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LG Halle zu den Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfall
LG Halle Berufungsurteil vom 30.1.2015 – 1 S 75/14 –

RFWW

Durch ein bei der Allianz Versicherung AG versichertes Kraftfahrzeug wurde der Pkw des Unfallopfers beschädigt. Die Geschädigte beauftragte den späteren Kläger mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Gleichzeitig trat die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den von ihr beauftragten Kfz-Sachverständigen ab.
Die einhundertprozentige Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung ist unstreitig. Gleichwohl erstattete sie nur einen Teil der Sachverständigenkosten. Der gekürzte Betrag ist Gegenstand des Rechtsstreites. In erster Instanz entschied das AG Halle an der Saale mit Urteil vom 26.6.2014 – 93 C 1370/14 -zugunsten des klagenden Sachverständigen. Die beklagte Allianz Versicherung wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden und legte Berufung ein. Die Berufung blieb ohne Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet. Der klagende Sachverständige ist Inhaber des abgetretenen Teils der Schadensersatzforderung der Geschädigten. Die Abtretungserklärung ist wirksam im Sinne des § 398 BGB, insbesondere ist die abgetretene Forderung hinreichend bestimmt. Eine Abtretung ist wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (vgl. BGH NJW 2011, 2713). Dies ist hier der Fall.

Grundsätzlich gehören die dem Geschädigten durch die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens entstehenden Kosten zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH NJW 2014, 3151 m.w.N; BGH NJW 2005, 356; BGH NJW-RR 1989, 953). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH NJW 2007, 1450; BGH VersR 1974, 90). Der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGH NJW 2014, 1947).

Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Dabei kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Entgegen dem Berufungsangriff ist dabei nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt (vgl. BGH NJW 2005, 356). Der später sachverständig ermittelte Schadensumfang ist (lediglich) ein Gesichtspunkt um zu beurteilen, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen – wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten. Hiervon ausgehend hat das Amtsgericht einen der Erforderlichkeit der Begutachtung ausschließenden sogenannten " Bagatellschaden ” mit den zutreffenden Erwägungen unter Hinweis auf den vom Sachverständigen ermittelten Wiederherstellungsaufwand verneint.

Die Berufungsangriffe gegen die Höhe der abgetretenen Forderung, namentlich die vom Kläger der Geschädigten in Rechnung gestellten Nebenkosten bleiben im Ergebnis erfolglos. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes sowie dem Rechtsgedanken des § 254 II 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. BGH NJW 2014 ,1947). Dabei ist eine subjektive Schadensberechnung vorzunehmen und auf die spezielle Situation des Geschädigten, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 2014, 3151).

Diesem Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung hat die Geschädigte genügt. Bei der Beauftragung der Firma des Klägers durfte sich der Geschädigte damit begnügen, den ihn in seiner Lage als ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen; er war insbesondere nicht verpflichtet, zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigstem Sachverständigen zu betreiben (vgl. BGH NJW 2007, 1450; OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029), auch wenn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist, beim Geschädigten liegt (BGH NJW 2007, 1450; BGH NJW 2005, 3134 = BGHZ 163, 362, 367 f.). Die vom Kläger in Ansatz gebrachten Kosten für die Erstellung des Gutachtens liegen noch im Rahmen der erforderlichen Kosten gemäß § 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB. Mit ihren insoweit ausschließlich gegen die Nebenkosten gerichteten Angriffen dringt die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht durch.

Für die Erforderlichkeit ist der Geschädigte – hier infolge der Abtretung der Kläger – darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Darlegungslast zur Schadenshöhe – einschließlich der einzelnen Rechnungspositionen – genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlich Betrags, als sich in ihr die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten niederschlagen (vgl. BGH NJW 2014, 1947; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Nichts anderes ergibt sich für die tatsächlichen Anforderungen an die Darlegungslast des Geschädigten aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22. Juli 2014 (BGH NJW 2014, 3151) und dem zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem der Geschädigte die Honorarforderung durch Abtretung an Erfüllungs Stattgemäß § 364 BGB beglichen hatte.

Durch die hier erfolgte Abtretung erfüllungshalber wird der Ersatzanspruch weder verändert, noch umgewandelt; es handelt sich trotz Abtretung weiterhin um einen Anspruch des geschädigten Zedenten (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029).Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot , einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH NJW 2014, 1947= DS 2014, 90) und – falls der Geschädigte dies unterlässt – den geltend gemachten Schadensbetrag insoweit abzusprechen. Dies hat das Amtsgericht zutreffend verneint.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Insofern hat das Amtsgericht grundsätzlich einen Ermessensspielraum, den es im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ausübt und welchen das Berufungsgericht lediglich auf das Vorliegen von Ermessensfehlern zu überprüfen hat. Grundsätzlich sieht die Kammer daher keine Veranlassung, eine eigene Schätzung an die Stelle derjenigen des Amtsgerichts zu setzen, sofern die amtsgerichtlichen Schätzungsgrundlagen offen gelegt sind und die Ausübung des Ermessens vertretbar und nachvollziehbar erscheint. Im Endergebnis sind Ermessensfehler nicht festzustellen, selbst wenn die Kammer nicht die VKS-Honorarumfrage, sondern die BVSK-Honorarumfrage zugrunde legt.

Fazit und Praxishinweis: Zutreffend hat die Berufungskammer des Landgerichts Halle an der Saale die Grundsatzurteile des BGH zugrunde gelegt. Denn durch die Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger auf Erstattung der Sachverständigenkosten wandelt sich dieser Schadensersatzanspruch in der Hand des Sachverständigen als Neugläubiger nicht um. Er bleibt ein Schadensersatzanspruch, dessen Erfüllung sich nach § 249 BGB richtet. Bezüglich der Darlegungslast genügt in der Regel der Geschädigte seiner Darlegungslast, wenn er eine Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen vorlegt (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Das gilt auch dann, wenn der Sachverständige durch Abtretung erfüllungshalber nach § 398 BGB Forderungsinhaber geworden ist.
Quellen
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