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AG Cham hält 4 Gutachtenexemplare für erforderlich und erstattungsfähig
AG Cham Urteil vom 10.1.2017 – 8 C 567/16 -

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer kürzen regelmäßig nach einem für den Geschädigten unverschuldeten Verkehrsunfall die von dem Schadensgutachter dem geschädigten gegenüber berechneten Sachverständigenkosten. Sie sind regelmäßig der Ansicht, die berechneten Kosten seien überhöht und daher trotz einhundertprozentiger Haftung nicht in voller Höhe zu ersetzen. Dabei beanstanden die Kfz-Versicherer regelmäßig auch die Anzahl der gefertigten Gutachtenexemplare. Das Amtsgericht Cham hat nunmehr zu Recht vier Gutachtenexemplare für erforderlich und erstattungsfähig erachtet. Dieser Rechtsprechung überzeugt.
Verschiedene Unfallgeschädigte hatten den qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung der jeweiligen Schadensgutachten beauftragt. Eintrittspflichtiger Kfz-Haftpflichtversicherer war jeweils die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse. Da diese Kfz-Haftpflichtversicherung in allen Schadensangelegenheiten, in denen der Kfz-Sachverständige das Gutachten gefertigt hatte, die berechneten Sachverständigenkosten kürzte, traten die jeweiligen Geschädigten ihre Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen ab. Dieser fasste die gekürzten Beträge in eine Klagehäufung zusammen und verklagte die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Cham. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Der klagende Kfz-Sachverständige hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch aus restlichen Schadensersatz aus §§ 7, 18 StVO, 823 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i. V. m.§ 398 ff. BGB in Höhe von insgesamt 583,47 €. Sowie außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 421,20 €. Der Kläger macht eine von den Geschädigten abgetretene Schadensersatzforderung geltend. Allein ausschlaggebend für die Berechtigung der Forderung ist daher zunächst die Sicht der Geschädigten. Ein Unfallgeschädigter kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Fahrzeug beauftragen und vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Erforderlich sind dabei die Aufwendungen, die ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der konkreten Lage des Geschädigten tätigen würde. Hierbei besteht für den Geschädigten grundsätzlich die Pflicht zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB. Mitverschulden im Sinne des Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 ist gegeben, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde (BGH NJW 2011, 1529). Es ist zu prüfen, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat. Dabei sind seine Individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Bei der Auswahl des Kfz-Sachverständigen ist der Geschädigt frei, einen in seiner Lege erreichbaren, qualifizierten Sachverständigen zu beauftragen. Er ist auch grundsätzlich nicht zu seiner Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. (BGH VersR 2014, 474). Dennoch ist dem Geschädigten eine im Rahmen der Wirtschaftlichkeit gebotene Plausibilitätskontrolle hinsichtlich der geforderten und später berechneten Preise zumutbar. Nur wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass die Gutachterkosten die in der Branche normalerweise üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit, einen anderen zur Verfügung stehenden preisgünstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dass die Geschädigten bei Beauftragung über derartige Erkenntnisse verfügten, ist jedoch nicht ersichtlich. Auch nach Erhalt der Kostenrechnung liegt ebenfalls kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, zumal die Gutachterkosten innerhalb des HB III-Korridors der BVSK-Honorarbefragung liegen und in der Summe als angemessen angesehen werden. Auch hinsichtlich der Duplikate, Lichtbilder und Nebenkosten des Sachverständigen liegt kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor. Eine erhöhte Anzahl der objektiv erforderlichen Duplikate ist nicht ersichtlich. Das Original wurde an die Versicherung versandt. Ein Duplikat erhielt die Werkstatt, ein weiteres der Geschädigte und eines der Anwalt. Die Anzahl der gefertigten Lichtbilder waren objektiv aus der Sicht eines vernünftig denkenden Menschen notwendig und angemessen, insbesondere haben die Geschädigten keine Einflussmöglichkeit wie viele Lichtbilder der Sachverständige macht und durften auch darauf vertrauen, dass diese erforderlich sind. Ein Kfz-Sachverständiger ist im Rahmen seines Berufs regelmäßig mit Unfällen konfrontiert und besitzt daher auch die gewisse Erfahrenheit und Routine, wie viele Lichtbilder erforderlich sind, um den Schaden bestmöglich zu beweisen. Da man von einem Sachverständigen auch erwartet, dass der Schaden auf den Lichtbildern letztendlich auch gut erkennbar ist, sind auch mehrere Bilder pro Schadensfall notwendig und angemessen. Zumal da auch erst nach der Entwicklung der Bilder erkennbar ist, welche Bilder scharf sind und den Schaden bestmöglich darstellen. Auch die Nebenkosten, wie Porto-, Telefon- und Fahrtkosten des Klägers sind nicht zu beanstanden.

Fazit und Praxishinweis: Mit überzeugender Begründung hat das erkennende Gericht vier Gutachtenexemplare für erforderlich und erstattungsfähig erachtet. Zu Recht hat das erkennende Gericht ausgeführt, dass zumindest vier Exemplare des Schadensgutachtens notwendig sind. Das Original wurde an die Versicherung versandt. Ein Duplikat erhielt die Werkstatt, ein weiteres der Geschädigte und eines der Anwalt. Es ist zu überdenken, ob nicht ein fünftes Exemplar für den zu erwartenden Rechtsstreit erforderlich und erstattungsfähig ist. Denn kaum noch ein Schadensfall kommt ohne Gericht aus. Das resultiert aus der restriktiven Regulierungshaltung der Haftpflichtversicherer.
Quellen
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