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OLG Köln zu einem Verkehrsunfall mit überholendem Pkw im Gegenverkehr
OLG Köln Hinweisbeschluss vom 19.9.2014 – 19 U 83/14 –

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Die spätere Klägerin fuhr mit ihrem Pkw auf einer Straße mit Standstreifen. Der Gegenverkehr hatte ebenfalls nur eine Fahrspur.
Der spätere beklagte Pkw-Fahrer, dessen Fahrzeug bei der ebenfalls beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung haftpflichtversichert war,kam der Klägerin entgegen. Er überholte ein anderes, vor ihm fahrendes Fahrzeug und übersah offensichtlich das entgegenkommende Fahrzeug der Klägerin. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge.

Das in erster Instanz zuständige Landgericht Aachen hat im Rahmen des Rechtsstreits ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach hättedie Klägerin das Überholmanöver frühzeitig erkennen und an den rechten Fahrbahnrandoder auf den Standstreifenausweichen können. Die 8. Zivilkammer des LG Aachen verurteilte mit Urteil vom 7.5.2014 – 8 O 221/13 - die Beklagten als Gesamtschuldner zu Schadensersatzleistungen in einem Haftungsverhältnis von 20 zu 80 zulasten der Beklagten. Die Beklagten waren der Ansicht, die Klägerin hafte zu einer höheren Quote und legten gegen das Urteil Berufung ein. Das OLG Köln nimmt die vom LG Aachen festgelegte Haftungsquote von 80:20 zu Lasten der Beklagten hin.

Die Berufung der Beklagten hat gemäß § 522 II 1 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Zwar machen die Beklagten mit der Berufung eine Rechtsverletzung geltend und wenden sich gegen die vom LG Aachen ausgesprochene Haftungsquote. Sie sind der Ansicht, dass nur eine hälftige Schadensteilung anzunehmen ist. Doch diese Ansicht ist irrig. Wenn keine Partei bewiesen hat, wie es im vorliegenden Rechtsstreit der Fall ist, dass de Unfall für sie selbst ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 III StVG darstellt, so hängt die Ersatzpflicht der Unfallbeteiligten gemäß § 17 I und II StVG davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei ist auch die Betriebsgefahr der Fahrzeuge zu berücksichtigen.

Jede Partei hat die die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs erhöhenden Umstände sowie Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile zu beweisen, wobei auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises Anwendung finden können. Die vom Landgericht insoweit vorgenommene Abwägung der Verursachungsbeiträge ist im Ergebnis fehlerfrei. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der überholende Pkw-Fahrer schuldhaft gegen die Garantiepflicht des § 5 I 1 StVO verstoßen hat, als er trotz Gegenverkehrs überholt hat. Eine Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer muss ausgeschlossen werden. Das gilt insbesondere beim Überholen zugunsten des Gegenverkehrs. Das ist als besonders schwerwiegender Verstoß zu bewerten. Eine Mithaftung kommt allerdings dann in Betracht, wenn durch eigene Sorgfaltsverletzung die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs erhöht wird. Der Klägerin ist die Verletzung des allgemeinen Gebotes der Rücksichtnahme nach § 1 II StVO anzulasten.

Nach denFeststellungen des Sachverständigen hätte die Klägerin das fehlerhafte Fahrverhalten des beklagten Kfz-Führers frühzeitig erkennen und unfallvermeidend an den rechten Fahrbahnrand bzw. auf den Standstreifen fahren können. Das ist unstreitig nicht geschehen. Daraus kann der überholende Kfz-Führer aber keine Rechtsvorteile ziehen. Der Verursachungsanteil der Klägerin erfährt zu der unzweifelhaft vorliegenden Verletzung des allgemeinen Gebotes der Rücksichtnahme keine weitere Steigerung. Aus diesem Grunde hat es letztlich auch bei der ganz überwiegenden Haftung der Beklagten zu verbleiben. Wenn das Landgericht Aachen insoweit lediglich eine Mithaftung der Klägerin von 20 Prozent angenommen hat, was in etwa der einfachen Betriebsgefahr entspricht, ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Fazit und Praxishinweis: Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. In diesem Fall hatte der Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin das Überholmanöver des späteren Unfallgegners, der zwar verbotswidrig überholte, frühzeitig hätte erkennen und unfallabwendend nach rechts zum Fahrbahnrand hin oder auf den Standstreifen ausweichen können. Damit führt das Verhalten der Klägerin, die auf der Fahrspur mit ihrem Fahrzeug verblieb, gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 II StVO. Dieser Verstoß führt zu einer – allerdings leicht – erhöhtenBetriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin. Zu berücksichtigen ist das grob verkehrswidrige und schuldhafte Verhalten des beklagten Kfz-Führers, der trotz Gegenverkehrs überholt hat.
Quellen
    • Foto: WOGI - Fotolia.com