LG Saarbrücken sieht bei Schaden von 630,78 € Gutachterkosten von 494,54 € für erstattungsfähig an
-
RobGal -
22. Oktober 2018 um 10:47 -
0 Kommentare -
15.492 Mal gelesen
Der VI. Zivilsenat des BGH sieht die Bagatellschadensgrenze bei Reparaturen bis 715,-- € (vgl. BGHZ 160, 377, 383). In dem vom LG Saarbrücken zu entscheidenden Fall betrug der Reparaturaufwand nach dem vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachten 630,78 €. Die Kosten des Gutachters betrugen 494,54 €. Das LG Saarbrücken bestätigte eine Ersatzpflicht durch die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung.
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall suchte der Geschädigte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen auf, damit dieser beweissichernd den Umfang und die Höhe des entstandenen Unfallschadens am Kraftfahrzeug feststellen und dokumentieren sollte. In seinem schriftlichen Gutachten kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass Schäden am Frontstoßfänger, an der Nebelscheinwerferverkleidung und am Kotflügel links unfallbedingt entstanden sind. Die Reparaturkosten gab er mit voraussichtlich 630,78 € an. Seine Gutachterkosten gab er mit 494,54 € an. Der Geschädigte forderte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung erfolglos auf, auch die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen. Das erstinstanzliche Gericht gab dem Geschädigten Recht und sprach ihm die Sachverständigenkosten zu. Dagegen legte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung Berufung bei der Berufungskammer des Landgerichts Saarbrücken ein. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung gegen die Zuerkennung der Sachverständigenkosten durch das Amtsgericht. Zwar ist der Berufung insoweit zuzugeben, dass in reinen Bagatellfällen die Beauftragung eines Sachverständigen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht erforderlich ist (vgl. BGH NJ-RR 1989, 953; BGH MDR 1998, 213; BGH VersR 2005, 380). Jedoch kann für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu ersetzen hat, nicht allein darauf abgestellt werden, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht. Denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen ist dem Geschädigten die Schadenshöhe gerade nicht bekannt. Vielmehr kommt es auch insofern maßgeblich darauf an, ob der Geschädigte zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen eine sachverständige Beratung für erforderlich halten durfte (BGH VersR 2005, 380; LG Saarbrücken NZV 2014, 91). Nicht ersatzfähig sind die Kosten eines Sachverständigengutachtens danach nur, wenn durch einen augenscheinlich geringfügigen Unfall nur ein oberflächlicher Sachschaden entstanden ist, der für den Geschädigten als Bagatelle ohne Weiteres erkennbar war (LG Saarbrücken aaO.; Freymann/Wellner JurisPK-StrVerkR, 1. A. § 249 BGB Rn. 225 mwN.; MüKo-Oetker 7. A. § 249 Rn. 398). Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens im vorliegenden Fall erforderlich. Zwar mag die vom Sachverständigen ermittelte Schadenshöhe sich noch in einem Bereich bewegen, der verbreitet als Bagatellschaden angesehen wird (vgl. BGH VersR 2005, 380; Freymann/Wellner aaO; MüKo-Oetker aaO.).
Entscheidend ist aber, ob für den Kläger dieses Rechtsstreits als Geschädigtem ohne das eingeholte Sachverständigengutachten erkennbar war, ob ein Schaden im Bagatellbereich vorlag, ob also auch für den Kläger als Laien die Bagatelle offensichtlich war. Das war nicht der Fall, denn durch die Kollision wurden Schäden am Frontstoßfänger, an der Nebelscheinwerferverkleidung sowie am Kotflügel links und an weiteren Anbauteilen verursacht, deren Reparaturkosten der Kläger als Laie auch in ihrer Größenordnung nicht zuverlässig abschätzen konnte, schon allein deshalb, weil sich einem Laien die Notwendigkeit eines Austauschs gegenüber einer Reparatur, aber auch die Höhe der Ersatzteilkosten und Lohnkosten nicht ohne Weiteres erschließt. Der Kläger war berechtigt, das Gutachten einzuholen. Die vom Sachverständigen berechneten Kosten, auch wenn sie 78,49 Prozent des Schadensbetrages ausmachen, sind von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung zu ersetzen.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis:[/color] Der Berufungsentscheidung des LG Saarbrücken ist zuzustimmen. Nach der Definition des VIII. Zivilsenats des BGH handelt es sich um einen Bagatellschaden, wenn nur oberflächliche Lackschäden vorliegen, nicht jedoch andere Blechschäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering ist (BGH DS 2008, 104, 106). Bei der Frage, ob ein qualifizierter Kfz-Sachverständiger zur Schadensfeststellung herangezogen werden kann, ist allein entscheidend, ob für den geschädigten Kfz-Eigentümer zweifelsfrei erkennbar war, dass der eingetretene Schaden an seinem Kraftfahrzeug ersichtlich nur oberflächlicher Lackschaden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entscheidet die Kenntnis des geschädigten Kfz-Eigentümers als technischen Laien, also wie sich der Schaden für ihn darstellt (BGHZ 160, 377, 383; BGH VersR 2006, 986, 987; BGH VersR 2007, 516, 517; BGH VersR 2008, 235, 237; vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1988, 1333). An die Erkennbarkeit des Bagatellschadens sind keine strengen Maßstäbe anzulegen (Wortmann DS 2009, 253, 254). Hat der Geschädigte nur im Entferntesten Anlass zu befürchten, dass nicht erkennbare, versteckte Schäden vorliegen könnten, kann ihm nicht verwehrt werden, einen Sachverständigen auf Kosten des Schädigers zu beauftragen, damit dieser beweissichernd den Schaden feststellt.