Im Schadensersatzprozess kommt es auf Honorartableau der HUK-COBURG bei Sachverständigenkosten nicht an
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RobGal -
9. Juli 2018 um 09:30 -
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Mit dieser Argumentation kürzte sie auch im Falle des Unfalls, der vom örtlich zuständigen Amtsgericht Herne-Wanne kürzlich entschieden werden musste. Das angerufene Gericht hat die Ansicht der HUK-COBURG nicht bestätigt. Vielmehr wurde die bei ihr versicherte Unfallverursacherin zur Zahlung der von der HUK-COBURG gekürzten Beträge verurteilt.
Die spätere Beklagte verursachte in Herne-Wanne-Eickel einen Verkehrsunfall, bei dem das Kraftfahrzeug des Geschädigt beschädigt wurde. Der Geschädigte zog zur beweissichernden Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzu. Dieser berechnete gegenüber seinem Auftraggeber seine Sachverständigenkosten mit 544,19 €. Der Geschädigte trat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall an den Sachverständigen ab. Dieser wandte sich zwecks Schadensausgleich nun an die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, denn das unfallverursachende Fahrzeug war bei dieser Versicherungsgesellschaft haftpflichtversichert. Die HUK-COBURG kürzte die berechneten Sachverständigenkosten unter Hinweis auf die Beträge in ihrem Honorartableau um 62,19 €. Mit der vorgenommenen Kürzung, bei der die HUK-COBURG verblieb, konnte sich der Kfz-Sachverständige nicht einverstanden erklären und machte daher den gekürzten Betrag von 62,19 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 70,20 € bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Herne-Wanne rechtshängig, allerdings nicht gegen die kürzende HUK-COBURG, sondern gegen die bei ihr versicherte Unfallverursacherin. Die Klage hatte Erfolg.
Die Klage ist begründet. Der klagende Kfz-Sachverständige hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht aus §§ 823 I BGB, 7 I, 17, 18 StVG, 249 ff BGB auf Zahlung restlicher 62,19 €. Dem Geschädigten stand aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ein Anspruch gegen die Beklagte auf vollständigen Ausgleich der Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens zu. Diesen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten hatte der Geschädigte als Zedent wirksam an den Kläger abgetreten. Da bislang nur ein Teilbetrag auf die berechneten Sachverständigenkosten gezahlt worden ist, errechnet sich die Restforderung in der gekürzten Höhe, die dem Kläger zuzusprechen sind. Die Einstandspflicht der Beklagten für das streitgegenständliche Unfallereignis dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig. Der durch einen Unfall Geschädigte hat grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung des erforderlichen Herstellungsaufwands zur Beseitigung aller Unfallfolgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören Kosten der Einholung eines Schadensgutachtens zu dem auszugleichenden Vermögensnachteil, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung bzw. Zahlung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständlich und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung des Sachverständigen für geboten und die anfallenden Kosten für angemessen halten durfte.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dem Geschädigten und Zedenten ein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht im Sinne eines Auswahlverschuldens anzulasten sein könnte. Da es bei Kfz-Sachverständigen keine einheitlichen Abrechnungsmodalitäten und keine allgemein zugänglichen Preislisten gibt, welche einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, dürfte der Beklagte von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen. Der Geschädigte kann von dem Schädiger erst dann keinen vollständigen Ausgleich anfallender Kosten verlangen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen. Dass die berechneten Gutachterkosten eine derartige Höhe erreicht haben, dass bei dem Geschädigten vernünftigerweise Zweifel an der Angemessenheit der Rechnungshöhe aufkommen mussten, ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte selbst einen Betrag von 482,-- € gegenüber den verlangten 544,19 € für gerechtfertigt erachtete, ist nicht erkennbar.
Auf das hauseigene Honorartableau der HUK-COBURG kommt es schon deshalb nicht an, weil dieses dem Geschädigten unbekannt gewesen sein dürfte und er es auch nicht kennen musste. Da die Weigerung der Beklagten, die vollständigen Sachverständigenkosten zu ersetzen, unberechtigt ist, hat der Kläger dadurch, dass er den Geschädigten nicht darauf hingewiesen hat, die gegnerische Haftpflichtversicherung werde die anzusetzenden Kosten möglicherweise nicht in vollem Umfange erstatten, auch nicht gegen eine ihm obliegende Hinweispflicht verstoßen. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf ersatzvorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergeben sich aus Verzug. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, ihm habe die aktuelle Rechtsprechung zur Höhe des Sachverständigenhonorars und deren Berechnung im Wesentlichen bekannt sein müssen, so dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen sei. Da der Kläger Kfz-Sachverständiger und nicht Jurist ist und sein Betrieb über keine eigene Rechtsabteilung verfügen dürfte, durfte er auch vorgerichtlich die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch nehmen.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis:[/color] Zunächst ist festzuhalten, dass das erkennende Gericht – zu Recht – das von der HUK-COBURG als Maßstab vorgebrachte eigene Honorartableau für Sachverständigenkosten als nicht maßgeblich bezeichnet hat. Es ist dem deutschen Recht fremd, dass ein Schuldner oder dessen Haftpflichtversicherer die Höhe des zu ersetzenden Schadens bestimmt. Der Schädiger ist Schuldner des Schadensersatzanspruchs. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs bestimmt immer noch der Gläubiger, denn nur dieser kann fordern. Im Übrigen hat die HUK-COBURG bis heute noch nicht dargelegt und bewiesen, was allerdings ihre Pflicht wäre, wenn sie sich auf dieses hauseigene Honorartableau bezieht, wie die Tabellenwerte zustande gekommen sind. Das hauseigene Honorartableau der HUK-COBURG kann niemals Grundlage für die vom Sachverständigen berechneten Werte sein. Weiterhin hat das erkennende Gericht – zu Recht – darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Sachverständigenkosten zu den auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – Rn. 11 = BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung bzw. Zahlung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung des Sachverständigen für geboten und die anfallenden Kosten für angemessen halten durfte.