LG Nürnberg-Fürth zum unabwendbaren Ereignis bei Schäden durch aufwirbelnden Stein in Baustelle
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RobGal -
17. Juli 2017 um 11:47 -
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Die spätere Klägerin fuhr hinter einem Lastkraftwagen durch einen Baustellenbereich her. Plötzlich wirbelte nach den Angaben der Klägerin ein Stein hoch und beschädigte das Fahrzeug der Klägerin. Der Schaden wurde mit 1.407,64 € beziffert. Der Halter des Lkw und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung verweigerten die Erstattung. Die Klägerin klagte vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Hersbruck. Das AG Hersbruck hat der Klage mit Urteil vom 8.3.2016 – 1 C 540/15 – in Höhe von 935,09 € stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Berufung führte zur Klageabweisung.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Amtsgericht ist zu Unrecht von einer Haftung der Beklagten ausgegangen. Die Kammer kommt nämlich aus materiell-rechtlichen Gründen zu einem vom Amtsgericht abweichenden Ergebnis. Zwar ist bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dem ein auf der Straße liegender Stein durch den Lkw des Beklagten aufgewirbelt und gegen das nachfolgende Fahrzeug der Klägerin geschleudert wurde, die Haftung der Beklagten aus § 115 VVG in Verbindung mit § 7 I StVG grundsätzlich gegeben, da der Schaden am Fahrzeug der Klägerin beim Betrieb des versicherten Lkws entstanden ist (vgl. BGH VersR 1974, 1030; LG Heidelberg NZV 2012, 299). Zu Recht hat das Amtsgericht dann die Frage des Haftungsausschlusses aufgrund höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG geprüft und verneint. Nicht beantwortet hat das Amtsgericht aber die Frage, ob die Haftung der Beklagten nach § 17 III StVG ausgeschlossen ist, weil der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Das ist nämlich hier der Fall. Ein solches unabwendbares Ereignis kann vorliegen, wenn ei auf der Straße liegender Stein von den Rädern eines Lkws aufgewirbelt und auf ein nachfolgendes Fahrzeug geschleudert wird (vgl. LG Heidelberg aaO; AG Buchen r+s 2016, 362; vgl. auch BGH VersR 1974, 1030).
Bei dem zu entscheidenden Rechtsstreit ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Unfall in einem Baustellenbereich passiert. Da die darlegungs- und Beweislast für die Unabwendbarkeit des Schadenseintritts bei den Beklagten liegt, hätten sie darzulegen, dass gleichwohl keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass lose Steine auf der Fahrbahn lagen. Das haben die Beklagten damit getan, als sie – unwidersprochen – vortrugen, dass der Fahrer des Lkws nicht erkennen konnte, dass ein Stein auf der Fahrbahn lag. Das bedeutet, dass sich der Unfall zwar in einem Baustellenbereich ereignete, es dort aber keine Anhaltspunkte für Steine auf der Fahrbahn gab. Diese beiden Feststellungen stehen aber nicht im Widerspruch zueinander. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Bauarbeiten neben der Fahrspur stattfanden und dass damit die Fahrbahn nicht verschmutzt war. Damit war in dem konkreten Fall in dem Baustellenbereich nicht mit dem Vorhandensein lose herumliegender Steine zu rechnen und eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht vorhersehbar. Damit können sich die Beklagten zu Recht auf einen Haftungsausschluss nach § 17 III StVG wegen eines unabwendbaren Ereignisses berufen. Die Klage war daher abzuweisen.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis: [/color]In diesem konkreten Einzelfall mag das Ergebnis, dass sich die Beklagten auf ein unabwendbares Ereignis berufen können, zutreffend sein, weil der Lkw-Fahrer wohl nicht erkennen konnte, dass sich ein Stein auf der Fahrbahn befand, obwohl eine Baustelle durchfahren wurde. Grundsätzlich ist jedoch in einem Baustellenbereich regelmäßig mit Steinen auf der Fahrbahn zu rechnen. Baufahrzeuge bringen regelmäßig diese Steine mit ihren Reifen aus der Baustelle mit und verlieren sie auf der Fahrbahn. In solchen Fällen ist die Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren. Wie das LG Nürnberg-Fürth entschieden hätte, wenn die Fahrbahn verschmutzt war, mag dahingestellt bleiben.