Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

AG Iserlohn urteilt zur Ersatzfähigkeit von Verbringungskosten und UPE-Aufschlägen bei fiktiver Abrechnung
AG Iserlohn Urteil vom 24.1.2017 – 44 C 72/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Immer wieder versuchen die nach einem für den Geschädigten unverschuldeten Verkehrsunfall eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer Schadenspositionen aus dem vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachten zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Häufigste Kürzungsposten sind die fiktiven Verbringungskosten und Ersatzteilzuschläge. Der BGH hat zu dem Thema noch keine Entscheidung getroffen. Eine Revision einer Kfz-Versicherung wurde kurz vor der Verhandlung zurückgenommen. Für den Fall, dass eine fiktive Schadensabrechnung möglich ist, sind nach der herrschenden BGH-Rechtsprechung allerdings die üblichen Preise einer regionalen Markenfachwerkstatt zugrunde zu legen. Dies gilt auch für die Verbringungskosten und Ersatzteilaufschläge, falls diese üblicherweise bei einer Reparatur in der regionalen markengebundenen Fachwerkstatt anfallen.
Nach einem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall hatte der Geschädigte bei einem regionalen Kfz-Sachverständigen ein Schadensgutachten in Auftrag gegeben. In diesem Schadensgutachten waren unter anderem die voraussichtlichen Reparaturkosten , sowie auch Verbringungskosten und Ersatzteilaufschläge angegeben worden. Der geschädigte Eigentümer rechnete auf der Basis des Schadensgutachtens seinen Unfallschaden gegenüber der zu 100 Prozent haftenden Kfz-Haftpflichtversicherung ab. Diese strich aufgrund eines Prüfberichtes die im Gutachten aufgeführten Verbringungskosten und UPE-Aufschläge . Auch die Sachverständigenkosten für das Kurzgutachten in Höhe von 107,81 € erstattete die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht. Der in Hemer wohnhafte Geschädigte klagte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Iserlohn die gekürzten Schadenspositionen ein. Die Klage hatte vollumfänglich Erfolg.

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz in Bezug auf die Verbringungskosten , die Ersatzteilaufschläge und die Sachverständigenkosten.

a.) Zu den fiktiven Verbringungskosten :

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der fiktiven Verbringungskosten in Höhe von 81,98 €. Grundsätzlich können Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung geltend gemacht werden. Die Kosten für die Verbringung zu einer Fremdlackiererei gehören wie die Kosten des Lackierens selbst zu dem zur Herstellung erforderlichen Aufwand. Eine Ausnahme hierzu besteht nur dann, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass die dem Geschädigten zur Auswahl stehenden Fachwerkstätten über eigene Lackierereien verfügen. Hierbei muss aber auch die Dispositionsfreiheit des Geschädigten beachtet werden. Verbringungskosten sind nur dann nicht zu ersetzen, wenn die Auswahl einer Reparaturwerkstatt ohne eigene Lackiererei für sich genommen gegen die Schadensgeringhaltungspflicht verstoßen würde. Das könnte dann der Fall sein, wenn die Auswahl eines Betriebes ohne Lackiererei willkürlich wäre, weil das Gros der zur Verfügung stehenden Fachwerkstätten, die bei fiktiver Schadensabrechnung herangezogen werden können, über eine eigene Lackiererei verfügen (LG Hagen BeckRS 2016, 03228). Vorliegend hat die darlegungs- und beweisbelastete beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen die Schadensgeringhaltungspflicht nicht dargetan.

b.) Zu den Ersatzteilaufschlägen (UPE-Aufschlägen):

Darüber hinaus sind auch die im Gutachten angesetzten UPE-Aufschläge zu ersetzen. Wenn UPE-Aufschläge üblich sind, sind sie auch bei fiktiver Schadensabrechnung zu ersetzen (LG Hagen aaO.). Unstreitig fallen diese Kosten in der in dem Kurzgutachten zugrunde gelegten Fachwerkstatt in Menden an. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, dass ebenfalls in der Fachwerkstatt in Iserlohn UPE-Aufschläge und Verbringungskosten anfallen. Daher ist davon auszugehen, dass in der hiesigen Region um Hemer UPE-Aufschläge um 10 Prozent anfallen.

c.) Zu den Sachverständigenkosten:

Des Weiteren kann der Kläger die Kosten für das Kurzgutachten in Höhe von 107,81 € ersetzt verlangen. Der Kläger war nicht verpflichtet, einen Kostenvoranschlag einzuholen. Er ist seiner Pflicht zur Schadensgeringhaltung bereits dadurch nachgekommen, dass er ein Kurzgutachten einholte, für das nur 107,81 € berechnet wurden. Grundsätzlich ist der Geschädigte berechtigt, ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe einzuholen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Schaden augenscheinlich unterhalb der Bagatellgrenze liegt. Diese ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH bei circa 700,-- € zu ziehen (BGH NJW 2005, 356; Palandt-Grüneberg BGB, 75. A. 2016, § 249 Rn. 58). Vorliegend betrug der Schaden 754,21 € netto und überstieg damit die Bagatellschadensgrenze, so dass der Kläger berechtigt war, ein Gutachten einzuholen.

Fazit und Praxishinweis: Wenn der Geschädigte aufgrund eines qualifizierten Schadensgutachtens seinen Kraftfahrzeugschaden berechtigterweise fiktiv abrechnet, sind grundsätzlich auch die im Schadensgutachten aufgeführten Verbringungskosten und UPE-Aufschläge zu ersetzen, wenn in der entsprechenden Region derartige Aufschläge üblich sind. Meist verfügen die Markenfachwerkstätten heute nicht mehr über eigene Lackierereien, so dass nach der Reparatur das Fahrzeug zu einem Lackierbetrieb verbracht werden muss. Diese Kosten des Transports vom Reparaturbetrieb zur Lackiererei und zurück gehören zu dem erforderlichen Wiederherstellungsaufwand. Dies gilt auch für die Ersatzteilaufschläge, die die Fachwerkstätten für die Lagerhaltung der Ersatzteile beanspruchen. Diese betragen meist 10 bis 15 Prozent der Ersatzteilpreise. Zu den Sachverständigenkosten ist zu sagen, dass diese nur dann nicht zu ersetzen sind, wenn der Unfallschaden augenscheinlich unter 700,-- € liegt. Im Zweifel sollte immer ein Sachverständiger zu Rate gezogen werden, der überblicken kann, ob eventuell auch verdeckte Schäden vorliegen können. Im Bereich um die Bagatellschadensgrenze bietet sich dann ein Kurzgutachten an. Im Gegensatz zum Kostenvoranschlag sind mit dem Gutachten die Schäden beweismäßig dokumentiert. Diese Funktion hat der Kostenvoranschlag nicht.
Quellen
    • Foto: © m.schuckart - Fotolia.com