BGH entscheidet zu Unfall auf einem nicht von Schnee geräumten Gehweg in München
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RobGal -
19. März 2018 um 14:20 -
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In den Wintermonaten kommt es immer wieder zu Schnee- und Glatteisunfällen auf nicht oder nur unzureichend geräumten Gehwegen. Der Verletzte versucht dann, von dem Verantwortlichen Schadensersatz und Schmerzensgeld zu erhalten. Häufig ist aber nicht klar, wer für das Räumen des Gehweges vor einem Privatgrundstück verantwortlich ist. So musste der Verletzte auch in dem letztlich vom BGH entschiedenen Rechtsstreit zunächst vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht München klagen. Die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld blieb allerdings in allen Instanzen ohne Erfolg.
Der spätere Kläger stürzte am 17.1.2010 gegen 9.10 Uhr beim Verlassen eines im Eigentum der späteren Beklagten stehenden Wohnhauses in der Münchner Innenstadt auf dem von der Landeshauptstadt München nicht geräumten öffentlichen Gehweg. Die Beklagte ist Eigentümerin des Hauses, in dem die frühere Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers eine Wohnung gemietet hatte. Der Winterdienst mit Räum- und Streupflicht auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Grundstück obliegt der Landeshauptstadt München. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Stadt München hatte den Gehweg mehrfach geräumt und gestreut, allerdings nicht auf der gesamten Breite des öffentlichen Gehwegs und auch nicht bis zur Schwelle des unmittelbar an den Gehweg angrenzenden bebauten Grundstücks der Beklagten. Die Beklagte hatte ihrerseits auch den Streifen bis zum Eingang ihres Wohnhauses nicht gestreut, weil sie der Ansicht war, dazu nicht verpflichtet zu sein. Als der Kläger auf dem ungestreuten Teil des Gehwegs stürzte, brach er sich den rechten Knöchel. Er verlangte von der beklagten Hauseigentümerin materiellen Schadensersatz in Höhe von rund 4.300,- €, ein angemessenes Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall. Der Stadt München wurde der Streit verkündet. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht München hat die Klage mit Urteil vom 14.01.2016 - 2 O 28823/13 - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung wurde vom Oberlandesgericht München mit Urteil vom 6.10.2016 - 1 U 790/16 - zurückgewiesen. Auch die Revision vor dem für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs blieb ohne Erfolg.
Die Revision ist unbegründet. Ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde die allgemeine Räum- und Streupflicht nicht übertragen hat, ist regelmäßig nicht verpflichtet, auch Teile des öffentlichen Gehwegs jenseits der Grundstücksgrenze zu räumen und zu streuen. Zwar ist ein Vermieter aus dem Mietvertrag, in dessen Schutzbereich auch der Kläger als damaliger Lebensgefährte der Mieterin einbezogen war, verpflichtet, dem Mieter und dessen Besuchern während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Grundstück zu gewähren, § 535 I BGB. Dazu gehört grundsätzlich auch, die Wege auf dem Grundstück vom Hauseingang bis zum öffentlichen Gehweg so zu streuen und zu räumen, dass ein Sturz des Mieters oder seines Besuchers ausgeschlossen ist. Dies ergibt sich auch aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach § 823 I BGB. Im Streitfall ist der Kläger jedoch nicht auf dem Grundstück der Beklagten, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters gegenüber seinen Mietern aus dem Mietvertrag beschränkt sich regelmäßig auf den Bereich des Grundstücks. Entsprechendes gilt für die allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers aus Deliktsrecht.
Eine solche Verkehrssicherungspflicht auf dem öffentlichen Gehweg besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde auf den Anlieger bzw. Eigentümer des angrenzenden Grundstücks übertragen worden ist. Im Streitfall lag die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten jedoch eindeutig bei der Landeshauptstadt München als Streitverkündete dieses Rechtsstreits. Eine Ausdehnung der Verkehrssicherungspflicht über das Grundstück des Vermieters hinaus komme nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Umstände in Betracht, die hier jedoch nicht vorlägen. Das Oberlandesgericht München als Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es dem Kläger zumutbar war, den schmalen, nicht geräumten Streifen des öffentlichen Gehwegs mit der gebotenen Sorgfalt und Vorsicht zu überqueren, um dann auf den von der Landeshauptstadt München geräumten Streifen zu gelangen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Fazit und Praxishinweis: Im konkreten Schadensfall hat der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die der Stadt als Eigentümerin des öffentlichen Gehwegs obliegende Verkehrssicherungspflicht und die dem Anlieger obliegende Verkehrssicherungspflicht räumlich genau abgegrenzt. Grundsätzlich endet die Verkehrssicherungspflicht des unmittelbar an den öffentlichen Gehweg angrenzenden Eigentümers an der Grundstücksgrenze des Anliegers. Im konkreten Fall oblag die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg der Landeshauptstadt München. In verschiedenen Ortssatzungen überträgt die jeweilige Gemeinde jedoch die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg auf den unmittelbar angrenzenden Anlieger. Der Anlieger muss dann im Winter bei Schneefall und Glatteis auch den Gehweg vor seinem Grundstück streuen und räumen