OLG Nürnberg lässt Dashcam-Aufnahmen im Zivilverfahren zur Beweisführung über Verkehrsunfall zu
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RobGal -
11. September 2017 um 15:13 -
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Der spätere Kläger fuhr mit seinem Pkw Toyota auf der Bundesautobahn A 5 in Höhe Karlsruhe, als der Lkw der späteren Beklagten hinten links auf sein Fahrzeug auffuhr. Durch die Kollision wurde der Pkw beschädigt. In dem Lkw war eine Dashcam installiert, mit welcher das Unfallgeschehen aufgezeichnet wurde. Während der Kläger behauptete, das von ihm gesteuerte Fahrzeug verkehrsbedingt abgebremst zu haben und der Fahrer des Lkws sei wegen zu hoher Geschwindigkeit und zu geringen Sicherheitsabstandes aufgefahren, stellen die Beklagten den Unfallhergang anders dar. Danach sei der Kläger von der linken über die mittlere zur rechten Fahrspur gewechselt und habe dann abrupt abgebremst. Trotz sofortiger Notbremsung sei ein Auffahrunfall nicht vermeidbar gewesen. Vor dem Landgericht Regensburg hat der Kläger Schadensersatz in Höhe von 14.941,77 € von den Beklagten verlangt. Er war der Ansicht, dass die Dashcam-Aufnahmen nicht verwertbar seien. Das Landgericht hat zur Rekonstruktion ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt. Der gerichtlich bestellte Gutachter kam nach Auswertung der Dashcam-Aufnahmen zu dem Ergebnis, dass der Vortrag der Beklagten zum Unfallhergang zutreffend sei. Daraufhin hat das Landgericht die Klage abgewiesen und dies vor allem mit dem auf die Auswertung der Dashcam gestützten Sachverständigengutachten begründet. Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und sich nochmals gegen die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnungen gewandt. Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat in einem Hinweisbeschluss die Auffassung vertreten, dass das Landgericht Regensburg seinem Urteil zu Recht die Dashcam-Aufzeichnungen zugrunde gelegt hat. Der Kläger hat seine Berufung daraufhin zurückgenommen.
Die Berufung gegen das angefochtene Urteil des Landgerichts Regensburg ist zwar zulässig, dürfte aber unbegründet sein. Ein Verwertungsverbot ergibt sich im vorliegenden Fall weder aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch aus dem Kunsturheberrecht oder datenschutzrechtlichen Normen. Durch die Aufzeichnungen der Dashcam wird nicht in die Intim- oder Privatsphäre des Klägers eingegriffen. Sein Interesse besteht lediglich darin, dass sein im öffentlichen Verkehrsraum stattfindendes Verhalten nicht für einen kurzen Zeitraum dokumentiert wird. Dem steht das Interesse des Beklagten daran gegenüber, nicht auf der Grundlage unwahrer Behauptungen zu Unrecht verurteilt zu werden. Dies hat Vorrang gegenüber dem sehr geringfügigen Eingriff in die Interessen des Unfallgegners daran, dass sein Fahrverhalten nicht dokumentiert werde. Die Tatsache, dass außer der Aufzeichnung des konkreten Unfallgeschehens auch Aufnahmen von Fahrzeugen Dritter erfolgt seien, führt ebenfalls nicht zu einem Verwertungsverbot. Es geht im Zivilprozess ausschließlich um die Verwertung der relevanten Sequenzen zum Unfallhergang und nicht um die Beurteilung von Sequenzen, die damit nicht in Zusammenhang stehen. Die Berücksichtigung von Drittinteressen führt zudem bei der konkreten Fallgestaltung auch deshalb nicht zu einem Verwertungsverbot, weil diese ebenfalls nur minimal betroffen sind. Es geht hier um Aufzeichnungen mit einer fest auf dem Armaturenbrett installierten und nach vorne gerichteten Dashcam.
Die Aufnahmen richten sich nicht gezielt gegen einzelne Personen, wie es etwa bei der Videoüberwachung oder dem Mitschnitt von Telefonaten der Fall ist. Vielmehr werden lediglich kurzzeitig und relativ klein die Bewegungen der Fahrzeuge abgebildet. Die im Fahrzeug sitzenden Personen sind praktisch nicht sichtbar. Auch aus dem Datenschutzrecht ergibt sich nichts anderes. Nach den dortigen Rechtsgrundlagen kommt es letztlich auf die gleiche Güterabwägung an, die hier zugunsten der Beklagten ausfällt. Schließlich ergibt sich ein Verwertungsverbot auch nicht aus dem Kunsturheberrecht. Es liege bereits kein „Bildnis“ vor, da die Aufzeichnungen die Person des Klägers allenfalls schemenhaft abbilden. Die Aufzeichnungen sind daher im konkreten Fall verwertbar.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis:[/color] Bei dem obigen Hinweisbeschluss des OLG Nürnberg, die meines Wissens die erste obergerichtliche Entscheidung zur Zulässigkeit der Dashcam-Aufnahmen zur Beweisführung im Zivilprozess ist, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Zu Recht hat das OLG Nürnberg darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die Dashcam-Aufzeichnungen verwertet werden dürfen, im Rahmen einer Interessen- und Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu klären ist. Das Interess4e des Beweispflichtigen an einem effektiven Rechtsschutz und sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG überwiegen das Interesse am Persönlichkeitsrecht des Unfallgegners auf jeden Fall dann, wenn andere zuverlässige Beweismittel nicht zur Verfügung stehen.