Im Schadensersatzprozess kommt es bei den Sachverständigenkosten auf den Gesamtbetrag an
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RobGal -
10. Juli 2018 um 12:33 -
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Die einstandspflichtige VHV-Versicherung hatte aus seiner Kostenrechnung 131,20 € gegenüber dem Geschädigten gekürzt. Der zuständige Richter am Amtsgericht Hannover gab jedoch dem Kläger recht.
Am 17.11.2016 kam es in Bochum zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Pkw des Schädigers mit dem amtlichen Kennzeichen HER … und dem Pkw des Geschädigten mit dem amtlichen Kennzeichen BO …. Der Schädiger hat mit seinem Herner Pkw den Verkehrsunfall alleine verursacht. Das Fahrzeug des Schädigers ist bei der VHV-Versicherung haftpflichtversichert. Der Geschädigte ließ sein verunfalltes Fahrzeug durch einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen aus Bochum begutachten. Für die Begutachtung stellte der Kfz-Sachverständige insgesamt 687,53 € brutto in Rechnung. Der Geschädigte trat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen ab, der die Abtretung annahm. Die VHV-Versicherung als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte die Rechnung des Sachverständigen um 131,20 €. Sie meinte, einzelne Nebenkostenposten seien überhöht. Die Klage des Sachverständigen gegen die VHV-Versicherung vor dem AG Hannover auf Erstattung des gekürzten Schadensbetrages aus abgetretenem Recht hatte Erfolg.
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht aus dem Unfallereignis vom 17.11.2016 in Bochum noch ein restlicher Schadensbetrag von 131,20 € zu. Die grundsätzliche Haftung der beklagten Kfz-Versicherung steht außer Streit. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs bestimmt sich nach § 249 BGB. Bei der Aufwendung von Kosten für ein Sachverständigengutachten richtet sich die Höhe des Anspruchs danach, welcher Betrag objektiv zur Schadensbeseitigung erforderlich war und zwar unter Berücksichtigung der beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten (vgl. LG Hannover Urt. v. 28.2.2017 – 9 S 5/16 – Rn. 9). Dabei umfasst der Betrag die Aufwendungen, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Aus diesem Gebot der Wirtschaftlichkeit hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weh der Schadensbehebung zu wählen. Dabei ist der Geschädigte nicht verpflichtet, den zugänglichen Markt zu erforschen, um den preisgünstigsten Sachverständigen ausfindig zu machen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Geschädigte den für ihn ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragt (BGH Urt. v. 11.2.2014 – VU ZR 225/13 -).
Der Darlegungslast ist regelmäßig dadurch Genüge getan, dass die Honorarvereinbarung und die dazugehörige Rechnung des mit der Begutachtung des geschädigten Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen vorgelegt werden. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages ist dann grundsätzlich nicht ausreichend, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Denn diese Rechnung und die ihr zugrunde liegende Honorarvereinbarung stellt regelmäßig die Begrenzung der Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten dar und ist mithin ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 249 II 1 BGB. Die Rechnung weist einen Betrag von 687,53 € aus. Eine von dieser Rechnung abweichende Bewertung rechtfertigt sich jedoch, wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Rechnungsbeträge für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Das ist im zu entscheidenden Rechtsstreit nicht der Fall, wobei es auf die Gesamtbetrachtung von Grundhonorar und Nebenkosten ankommt (vgl. LG Hannover Urt. v. 28.2.2017 – 9 S 5/16 - Rn. 14). Nach der vom Gericht vorzunehmenden Schätzung der Schadenshöhe ergibt sich nach der BVSK-Umfrage 2015 ein Gesamtbetrag von 644,50 €. Demnach übersteigt der Betrag aus der Rechnung des Sachverständigen den Betrag von 644,50 € laut BVSK-Umfrage um weniger als 20 Prozent. Nach Einschätzung des erkennenden Gerichts ist der geltend gemachte Gesamtbetrag nicht erheblich erkennbar überhöht. Insgesamt steht dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der gesamten Sachverständigenkosten in Höhe von 687,53 € brutto zu. Dementsprechend war die Beklagte zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrages zu verurteilen.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis: [/color]Mit zutreffendere Begründung hat das erkennende Gericht darauf abgestellt, dass es bei einer Schadenshöhenschätzung auf den Gesamtbetrag der Rechnung ankommt. Eine Preiskontrolle der einzelnen Rechnungsposten ist dem Gericht im Schadensersatzprozess ohnehin untersagt (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – Rn. 13). Zu Recht hat das erkennende Gericht auch festgestellt, dass die Rechnung des vom Geschädigten hinzugezogenen Kfz-Sachverständigen und die ihr zugrunde liegende Honorarvereinbarung des Geschädigten mit dem Sachverständigen regelmäßig die Begrenzung der Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten darstellt und mithin ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 249 II 1 BGB ist. Ob die Rechnung beglichen ist oder nicht, darauf kommt es nicht an, denn auch die noch nicht bezahlte Rechnung stellt eine Belastung mit einer Zahlungsverbindlichkeit dar, die nach herrschender Rechtsprechung einen auszugleichenden Schaden darstellt.