
Seit dem Ende des Luxusautohauses von Helmut Becker fehlte der nordrhein-westfälischen Landesmetropole Düsseldorf ein Hauch automobiler Exklusivität. Den hat sie nun wieder – und das noch mehr als zuvor: Das Autohaus Gottfried Schultz auf der Automeile am Höherweg eröffnete in der neu gestalteten Designwelt seines "Showrooms" mit einer Premiere, wie sie distinguierter nicht hätte sein können: Vorgestellt wurde das exklusivste Auto der Welt, der brandneue Bugatti Chiron, Nachfolger des ohnehin schon sündhaft teuren Veyron.
Das Düsseldorfer Autohaus ist eine von vier Bugatti-Niederlassungen in Deutschland und wohl die beste Adresse der Luxusautowelt. 2014 wurde Schultz als weltweit bester Bugatti-Händler ausgezeichnet. "Düsseldorf ist für uns ein sehr wichtiger Standort", lobt Bugattis Europa-Direktor Guy Caquelin.
Nun verkauft das Autohaus mit dem Bugatti Chiron das weltweit stärkste, schnellste und zugleich teuerste Serienauto, das in einer streng stückzahlbegrenzten Serie von 500 Exemplaren im Bugatti-Werk im elsässischen Molsheim gefertigt wird. Fünf bis sechs Mechaniker schrauben an einem Chiron, alles in Handarbeit. Acht bis zehn Wochen dauert es, bis ein Chiron die Fertigungshalle verlässt und auf seine erste Fahrt gehen kann.
Etwa ein Drittel der Gesamtproduktion ist bereits verkauft, obwohl die Fertigung erst im Sommer startete und die Auslieferung noch gar nicht begonnen hat, sie soll im Herbst losgehen. Wer jetzt einen Chiron bestellt, muss sich bis zur Auslieferung gut zwei Jahre gedulden, denn die Jahresproduktion liegt bei etwa 50 Stück. 250.000 Euro kostet allein die Anzahlung, die man bei Bugatti "Kaufabsichtserklärung" nennt. Doch Geld allein reicht nicht, wenn man dieses heiß begehrte Spielzeug für Milliardäre erwerben will, das offenbar jetzt schon zum Spekulationsobjekt geworden ist. Der Käufer muss sich schon qualifizieren. "Wir kennen unsere Kunden", sagt Guy Caquelin: Sie besitzen in der Regel bereits ein oder gleich mehrere Exemplare des Vorgängermodells Veyron und haben die besten Chancen auf den Neuen.
2,4 Millionen Euro kostet der Bugatti Chiron – plus Mehrwertsteuer. Da ist man schon bei knapp 2,9 Millionen Euro und erreicht mit ein paar Extras schnell die Drei-Millionen-Grenze: Ein Satz Reifen kommt auf 12.000 Euro, die Garantieverlängerung auf 30.000 Euro. Trotzdem soll der neue Luxusrenner ein Schnäppchen sein. Guido Graf von Spee, der bei Schultz für die Edelmarken Bugatti und Bentley zuständig ist, beteuert: "Bisher haben alle Bugatti eine Wertsteigerung erfahren."
Gewaltiger als sein Vorgänger wirkt der Chiron und dennoch eleganter. Mit 4,54 Meter blieb die Länge gleich, aber in der Breite legte der nach einem monegassischen Rennfahrer des letzten Jahrhunderts benannte Supersportwagen mit 2,04 Meter um 40 Millimeter zu. "Alle Designelemente haben eine technische Funktion", unterstrich Guy Caquelin. So betont beispielsweise die markante seitliche "Halbmond-Spange" nicht nur die Bugatti-Linie, sondern ist vor allem auch zur Durchlüftung des Heckmotors da.
Luft holen: Der Tacho geht bis 500 km/h
Der Chiron ist ein Auto der Superlative, das dennoch nur zwei Personen Platz bietet. Von einem W16- Motor mit 1.500 PS wird dieses Sportbiest befeuert – das ist ein Viertel mehr Power als beim Veyron. Acht Liter groß ist der Hubraum, vier Turbolader verrichten ihre Arbeit. Das brachiale Drehmoment von 1.600 Newtonmetern lässt sich nur mit Allradantrieb und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sicher auf die Straße bringen. Gerade einmal einen Atemzug oder weniger als 2,5 Sekunden benötigt der Chiron zum Spurt aus dem Stand auf Tempo 100, nach gut sechs Sekunden sind 200 km/h erreicht, nach 13,6 Sekunden zeigt der Tacho 300 km/h an, und die Beschleunigungsorgie findet erst bei 420 km/h – von der elektronischen Gouvernante abgeregelt – ein Ende. Freilich, er könnte noch schneller, der Tacho geht immerhin bis unglaubliche 500 km/h. Doch das würde die Reifen im Übermaß strapazieren.
Zwar wiegt der Chiron knapp zwei Tonnen, er ist aber dank seiner extrem stabilen Karosserie aus Carbonfasern für diese Leistungsklasse ein Leichtgewicht. Der Normverbrauch ist gegenüber dem Vorgänger sogar gesunken: "Etwas über 20 Liter", heißt es bei Bugatti. Aber was meint hier schon Normverbrauch? Fährt man mit Maximaltempo, so wäre der 100 Liter fassende Kraftstofftank nach bereits acht Minuten völlig leer. Dann liegt der Verbrauch bei 190 Litern auf 100 Kilometer, 4.500 g/km CO2 werden dann verpustet. Damit das Gefährt nicht überhitzt, umströmen bis zu 800 Liter Kühlwasser den Motor, die Ladeluftkühlung setzt minütlich 60.000 Liter Luft um. So viel Power bedarf auch besonders starker und wirksamer Bremsen. Deren Scheiben sind aus Karbon-Keramik und tragen den Bugatti-Schriftzug.
Vom Feinsten ist der Innenraum, komplett ausgeschlagen mit edelstem Leder von österreichischen Hochlandrindern, die sich ihr Fell an keinem Zaun oder Stacheldraht verletzten konnten. Sogar die Farbe der Dreipunktgurte ist der Ausstattung angepasst. Mit dem Reisegepäck müssen sich Fahrer und Begleitung jedoch bescheiden. Das Kofferräumchen am Bug nimmt gerade einmal 44 Liter auf – so viel, wie eine Person als Handgepäck ins Flugzeug mitnehmen darf. Dazu passend bietet Bugatti ein Köfferchen, das exakt in die Mulde passt und die gleiche Farbe wie das Leder im Innenraum hat.
Das Leistungspotential des Chiron stellt außerordentliche Anforderungen an die Reifen. Die sind besonders groß ausgefallen (vorn: 285/30 R 20, hinten: 325/25 R 21) und werden nach fünfjähriger Entwicklungszeit exklusiv von Michelin gefertigt. Aufwändig war es, die richtige Gummimischung zu finden, denn bei den hohen Geschwindigkeiten muss viel Grip auf die Straße. Die Reifenentwickler mussten ein sehr gutes Trockenhandling, beste Haftung bei Nässe und außerordentlichen Komfort garantieren. Bei der Reifenschulter geht es daher um Abriebfestigkeit, Verschleiß und Grip bei Kurvenfahrten, weshalb die Gummimischung dort abriebfester ist als in der Lauffläche.
"Man muss außerdem beachten, dass der Reifen seine Form behält, denn bei solch hohen Geschwindigkeiten beulen sich die Reifen durch die starken Querkräfte nach außen aus, werden spitz und verlieren Grip, wie Michelin gegenüber dem Kraftfahrtberichter erklärte. Das erreicht der französische Reifenbäcker insbesondere durch Aramitfasern in der Karkasse: Werden die Chiron-Reifen bei hohem Tempo heiß, stabilisieren die sehr dichten, extrem zugfesten und besonders leichten Aramitfasern (sie sind fünfmal belastbarer als Stahl) den Pneu und verhindern, dass er sich ausdehnt und an Aufstandsfläche verliert. Werden Aramitfasern heiß, dehnen sie sich nämlich nicht wie etwa Metall aus, sondern ziehen sich zusammen und sorgen damit für Stabilität und "eine konstante Kontaktfläche", so Michelin.
Auch ein millionenteures Automobil ist vor einer Panne nicht gefeit. Dafür gibt es auf jedem Kontinent "fliegende Ärzte", die dem Havaristen zu Hilfe eilen. Bugatti gibt dem Chiron zwar eine vierjährige Garantie ohne Kilometerbegrenzung mit auf den Weg. Aber einmal im Jahr muss auch solch ein edles Gefährt zur Inspektion, die ist jedoch im Kaufpreis inbegriffen.