OLG Nürnberg zur Haftung eines Fahrzeughalters bei Unfall mit einem Fußgänger
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RobGal -
23. Juli 2018 um 12:48 -
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Die spätere Geschädigte hatte zunächst aus einem neben einer siebenspurigen Straße im Stadtgebiet Fürth geparkten Pick-up ein mannshohes Plakat entnommen. Sie beabsichtigte unmittelbar vom geparkten Kraftfahrzeug aus mit dem großen Plakat über die verkehrsreiche Straße zu gehen, um das Plakat auf dem Mittelstreifen aufzustellen. Dabei hätte sie vier Fahrspuren überqueren müssen. Die spätere Beklagte befuhr mit ihrem Pkw die zweite Fahrspur. Dort erfasste sie die Fußgängerin mit dem Plakat. Durch die Kollision erlitt die Geschädigte schwere Verletzungen. Die Heilbehandlungskosten wurden zunächst von der Krankenkasse der Geschädigten beglichen. Die Krankenkasse macht jedoch aus übergeleitetem Recht Schadensersatz für die aufgewendeten Heilbehandlungskosten und auch die Feststellung geltend, dass die Beklagte den künftig noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat. Sie nahm eine Quote von 50 Prozent an. Das örtlich zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth hatte der Klage mit einer Haftungsquote von einem Drittel zu Lasten der Beklagten stattgegeben. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Die Krankenkasse als Klägerin beanspruchte eine fünfzigprozentige Haftung, während die Beklagte beantragte, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Die Berufung der klagenden Krankenkasse wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es ist von einer Alleinhaftung der Geschädigten auszugehen. Die Beklagte hat nicht damit rechnen müssen, dass die Geschädigte mit dem mannsgroßen Plakat plötzlich die Straße überqueren werde, da in einer Entfernung von etwa 15 Metern ein ampelgeregelter Fußgängerüberweg vorhanden war. Der Pick-up hat neben der Straße geparkt. Er hat kein Verkehrshindernis dargestellt. Es hat für die beklagte ferngelegen, damit zu rechnen, dass ein Fußgänger mit einer mannshohen Plakatwand direkt über die Straße gehen würde, obwohl in 15 Metern ein Fußgängerüberweg vorhanden war, auf dem ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn möglich gewesen wäre. Die Geschädigte hat sich damit grob verkehrswidrig verhalten. Sie hat die vierspurige Fahrbahn an der Fußgängerampel überqueren müssen. Auch beim Überqueren der Straße, an der Stelle, an der der Unfall sich ereignete, hat sie sich nicht richtig verhalten. Sie hatte das sich nähernde Kraftfahrzeug erkannt. Die Geschädigte hätte daher am Fahrbahnrand stehen bleiben müssen, zumal sie ein sperriges Plakat mi9t sich führte. Die Alleinschuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls liegt bei der Geschädigten. Hinter der Alleinschuld eines sich grob verkehrswidrig verhaltenden Fußgängers beim Überqueren einer breiten Straße tritt die Betriebsgefahr, die von einem Kraftfahrzeug ausgeht, vollständig zurück.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis:[/color] Aufgrund seiner abstrakten Gefährlichkeit geht von jedem Kraftfahrzeug grundsätzlich eine Betriebsgefahr aus. Diese beginnt bereits mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs. Die Betriebsgefahr führt zu der unter anderem im Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelten verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters für diejenigen Personen- und Sachschäden, die beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstehen. Bei einem grob verkehrswidrigen Verhalten eines Fußgängers kann die Haftung aus der Betriebsgefahr des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges vollständig entfallen.