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Da deutet sich ein Paradigmenwechsel selbst in der robust auftretenden Nutzfahrzeugbranche an. Wo es sonst um PS, Power und zig Tonnen schweres Gerät geht, stellte Mercedes-Benz anlässlich seiner neuen Lkw-Motorgeneration vor 300 internationalen Medienvertretern Anfang Juli betont ''nachhaltig'' den Verbrauch und die Schadstoffe sowie die Verkehrssicherheit in den Vordergrund.
Selbstverständlich lobt Mercedes seine Motorneuentwicklung in den höchsten Tönen. Stefan Buchner, Leiter der Lkw-Sparte, spricht von der "Quadratur des Kreises" aus weniger Verbrauch und höherer Leistung, er preist die neue Motorengeneration als "Maßstab für schwere Nutzfahrzeuge". Damit "Lkw-Kunden und Umwelt gleichermaßen profitieren", investierte das Unternehmen 60 Millionen Euro in das neue Triebwerk.

Wieso macht Mercedes das eigentlich? Vier Gründe sind auszumachen:
Der Druck der Öffentlichkeit auf die Branche ist enorm hoch. Der Lkw ist unbeliebt, auch wenn alle wissen, dass man ohne ihn kaum auskommt. Allein seine massive Erscheinung macht ihn nicht zum Sympathieträger. Schlimme Unfälle mit übersehenen Radfahrern oder Fußgängern und nicht enden wollende Lkw-Kolonnen auf den eh verstopften Straßen, dazu der Lärm und die Abgase – da nimmt es nicht wunder, dass die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene eine populäre Forderung ist. Das kann die Branche nicht ignorieren. Sie muss gehörig etwas zur verbesserten (partnerschaftlichen) Sicherheit vorweisen, zumal Mercedes offiziell die "Vision Zero" befürwortet, also die Perspektive einer (nahen) Zukunft ohne Tote und Schwerverletzte im Straßenverkehr. Und wenn die Branche der Auffassung ist, dass der Elektroantrieb im Lkw "noch eine ganze Weile auf sich warten lässt" (Buchner), dann müssen die Hersteller den Verbrauch und die Schadstoffemissionen des konventionellen Antriebs mit Verbrennungsmotor erheblich und kontinuierlich verbessern.

Denn auch der Staat interveniert. Durch die regelmäßig verschärften Euro-Abgasnormen kann die Industrie gar nicht anders, als innovativ zu sein, um die Zulassung ihrer Produkte nicht zu gefährden. Seit 1965 wurden Verbrauch und CO²-Emissionen nicht zuletzt aufgrund der Euronormen um 60 Prozent reduziert, bei den Partikelemissionen ist bald sogar die Messgrenze erreicht – es geht also, wenn Gesetze es verlangen. Schon wird diskutiert, ob ein Auto nicht sogar die Umgebungsluft reinigen sollte.

Lkw-Käufer: Gesamtkosten und Image

Neben Öffentlichkeit und Staat sind da zum dritten die Lkw-Kunden, in der Regel Unternehmen aus der Transportbranche, viele kleine, einige sehr große. Sie sind einem heftigen Wettbewerb ausgesetzt. Knapp ein Drittel der Gesamtkosten eines Lkw macht der Kraftstoff aus, jeweils zehn Prozent müssen für Wartung samt Reparatur sowie für die Anschaffung aufgewandt werden – die Hälfte der Gesamtausgaben steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fahrzeug. Da ist klar, dass die Lkw-Kunden auf Verbrauch und Zuverlässigkeit achten, wenn sie einen neuen Truck kaufen. Und da ihr Image als Unternehmen abhängig ist von dem der ganzen Branche, müssen sie auch ein Interesse daran haben, dass der Lkw aus den Negativschlagzeilen durch schwere Unfälle herauskommt.

Zu guter Letzt machen die Lkw-Fahrer Druck. Miserable und lange Arbeitszeiten, schlechte Entlohnung und ständiger Stress machen den Job auf dem Bock wenig attraktiv, schon fehlen Nachwuchskräfte. Da müssen die Arbeitgeber eine gute, komfortable Maschine bieten, wenn sie Fahrer halten oder gewinnen möchten. Mit einem fixierten Blick auf das Fahrzeug sind diese Probleme nicht zu bewältigen. "Wir müssen von einem ‚reinen Nutzfahrzeugansatz’ zu einem vollständig integrierten Ansatz übergehen", konstatiert Mercedes-Lkw-Chef Buchner. Den Verbrennungsmotor weiter zu optimieren sei zwar notwendig, genüge aber nicht. Die digitale Vernetzung der Fahrzeuge untereinander oder mit der Infrastruktur und die Diskussion um automatisches Fahren zeigt, dass der Lkw-Verkehr "gesellschaftlicher" wird.

Damit ist die firmen- und branchenübergreifende Zusammenarbeit angesprochen, die den Staat und die Öffentlichkeit zentral einbezieht, um neue, ganzheitliche Lösungsansätze zu entwickeln. Anders lassen sich Verbrauch und CO²-Emissionen nicht im erforderlichen Maße reduzieren, die Sicherheit nicht verbessern und ein Verkehrskollaps nicht verhindern.

Die Lkw-Branche wandelt sich, Kooperation ist angesagt.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: julvektoria - Fotolia.com