Pkw-Maut-Debakel: Mit Scheuer wird`s teuer
-
RobGal -
9. Januar 2020 um 08:03 -
0 Kommentare -
36.859 Mal gelesen
Wir erinnern uns: Die Pkw-Maut war ein Lieblingsprojekt von Horst Seehofer und der bayerischen CSU, die die „Infrastrukturabgabe“ im Bundestagswahlkampf 2013 zu ihrem Thema machten. Von Beginn an wurde die „Ausländer-Maut“ aus Fachkreisen, den Medien und von der Opposition kritisiert. Selbst die Bundeskanzlerin sprach sich gegen die Einführung der „Ausländer-Maut“ aus, in Umfragen ergaben sich regelmäßig Mehrheiten für die Ablehnung. Davon unbeeindruckt wurde das Projekt im Bundesverkehrsministerium, das seit zehn Jahren von CSU-Politikern geleitet wird, mit Nachdruck und Eile vorangebracht.
Daran änderte auch eine Klage Österreichs vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nichts. Noch bevor die Luxemburger Richter im vergangenen Juni die deutsche Pkw-Maut wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für unzulässig erklärt hatten, weil deutsche Autofahrer die Maut über eine Kompensation bei der Kfz-Steuer zurückerhalten sollten, ausländische Autofahrer aber nicht, hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer bereits die Verträge mit den Betreiberfirmen Kapsch Trafficcom und CTS Eventim unterschrieben.
Das fällt dem CSU-Politiker nun auf die Füße. Auf Antrag von FDP, Grünen und Linken hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der nun erstmals tagte. Außerdem werden Forderungen nach Scheuers Rücktritt immer lauter, je mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht kommen.
Scheuer wird vorgeworfen, die Verträge voreilig abgeschlossen und dabei Bestimmungen des Haushalts- und Vergaberecht gebrochen zu haben. Er soll Schadenersatzregeln zum Nachteil der öffentlichen Kassen eingegangen sein und erschwere nun die Aufklärung der Anschuldigungen.
Lange Liste an Vorwürfen
Die Liste der vorgeworfenen Verfehlungen, die teils vom Bundesrechnungshof stammen, ist lang. Scheuer sei vor dem EuGH-Urteil und damit ohne Rechtssicherheit weitreichende Verträge eingegangen, die den im Bundeshaushalt festgelegten Rahmen um eine Milliarde Euro überstiegen hätten. Diesen Mehrbetrag soll Scheuer der Betreiberfirma für die Lkw-Maut, Toll Collect, quasi zugeschoben haben, indem deren Dienstleistungen preislich unter Wert veranschlagt worden seien. Rein zu diesem Zweck habe Scheuer Toll Collect verstaatlicht, so die Kritiker.
Um dieses Konstrukt mit den Betreiberfirmen Kapsch/Eventim zu vereinbaren, soll das Verkehrsministerium die Vertragsbedingungen verändert haben, ohne konkurrierenden Bietern die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben, wie es rechtlich geboten gewesen wäre. Bemängelt wird auch, dass in den Verträgen Schadenersatzregelungen für den Fall eines negativen EuGH-Urteils vorgesehen sind. Pikant an diesem Punkt ist, dass Kapsch/Eventim dem Minister den Vorschlag unterbreitet haben sollen, den Kontrakt erst nach dem Richterspruch abzuschließen, was Andreas Scheuer abgelehnt haben soll.
Bei der Vertragsunterzeichnung sei Eile geboten gewesen, verteidigt sich Scheuer, weil die entsprechenden Haushaltstitel mit Ablauf des Jahres 2018 verfallen wären. Er bestreitet, einen Fehler gemacht zu haben, Rücktrittsforderungen weist er ebenso zurück und beteuert, im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung beitragen zu wollen. Auch dass er leichtfertig staatliche Gelder ausgegeben habe, kann der Minister nicht erkennen. Denn die Schadenersatzansprüche von Kapsch/Eventim, die noch nicht beziffert wurden, von der Opposition aber auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt werden, seien nicht berechtigt. Er habe schließlich, hebt Scheuer hervor, die Mautverträge nicht allein wegen des EuGH-Urteils gekündigt, sondern weil Kapsch/Eventim mangelhafte Leistungen erbracht hätten. Darüber hinaus hätten zum damaligen Zeitpunkt Experten die Ablehnung durch die Luxemburger Richter für nicht wahrscheinlich gehalten, so dass er, Scheuer, hätte handeln müssen. Schließlich hätten Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat vorgelegen. Scheuer baut zudem auf die politische Unterstützung von CSU-Chef Markus Söder und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Es wird allgemein angenommen, dass sich im Untersuchungsausschuss das politische Schicksal von Andreas Scheuer entscheiden wird.