Schadensersatz nach Sturz durch Bodenluke im Bekleidungsgeschäft
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RobGal -
20. Juni 2018 um 12:19 -
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Das LG Bielefeld hatte in erster Instanz mit Urteil vom 12.4.2017 – 4 O 21/15 – der Geschädigten ein Mitverschulden angelastet und zur Zahlung von weiteren 70 % verurteilt. Die von der Klägerin dagegen gerichtete Berufung führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur 100%igen Haftung der Beklagten.
Im März 2014 besuchte die spätere 66 Jahre alte Geschädigte ein Modehaus, um dort für ihre Tochter einen Pullover zu kaufen. Im Gang zur Kasse befand sich ein Schacht im Boden mit den Maßen von 2,11 m x 0,8 m, der in den darunter liegenden Bügelkeller führte. Die Abdeckung dieses Schachtes stand offen. Normalerweise ist der Schacht durch eine Bodenluke geschlossen. Weil die spätere Geschädigte zur Seite sah, wo sich eine Verkäuferin mit dem Geschäftsinhaber unterhielt, übersah die Kundin die offene Bodenluke und stürzte in den Schacht. Dabei erlitt sie diverse Verletzungen an der Schulter, am Oberarm, am Sprunggelenk sowie am Fuß. Sie erlitt zudem eine Oberarmfraktur und eine Fraktur des Innenknöchels. Die Krankenkasse der Geschädigten musste Behandlungskosten von insgesamt rund 21.000,-- € aufwenden. Die Haftpflichtversicherung des Bekleidungshauses hat diese zur Hälfte erstattet. Die weitere Hälfte wurde von der Haftpflichtversicherung unter Hinweis auf das Mitverschulden der Kundin verweigert. Die Krankenkasse klagt die weitere Hälfte zunächst vor dem Landgericht Bielefeld ein. Mit Urteil vom 12.4.2017 – 4 O 21/15 – hat das Landgericht Bielefeld weitere 70 % zugesprochen. Es war der Ansicht, dass die Kundin sich ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lassen müsse. Die dagegen gerichtete Berufung hatte Erfolg. Das OLG Hamm ist der Ansicht, dass das beklagte Bekleidungsgeschäft zu 100% haftet.
Die Berufung gegen das Urteil des LG Bielefeld ist begründet. Dem Kunden, der zu den üblichen Öffnungszeiten ein Bekleidungsgaus zum Kauf betritt und der auf dem Gang zur Kasse durch eine geöffnete Bodenluke fällt, steht ein Schadensersatzanspruch von 100 Prozent zu. Insoweit war das erstinstanzliche Urteil abzuändern. Ein Mitverschulden der Kundin, wie es vom Landgericht Bielefeld mit 30 Prozent angenommen wurde, ist nach Ansicht des erkennenden 9. Zivilsenats des OLG Hamm nicht zu erkennen. Der Unfall hat sich in einem Ladenlokal ereignet, in welchem die Aufmerksamkeit der Kunden zielgerichtet auf die ausgestellte Ware gerichtet ist und damit von anderen Dingen abgelenkt wird. In einem Bekleidungsgeschäft muss ein Kunde allenfalls mit herabgefallenen Kleidungsstücken rechnen, nicht jedoch mit einer während des Publikumsverkehrs geöffneten Bodenluke in dem Maßen 2,11 m x 0,8 m. Eine solche Luke ist eine so überraschende Gefahrenquelle, dass sie nur außerhalb der Geschäftszeiten geöffnet werden darf. Das beklagte Bekleidungshaus räumt auch ein, dass es üblicherweise so verfährt. Das Ablenken der Kundin durch das seitlich davon geführte Gespräch der Verkäuferin mit dem Geschäftsinhaber kann nicht als Mitverschulden gewertet werden. Auf jeden Fall tritt ein etwaiges geringes Mitverschulden, wenn überhaupt ein solches anzunehmen wäre, hinter die gravierende Verkehrssicherungspflichtverletzung, die die Beklagte zu vertreten hat, zurück. Deshalb schuldet die Beklagte insgesamt 100 % Schadensersatz.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis: [/color]Eine während der Geschäftszeiten im Kundenbereich eines Bekleidungsgeschäftes geöffnete Bodenluke mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m stellt eine überraschende Gefahrenquelle dar, auf die sich ein Kunde nicht einstellen muss. Fällt ein Kunde in den geöffneten Schacht, trifft das Bekleidungsgeschäft eine Verkehrssicherungspflichtverletzung, die zu einer 100-prozentigen Schadensersatzleistung führt. Wenn in den Geschäftszeiten doch einmal die Luke geöffnet werden muss, weil jemand in den Bügelkeller muss, so ist die geöffnete Luke besonders abzusichern.