BGH urteilt zur Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung
-
RobGal -
9. Januar 2019 um 13:22 -
0 Kommentare -
73.579 Mal gelesen
BGH – VI. Zivilsenat - Urteil vom 25.9.2018 – VI ZR 65/18 –
Zur Ersatzfähigkeit der Ersatzteilpreisaufschläge (UPE-Aufschläge) und zu den Verbringungskosten bei fiktiver Schadensabrechnung hatte der für Schadensersatz zuständige VI. Zivilsenat des BGH bisher noch keine Entscheidung getroffen. Zwar war einmal eine Revision bezüglich dieser Frage beim BGH anhängig. Kurz vor der mündlichen Verhandlung wurde allerdings die Revision zurückgenommen. Jetzt hatte der VI. Zivilsenat im Revisionsverfahren jedoch die Möglichkeit, zur Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge zu entscheiden.
Bisher war es so, dass für den Fall, dass eine fiktive Schadensabrechnung möglich ist, nach der Rechtsprechung des BGH allerdings die üblichen Preise einer regionalen markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen sind. Dies gilt auch für die Ersatzteilpreisaufschläge und die Verbringungskosten , die keine eigenen Schadenspositionen sind, sondern mit zu den erforderlichen Reparaturkosten gehören, wenn diese üblicherweise bei einer Reparatur in der Markenfachwerkstatt anfallen und der Geschädigte nicht auf eine günstigere, gleichwertige Reparaturmöglichkeit verwiesen werden kann, bei der keine Ersatzteilpreisaufschläge oder Verbringungskosten anfallen. Da der Geschädigte in dem vom BGH jetzt entschiedenen Fall die Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit, bei der keine UPE-Zuschläge anfallen würden, nicht bestritten hat, verwies der BGH den Geschädigten auf die günstigere Reparaturmöglichkeit und sprach die fiktiven Ersatzteilpreisaufschläge nicht zu.
Am 15.3.2015 ereignete sich im Amtsgerichtsbezirk Solingen ein Verkehrsunfall, bei dem das Kraftfahrzeug des Geschädigten beschädigt wurde. Die alleinige Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung ist dem Grunde nach unstreitig. Nach dem Unfall ließ der Geschädigte ein Schadensgutachten erstellen. Der Schadensgutachter legte in seinem Gutachten die Stundenverrechnungssätze einer ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt in Solingen zugrunde und bezifferte den Stundensatz mit 103,75 €. Die vom Gutachter angesetzten Kosten für die notwendigen Ersatzteile enthielten einen 10-prozentigen Aufschlag auf die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte bei der Schadensabrechnung die im Schadensgutachten ausgewiesenen Stundensätze unter Verweis auf die Referenzwerkstatt T. in H, die in einer Entfernung von 6,1 km von der Wohnung des Geschädigten liegt, auf netto 95,-- € und lehnte den Ersatz für die UPE-Zuschläge ab. Der Geschädigte war mit der Abrechnung der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht einverstanden und klagte vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Solingen. Mit Urteil vom 20.7.2017 – 9 C 58/15 – verurteilte es nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, nach dem die im Schadensgutachten aufgeführten Stundenverrechnungspreise im Rahmen mittlerer ortsüblicher Stundensätze lagen, zur Zahlung der eingeklagten Differenz von 221,96 Auf die Berufung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung hat das Landgericht Wuppertal mit Berufungsurteil vom 25.1.2018 – 9 S 141/17 – das Urteil des AG Solingen abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter. Der VI. Zivilsenat hat die Revision zurückgewiesen.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das mit der Revision angefochtene landgerichtliche Urteil beruht nicht auf Rechtsfehlern. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht regelmäßig ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder gar nicht reparieren lässt ( vgl. BGH NJW 2017, 2183 Rn. 7 mwN.). Allerdings ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Beansprucht der Geschädigte den Ersatz fiktiver Reparaturkosten , so genügt er im Allgemeinen seiner Darlegungspflicht, wenn er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachtachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachter gerecht zu werden ( BGHZ 155, 1 mwN.). Gleichwohl muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltungspflicht auf diese verweisen lassen (BGHZ 155, 1; BGHZ 183, 21 Rn. 9; BGH VersR 2014, 214 Rn. 10; BGH NJW 2010, 2727 Rn. 6 f.). Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs, auf die sich die Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht auswirken kann, ist revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien berücksichtigt hat, Rechtsgrundsätze der Schadenbemessung beachtet oder seiner Schadenshöhenschätzung unrichtige Maßstäbe angelegt hat (BGH NJW 2017, 2182 Rn. 10; BGH NJW 2016, 3092 Rn. 10). Daran gemessen weist das Berufungsurteil keine Rechtsfehler auf. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist, hat die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung eine gleichwertige und mühelos erreichbare sowie im angegebenen Umfang günstigere Reparaturmöglichkeit in der Werkstatt T in H. nachgewiesen. Hiergegen hat die Revision keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben. Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Kläger Reparaturkosten auf der Grundlage der von der Referenzwerkstatt T. berechneten geringeren Stundenverrechnungssätze zuerkannt hat. Der Geschädigte muss sich bei der fiktiven Schadensabrechnung unter den aufgezeigten Voraussetzungen auch dann auf eine günstigere Werkstatt verweisen lassen, wenn der Reparaturkostenkalkulation des vom Geschädigten hinzugezogenen Sachverständigen bereits mittlere ortsübliche Stundensätze nicht markengebundener Werkstätten zugrunde liegen (vgl. LG Hamburg Urt. v. 20.4.2017 -331 S 45/16 -; Heßeler NJW 2017, 2182, 2184; a.A.: OLG München DAR 2014 30, 31; LG Düsseldorf DAR 2017, 200 Rn. 20 ff.).
Es kann keinen Unterschied machen, ob im Schadensgutachten von durchschnittlichen regionalen Stundensätzen markengebundener oder freier Fachwerkstätten ausgegangen worden ist. Die dargelegten Grundsätze zum Ersatz der Reparaturkosten bei fiktiver Schadensabrechnung beziehen sich nicht nur auf die Stundenverrechnungssätze, sondern auch auf die Kosten der Ersatzteile. Diese gehören mit zu den Reparaturkosten . Danach ist hier eine Schadenshöhenschätzung der Ersatzteilkosten ohne Berücksichtigung der UPE-Aufschläge erlaubt. Die in Literatur und Rechtsprechung zum Schadensersatz thematisierten Ersatzteilpreisaufschläge ( UPE-Aufschläge ) sind keine eigenen Schadensersatzpositionen, sondern können gemeinsam mit den vom Schadensgutachter ermittelten unverbindlichen Preisempfehlungen bei der Schätzung des erforderlichen Reparaturaufwandes des Geschädigten einen ersten Anhaltspunkt für die Schätzung der Ersatzteilkosten bieten. Die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit der Ersatzteilpreisaufschläge wird ganz überwiegend angenommen. Die Auffassung, dass entsprechende UPE-Aufschläge bei der Abrechnung fiktiver Reparaturkosten nicht zu erstatten seien (so: LG Duisburg SP 1998, 425, 426; LG Essen SP 1998, 428; LG Hannover NZV 2009, 186; LG Lübeck NZV 2010, 517; Wenker VersR 2005, 917, 918), wird nur noch sehr selten vertreten. Überwiegend wird in Literatur und Rechtsprechung angenommen, dass sie nicht zu erstatten sind, wenn sie bei einer Reparatur in der ortsansässigen Fachwerkstatt nicht angefallen wären (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2002, 87, 89; KG KGR 2008, 610, 611; KG Urt. v. 11.10.2010 – 12 U 148/09 -). Von einer Erstattungsfähigkeit der UPE-Zuschläge wird ausgegangen, wenn sie regional üblich sind (vgl. LG Frankenthal Urt. v. 22.1.2014 – 2 S 237/13 -; LG Kleve r+s 2017, 212 Rn. 11; LG Münster Urt. v. 8.5.2018 – 3 S 139/17 Rn. 25). bzw. im Fall einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten oder markenunabhängigen Werkstätten typischerweise erhoben werden (vgl. OLG München r+s 2014, 471; OLG Hamm OLGR 1998, 91, 93; LG Memmingen SP 2015, 301; LG Heidelberg NJW-RR 2016, 1431 Rn. 27; LG Arnsberg NJW-RR 2017, 1178; LG Rostock DAR 2011, 641; LG Braunschweig DV 2013, 35, 36; MüKo-BGB/Oetker 7. A. § 249 Rn. 372; Eckert VA 2007, 141, 144; Wellner BGH-Rechtsprechung 4. A. S. 151) oder wenn ein öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise UPE-Aufschläge erhoben werden (OLG Frankfurt NZV 2017, 27 Rn. 13 mwN.; OLG Düsseldorf SP 2012, 324, 325; LG Oldenburg NJW-RR 2014, 1315, 1317; LG Saarbrücken ZfS 2013, 564; Wortmann VersR 2005, 1515, 1516).
Auf jeden Fall wird die Erstattungsfähigkeit verneint, wenn der Geschädigte zumutbar auf eine solche Werkstatt verwiesen werden kann, die eine Reparatur nach Herstellerrichtlinien oder nach den unverbindlichen Preisempfehlungen ausführt (OLG Hamm Urt. v. 28.3.2017 – 26 U 72/16 -; LG Essen SP 2013, 115, 116; LG Siegen SVR 2014, 188; LG Saarbrücken NJW 2018, 876 Rn. 16). Nach ganz überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der auch der erkennende Senat folgt, entscheidet sich demnach die Frage der Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit der Reparaturkosten (vgl. Himmelreich-Halm/Richter Hdb. FA. Verkehrsrecht 6. A. Kap. 4 Rn. 280 f.). Danach darf der Geschädigte, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensabrechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm hinzugezogener Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Unter den Gesichtspunkten einer zulässigen und zumutbaren Verweisung auf eine günstigere gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer Referenzwerkstatt ist jedoch auf der Grundlage der günstigeren Reparaturmöglichkeit abzurechnen, die sich daraus ergeben kann, dass die Referenzwerkstatt günstigere Ersatzteilpreise, zum Beispiel ohne UPE-Aufschläge , anbietet. Das ist hier der Fall. Die Verweisungsmöglichkeit auf eine günstigere Werkstatt ist nicht bestritten worden, somit zuerkannt.
Fazit und Praxishinweis:
Der für Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall zuständige VI. Zivilsenat hat mit dieser Entscheidung zum ersten Mal die Frage der Ersatzfähigkeit der UPE-Zuschläge entschieden. Bisher lag eine Entscheidung dazu nicht vor. Zwar lag dem VI. Zivilsenat bereits einmal eine Revision zu diesem Thema vor. Die Revision wurde aber kurz vor der Verhandlung zurückgenommen. Der VI. Zivilsenat hat nunmehr entschieden, dass der Geschädigte bei der fiktiven Schadensabrechnung auf eine mühelos und ohne weiteres zugängliche günstigere und zur Markenfachwerkstatt gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, wenn die Verweisung für ihn zumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit kann sich daraus ergeben, dass das verunfallte Fahrzeug jünger als drei Jahre ist oder ständig in der Markenfachwerkstatt gewartet, gepflegt und repariert wurde. Ist eine Verweisung auf eine günstigere Werkstatt möglich, deren Reparaturen zu der Reparatur in der Markenfachwerkstatt gleichwertig sind, muss sich der Geschädigte die günstigeren Ersatzteilkosten anrechnen lassen, denn die Ersatzteilkosten gehören zu den Reparaturkosten .
Werden in der günstigeren und gleichwertigen Referenzwerkstatt keine UPE-Zuschläge berechnet, so hat der Geschädigte bei fiktiver Schadensersatzabrechnung keinen Ersatzanspruch bezüglich der Ersatzteilpreisaufschläge . Das Gleiche dürfte dann auch für die Verbringungskosten gelten. Allerdings ist bei dieser Entscheidung des VI. Zivilsenates des BGH zu bedenken, dass der Geschädigte die von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung behauptete Verweisungsmöglichkeit und ihre Zumutbarkeit nicht bestritten hat. Grundsätzlich hat nämlich der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm behauptete gleichwertige Reparaturmöglichkeit derjenigen in der Markenfachwerkstatt entspricht. Wird jedoch seitens des Geschädigten nichts zur Unzumutbarkeit der Verweisung vorgetragen, so gilt der Vortrag des Schädigers als zugestanden. Im Revisionsverfahren ist der BGH dann an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Im Falle, dass die Verweisung auf eine angeblich gleichwertige Reparaturmöglichkeit für den Geschädigten unzumutbar ist, weil er sein Fahrzeug immer in der Markenfachwerkstatt gewartet und repariert hat, so kann der Geschädigte nicht darauf verwiesen werden, dass die Referenzwerkstatt keine UPE-Zuschläge berechnet. Das obige BGH-Urteil gilt daher nur für eine zulässige zumutbare Verweisung auf eine gleichwertige, aber günstigere Reparaturmöglichkeit.