Strukturwandel: Pakete und Start-Ups statt Astra und Zafira
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RobGal -
29. November 2019 um 11:33 -
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Anfang der 1960er Jahre, Opel stand in seiner Blüte, wurden in dem neu errichteten Werk in Bochum der erfolgreiche Kadett und wenig später auch Manta und Ascona hergestellt. Das bedeutete für die Beschäftigten und die gesamte Region einen tiefgreifenden Umbruch, denn hier, im Herzen des Ruhrgebiets, war bis dahin Kohle gefördert worden, seit 230 Jahren.
Nun folgt erneut Strukturwandel, nicht minder tiefgreifend. Ende 2014 lief im Bochumer Werk der letzte Opel vom Band, ein Zafira. 3.000 Beschäftigte waren zuletzt noch tätig. Zu Spitzenzeiten gab es hier 22.000 Opelaner. Bereits 2008 mussten die Stadt und die Region einen herben Schlag verkraften, als der finnische Handyhersteller Nokia seine Fertigung einstellte. 2.300 Arbeitsplätze fielen weg. Der Abbau hat Folgen: Bochum hat mittlerweile eine offizielle Arbeitslosenquote von 8,5 Prozent und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In 52 Jahren wurden unter dem Emblem mit dem Blitz 13,7 Millionen Autos produziert. Über die Rechtmäßigkeit der Schließung des Bochumer Standorts streiten ehemalige Betriebsräte noch vor Gericht. Sie hatten Anfang der 2010er Jahre Pläne vorgelegt, wie in Bochum der sanfte Übergang vom Verbrenner- zum Elektroauto hätte bewerkstelligt werden können – aus heutiger Sicht eine kluge Idee. Doch General Motors, die damalige Konzernmutter, hatte einen milliardenschweren Kredit an die seit Jahren defizitär wirtschaftenden Standorte in Europa an die Schließung eines Werkes geknüpft. Da wurde es eng für die Bochumer Opelaner. 20.000 Menschen aus der ganzen Region waren für den Erhalt der Fertigungsstätte auf die Straßen gegangen – doch vergeblich. Wirklich ganz vergeblich? Trotz aller Enttäuschungen machte man sich in Bochum an den Strukturwandel. Das 70 Hektar große ehemalige Werksgelände, auf dem erst vor wenigen Wochen das letzte Opel-Gebäude abgerissen wurde, trägt nun den Projektnamen „Mark 51/7“ nach seiner geographischen Bezeichnung. Verwaltet wird es von „Bochum Perspektive 2022“, einer eigens von der Stadt und von Opel gegründeten Gesellschaft, unterstützt durch Fördermittel vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen.
Die Gesellschaft ist für den Wandel zuständig. Bislang wurden 60 Prozent der verfügbaren Gewerbefläche verkauft, in der Folge entstanden rund 6.000 Arbeitsplätze. So startete jüngst die Deutsche Post/DHL auf dem ehemaligen Opel-Areal ein sechs Kilometer langes Förder- und Sortiernetz für Pakete, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft. Der über 100 Millionen Euro teure Betrieb soll, wenn er nächstes Jahr vollendet ist, in der Stunde bis zu 50.000 Sendungen sortieren, die von elektrischen Lieferfahrzeugen zu ihren Empfängern gebracht werden. Der neue Umschlagplatz wird eines der größten DHL-Paketzentren in der Bundesrepublik sein. Zu Beginn sind hier 300 Menschen beschäftigt, wenn alles ausgebaut ist, sollen es 600 werden. Demnächst kommt ein Onlinehändler mit 350 Stellen hinzu, und in den ehemaligen Verwaltungstrakt von Opel wurde ein „Innovations-Campus“ eingerichtet, in dem die Ruhr-Universität Bochum zum Internet der Dinge, zur Industrie 4.0 und zur Sensorik forscht. Gleichzeitig sollen hier Start-ups moderne Technologien wie 3D-Drucker vorfinden, um ihre Produktideen umzusetzen und zur Marktreife zu entwickeln.
Rückkehr der – gewandelten – Autoindustrie
Auch ein IT-Dienstleister für Raumfahrttechnologie hat sich angesiedelt, und es ist sogar wahrscheinlich, dass auf dem ehemaligen Geländer der Opel-Fabrik demnächst wieder an neuen Autos getüftelt wird: Die Bosch-Tochter Escrypt will hier bis 2022 ihre Unternehmenszentrale errichten, um Software für autonome Fahrsysteme zu entwickeln. 400 Bosch-Beschäftigte sind bereits bei der Arbeit, viermal so viele sollen noch dazukommen. Mehr noch: Vor kurzem erst hat sich Volkswagen eine Fläche für bis zu 1.000 Mitarbeiter auf „Mark 51/7“ reserviert. Die rasch wachsende Konzerntochter VW Infotainment soll hier Platz für die Erforschung und Entwicklung im Bereich der Autovernetzung finden, dafür werden Büroräume und eine Autohalle benötigt. Die endgültige Entscheidung soll noch in diesem Jahr fallen. Fraglich bleibt alles in allem, ob der Strukturwandel gelingt: Ob die verlorenen Opel-Arbeitsplätze nach und nach ersetzt werden und ob sie auf der Höhe der Zeit sind. Bildungs- und Qualifizierungsangebote für die dringend benötigten Fachkräfte sind dafür erforderlich. Schließlich bedeuten Arbeitsplätze auch Kaufkraft, Steuern und Sozialleistungen für das Ruhrgebiet, und sie heben das Selbstvertrauen der Menschen.