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OLG Stuttgart entscheidet über Unfall auf Bierbank auf der Cannstatter Wasen
OLG Stuttgart Berufungsurteil vom 16.3.2017 – 13 U 165/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Kommt es bei Unfällen zu Streitigkeiten, wer letztlich für das eingetretene Schadensereignis verantwortlich ist, spielt die Frage der Darlegungs- und Beweislast eine große Rolle. Schwierig wird es, wenn nicht geklärt werden kann, ob die Schädigungshandlung auf einem gesteuerten, willentlichen Geschehensablauf beruht. Einen derartigen Fall hatte das Oberlandesgereicht Stuttgart zu entscheiden, bei dem es um einen Sturz von der Bierbank auf dem Stuttgarter Volksfest auf der Cannstatter Wasen ging.
Am 2.10.2014 ereignete sich auf einer Bierbank auf dem Cannstatter Wasen ein Unfall, bei dem die spätere Klägerin verletzt wurde. Der Unfallhergang ist umstritten. Fest steht lediglich, dass sowohl die Klägerin als auch der Beklagte auf Bierbänken standen und herunterstürzten. Wie es jedoch dazu kam, ist strittig. Die Klägerin verlangt neben Schadensersatz auch ein Schmerzensgeld von 4.000,-- €. Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 11.8.2016 – 29 O 316/16 – die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Die Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Auch in der Rechtsmittelinstanz konnte die Klägerin eine Körperverletzungshandlung des Beklagten nicht nachweisen. Zu Recht war daher das Landgericht davon ausgegangen, dass nicht nachgewiesen ist, dass der Beklagte am Unfalltage die Klägerin am Körper und der Gesundheit verletzt hatte. Der Beklagte bestreitet nämlich, die Klägerin wissentlich und willentlich von der Bierbank gezogen zu haben. Er behauptet, selbst von der Bank gezogen worden zu sein. Dabei mag es sein, dass er die Klägerin berührt hat, als die Bank wackelte. Verletzungshandlung im Rechtssinne ist nur ein der Steuerung durch Bewusstsein und Willen unterliegendes und insofern grundsätzlich beherrschbares menschliches Verhalten. Wird allerdings die zu einem Schaden führende Kausalkette durch einen unwillkürlichen, körperlichen Reflex oder durch eine physische Zwangslage in Gang gesetzt, hatte der Schuldner in Wahrheit gar keine Möglichkeit, sich anders zu verhalten, wie er es getan hat. Diese Ansicht entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 827 BGB, der die Verantwortung für einen im Zustand der Bewusstlosigkeit verursachten Schaden ausschließt.

Schwierigkeiten bereitet die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, wenn Streit um das Vorliegen einer willkürlichen menschlichen Handlung besteht. Der BGH hat in dem Fall, in dem es um einen Unfall beim Herzinfarkt ging, an die Wertung des § 827 S. 1 BGB angeknüpft. Er verallgemeinerte in Fällen, in denen das Fehlen einer willkürlichen Handlung auf inneren Vorgängen beruht, die Darlegungs- und Beweislastbeim Schädiger. Folgerichtig wurde der Kfz-Haftpflichtversicherung die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass der bei ihr versicherte Kraftfahrer im Zeitpunkt der Schädigung bewusstlos war (BGHZ 98, 135). Die Beweislast liegt nach der Rechtsprechung des BGH also nur in den Fällen beim Schädiger, bei denen bereits das äußere Erscheinungsbild eines eigenständigen Handelns des Täters in Frage steht (Wagner in Münchner Kommentar BGB 7. A. § 823 Rn. 65 m.w.N.). geht man davon aus, dass der Beklagte ohne eigene Reaktion auf die Klägerin stürzte, als er selbst gestoßen wurde und deshalb das Gleichgewicht verlor, trägt die Klägerin die volle Beweislast dafür, dass auszuschließen ist, dass der Verletzungsvorgang unter physischem Zwang erfolgt oder als unwillkürlicher Reflex durch fremde Einwirkung ausgelöst worden ist. Die Klägerin hat vor Gericht ausgesagt, dass der Beklagte von der Bank heruntergefallen ist und sie dann hierbei mitgezogen habe. In diesem Fall konnte die Klägerin die Verantwortlichkeit des Beklagten nicht beweisen. Die Klage war daher zu Recht abgewiesen worden.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat das OLG Stuttgart in dem Schadensersatzfall des Bierbanksturzes auf der Cannstatter Wasen zu Recht die Darlegungs- und Beweislastverteilung hervorgehoben. In dem konkreten Fall, bei dem der Sturz und dessen Ursache nicht aufgeklärt werden konnte, blieb die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin. Diese musste darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Schädiger bewusst und willentlich die Klägerin angestoßen und von der Bank gestützt hat. Das kann nach Ansicht des OLG Stuttgart dann nicht angenommen werden, wenn der Schädiger selbst stürzte und die Klägerin unwillkürlich mitriss. Da sich die Klägerin in diesem Sinne bei ihrer Anhörung äußerte, konnte die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben.
Quellen
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