LG Saarbrücken urteilt zur Haftung bei Unfall mit Fahrschulfahrzeug im Kreisverkehr
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RobGal -
21. März 2019 um 15:35 -
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Am 15.9.2017 kam es im Amtsgerichtsbezirk Völklingen an der Saar in einem Kreisverkehr zu einem Unfall. Der Fahrschulwagen, gesteuert durch einen Fahrschüler in Begleitung des Fahrlehrers fuhr in einen Kreisverkehr ein. Hinter dem Fahrschulwagen fuhr der Ehemann der späteren Klägerin mit ihrem Ford Fiesta. Da der Fahrschüler den Kreisverkehr bereits an der ersten Ausfahrt wieder verlassen sollte, betätigte er den rechten Fahrtrichtungsanzeiger. Allerdings bremste er sodann unvermittelt stark ab, so dass der folgende Ford Fiesta aufgefahren wurde. An dem Ford Fiesta entstanden Reparaturkosten von 6.773,17 € netto sowie eine Wertminderung von 650,-- €. Die Haftpflichtversicherung des Fahrschulfahrzeugs hat den Anspruch auf Erstattung des hälftigen Schadens abgelehnt. Der Abbremsvorgang sei erforderlich gewesen, weil ein älterer Herr drohte auf die Straße zu treten. Mit der Klage vor dem Amtsgericht Völklingen begehrt die Klägerin die Erstattung des hälftigen Schadens. Das Amtsgericht Völklingen hat mit Urteil vom 20.6.2018 – 16 C 34/18 (11) - der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die beklagte Haftpflichtversicherung des Fahrschulfahrzeugs legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Die Berufung hatte zum Teil Erfolg.
Zwar ist dem Erstgericht zuzugeben, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden spricht. Durch das Auffahren zeigt der Auffahrende, dass er entweder einen zu geringen Abstand eingehalten hat oder unaufmerksam fuhr. Der gegen den Auffahrende sprechende Anscheinsbeweis kann aber dadurch erschüttert werden, dass ein atypischer Geschehensablauf vom Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird. Im vorliegenden Fall hat der Führer des Fahrschulfahrzeugs ohne zwingenden Grund abgebremst. Jeder Verkehrsteilnehmer, der einem deutlich gekennzeichneten Fahrschulfahrzeug folgt, muss mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen. Denn das grundlose Abbremsen oder das Abwürgen des Motors gehört zu den typischen Anfängerfehlern eines Fahrschülers. Mit Erfolg wendet sich die Berufung allerdings gegen die Annahme gleichwertiger Verursachungsbeiträge im Rahmen der Haftungsverteilung. Soweit das Amtsgericht von einer hälftigen Mitverursachung ausging, würdigt dies die besondere Sorgfaltspflicht des hinter dem Fahrschulfahrzeugs herfahrenden Kraftfahrzeuges nicht ausreichend. Grundsätzlich trifft jeden Verkehrsteilnehmer die Pflicht, ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Nachdem der Fahrschüler eine Person zur Straße herannähern sah, die etwa 4 Meter von der Straße entfernt war, ist es nicht völlig fernliegend, wenn abgebremst wird. Das hätte bei der Wahl des Sicherheitsabstandes einkalkuliert werden müssen. Die Berufungskammer hält daher eine Haftungsverteilung von 70 % zu Lasten der Klägerin und zu 30 % zu Lasten der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung für gerechtfertigt.
Fazit und Praxishinweis: Bei einem mit dem Schild Fahrschule gekennzeichneten Kraftfahrzeug sollte der nachfolgende Kraftfahrer äußerste Sorgfalt walten lassen. Denn es ist anerkannt, dass Fahrschüler typische Fahrfehler begehen, die den Fahrlehrer zu sofortigem Eingreifen und abbremsen zwingen. Darüber hinaus würgen Fahrschüler beim Anfahren schon mal ein Fahrschulfahrzeug ab, so dass es sofort steht. Fahrschüler haben auch noch nicht das Gefühl für das Kraftfahrzeug. Es kommt zu abruptem Abbremsen, weil das fließende Abbremsen noch gelernt werden muss. Mit derartigen typischen Fahrfehlern muss immer gerechnet werden. Deshalb ist, wie das erkennende Landgericht Saarbrücken zutreffend festgestellt hat, ausreichender Sicherheitsabstand notwendig.