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Ein Viertel Abweichung vom erstatteten Betrag ist nicht erkennbar erheblich überhöht
Amtsgericht Schwabach Urteil vom 22.2.2017 – 1 C 1368/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In jüngster Zeit kommt es zwischen dem Geschädigten eines unverschuldeten Verkehrsunfalls und dem eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer immer wieder bei den Sachverständigenkosten zum Streit, weil die Kfz-Versicherung die berechneten Sachverständigenkosten als erheblich überhöht ansieht. Auf die Sicht der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung kommt es allerdings nicht an, sondern auf die Sicht des Geschädigten. Eine Ein-Viertel-Überhöhung in Relation zu dem erstatteten Betrag ist nach Ansicht des AG Schwabach nicht als erheblich erkennbar anzusehen.
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zog der Geschädigte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzu, damit dieser ein Schadensgutachten über den Umfang und die Höhe des Unfallschadens erstellt. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige einen Betrag von 503,27 €. Die LVM erstattete als einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, deren volle Haftung unbestritten ist, nur 470,05 €. Sie war der Auffassung, der berechnete Betrag sei erkennbar erheblich überhöht. Den Differenzbetrag klagte der sachverständige aus abgetretenem Recht bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Schwabach ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die Klage ist zulässig und in der Hauptsache auch vollumfänglich begründet. Bezüglich der erfüllungshalber erfolgten Abtretung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Dem Geschädigten stehen als Schadensersatz die von dem Sachverständigen berechneten Kosten insgesamt zu. Dieser Restschadensersatzanspruch ist wirksam an den Kläger abgetreten worden. Den Geschädigten trifft bei der Beauftragung eines Sachverständigen keine Obliegenheit, den günstigsten verfügbaren Sachverständigen zu ermitteln. Der Geschädigte darf sich vielmehr damit begnügen, einen beliebigen, für ihn leicht erreichbaren Sachverständigen seines Vertrauens mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte besitzt bei den Sachverständigenkosten nur sehr beschränkte Erkenntnismöglichkeiten.

Eine Erforderlichkeit des vereinbarten Sachverständigenhonorars kann nur dann verneint werden, wenn der ausgewählte Sachverständige Honorarsätze verlangt, die die die ortsüblichen Preise so deutlich übersteigen, dass dies auch einem ordentlichen und verständigen Menschen auch bei der Parallelwertung in der Laiensphäre hätte auffallen müssen. Dann liegt ein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht vor. Von einer deutlichen Überhöhung in diesem Sinne kann jedoch hier im streitgegenständlichen Fall nicht die Rede sein. Selbst die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ist der Ansicht, dass ein Betrag von rund 470,-- € üblich und erforderlich sei. Eine Abweichung von rund 130,-- € bzw. in Relation gesehen um circa ein Viertel zu dem erstatteten Betrag stellt sich angesichts der bereits angesprochenen beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten für diesen gerade nicht so erheblich dar, dass ihm eine Überhöhung auf jeden Fall hätte auffallen müssen. Es hat daher gemäß der vorgelegten Rechnung bei der Erforderlichkeit und damit bei der Ersatzfähigkeit des gesamten Rechnungsbetrages zu verbleiben. Das bedeutet, dass an den Geschädigten noch weiterer Schadensersatz in Höhe von noch 133,22 € zu zahlen ist.

Fazit und Praxishinweis: Ein Indiz für die Erforderlichkeit der berechneten Sachverständigenkosten bildet die Rechnung, sofern der Rechnungsbetrag nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (vgl. BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 Rn. 8). Was erkennbar erheblich überhöht ist, hat der BGH nicht angegeben. Nach dieser Entscheidung des AG Schwabach ist ein Viertel in Relation zu dem erstatteten Betrag nicht als erkennbar erheblich anzusehen. Dieser Ansicht ist zu folgen, da die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten bei den zu vereinbarenden bzw. berechneten Sachverständigenkosten mit berücksichtigt werden müssen. Häufig ist es der erste Unfall, in den der Geschädigte verwickelt wird. Es besteht auch keine Möglichkeit die Kosten des Sachverständigen im Voraus zu vergleichen, denn diese richten sich nach der Schadenshöhe, die noch nicht bekannt ist.
Quellen
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