Kein Schadensersatz nach Sturz von der Bierbank
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RFWW -
4. Januar 2016 um 13:15 -
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Im September 2012 besuchte die damals 51-jährige Klägerin aus Münster in Westfalen mit ihrem Bekannten aus Selm im Münsterland das sogenannte Oktoberfest an der Hafenarena in Münster. Die Klägerin wurde von ihrem Bekannten zum Tanzen aufgefordert. Beide begaben sich zur Tanzfläche. Vor ihnen standen viele Besucher auf sogenannten Bierbänken. Als die beiden eine leere Bierzeltgarnitur erreichten, bestieg die Bekannte zunächst eine leere Bank, um dort zu tanzen. Ihm folgte die Klägerin. Kurz darauf wackelte die Bierbank. Erst stürzte die Klägerin, dann der Bekannte.
Die Klägerin erlitt einen Riss der Supraspinatussehne. Die Verletzung ist nicht folgenlos ausgeheilt. Die Beweglichkeit der Schulter ist dauerhaft eingeschränkt. Sie verlangt von ihrem Bekannten Schadensersatz und insbesondere ein Schmerzensgeld von 7.500,-- €. In erster Instanz vor dem Landgericht Münster ist die Schadensersatzklage erfolglos geblieben. Auch die Berufung bietet keine Aussicht auf Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, da sie letztlich selbst auf die wackelige Bank gestiegen ist. Zwar war sie von dem Beklagten veranlasst und unterstützt worden, auf die Bank zu steigen. Aber die Klägerin hätte erkennen können und müssen, dass die wackelige Bank zum Besteigen und zum Tanzen ungeeignet war. Für dieses Verhalten ist die Klägerin selbst verantwortlich. Ihre spätere Schädigung kann haftungsrechtlich nicht dem Beklagtenzugerechnet werden. Es besteht weder ein allgemeines Gebot, andere vor einer Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein generelles Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen.
Nur in Ausnahmesituationen, etwa bei einer übergeordneten Garantenstellung des Schädigers oder bei einer von ihm mit einer zu billigenden Motivation herausgeforderten Selbstgefährdung kommt eine Haftungszurechnung in Betracht. Eine derartige Ausnahmesituation liegt in dem streitgegenständlichen Verfahren allerdings nicht vor. Der Beklagte hat keine zusätzliche Gefahr geschaffen. In dem Unfall hat sich vielmehr die erkennbar allgemein und von vornherein mit dem Besteigen der zum Tanzen ungeeigneten Bierbank verbundene Gefahr nur realisiert. Daher ist davon auszugehen, dass das klageabweisende Urteil des LG Münster nicht auf Rechtsfehlern beruht. Mithin kann der Berufung kein Erfolg beschieden sein.
Fazit und Praxishinweis
Wer einen anderen Erwachsenen zu einem selbstgefährdenden Tun veranlasst, der haftet regelmäßig nicht für Schäden, die dem Erwachsenen entstehen, wenn sich die Gefahr realisiert, in die sich der Erwachsene eigenverantwortlich selbst begeben hat. Allerdings ist darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart bei dem Sturz einer Lehrerin von der Bierbank im Rahmen eines schulisch angeordneten Besuchs eines Oktoberfestes einen Dienstunfall angenommen hat. Die Unfallzeitung berichtete darüber.