang. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Verweisung auf die Reparatur in der Firma, die in Hamburg nur eine Annahmestelle hatte und die tatsächliche Reparatur in einer ca. 130 km entfernten Werkstatt ausführt,für den Kläger als unzumutbar bezeichnet. Für die beiden anderen freien Werkstätten, die Partnerwerkstätten der Beklagten sind, bedarf die Frage der Zumutbarkeit der Verweisung noch weiterer Feststellungen. Allein der Umstand, dass diese Werkstätten mit der Beklagten für die Reparaturen in Kaskoschadensfällen vertraglich gebunden sind, lässt eine Verweisung noch nicht für unzumutbar erscheine. Nur dann, wenn die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer dazu führen, dass es sich nicht um die marktüblichen Preise im Haftpflichtschadensbereich handelt, dann ist die Verweisung unzumutbar.

Wenn der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer darlegen und beweisen, dass die von ihnen benannten freien Werkstätten auch im Haftpflichtfall die allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt, hindert eine Vereinbarung von Preisen im Kaskobereich die Verweisung nicht. Etwaige Interessenkollisionen müssen im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden. Da der BGH selbst keine weiteren Sachaufklärungen vornehmen kann, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit neu verhandelt und Beweis erhoben werden kann zu der Frage der Gleichwertigkeit der Reparaturen.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Grundsatzurteil hat der VI. Zivilsenat des BGH seine bisherige Rechtsprechung aus dem sogenannten Mercedes-A 170-Urteil vom 22.6.2010 – VI ZR 337/09 – (=BGH VersR 2010, 1097 = ZfS 2010, 497)bestätigt. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer hat darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm benannte freie Werkstatt für die Reparaturen am Fahrzeug des Geschädigten ihre marktüblichen, das heißt allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt. Allein der Umstand, dass die benannte freie Werkstatt mit dem Haftpflichtversicherer in Bezug auf Reparaturen von Kaskoschäden seiner Versicherungsnehmer vertraglich verbunden ist, lässt eine Verweisung auf sie nicht unbedingt für unzumutbar erscheinen. Dieser Grundsatz wurde nun neu aufgestellt. Allein aus der Tatsache dass eine Partnerwerkstatt der Versicherung für diese zu besonderen Konditionen Kaskoschäden an Fahrzeugen der Versicherungsnehmer repariert, ist noch nicht alleine abzuleiten, dass die Verweisung auf sie im Haftpflichtschadensfall unzumutbar ist. Insoweit wird im Falle des Bestreitens durch den Geschädigten, dass nämlich die genannten Stundensätze allen Kunden zur Verfügung stehen, muss der erkennendeTatrichter Beweis erheben. Die Beweislast für die Tatsache der marktüblichen Preise trägt der Schädiger.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung