Wuppertal, 19. Mai 2016 (DVR) – Der Förderpreis "Sicherheit im Straßenverkehr" des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) für junge Wissenschaftler wurde heute im Rahmen des Kongresses des Fachverbandes Psychologie für Arbeitssicherheit und Gesundheit (PASiG) in Wuppertal vergeben. Die Auszeichnung umfasst drei Preisträger und ist mit insgesamt 7.500 Euro dotiert.
Den ersten Preis erhielt Moritz Becker vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität Mannheim. "Wenn die Smartphone-Nutzung zur Gefahr wird. Wie beeinflussen Persönlichkeitsmerkmale situative und soziodemografische Faktoren die Smartphone-Nutzung im Straßenverkehr?" lautete der Titel seiner Masterarbeit. Er widmete sich damit nicht nur einem aktuellen Thema, sondern auch einem großen und zunehmenden Problem.
Einige Studien führen ein Viertel der Verkehrsunfälle auf die Smartphone-Nutzung von Verkehrsteilnehmern zurück. Die Arbeit versucht daher, die Nutzung von Smartphones anhand ausgewählter Persönlichkeitsmerkmale der Nutzer sowie situativer und soziodemografischer Faktoren zu erklären und damit Hinweise für zukünftige Verkehrssicherheitskampagnen zu geben.
Dazu wurden über eine Online-Befragung von 417 Verkehrsteilnehmern im Alter von 18 bis 70 Jahren zahlreiche Parameter erhoben und analysiert. Unterschieden wurde zwischen einer Verkehrsteilnahme zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem Pkw. Erhoben wurden Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstkontrolle, Angst, etwas zu verpassen, Angst vor einem Verkehrsunfall und situative Faktoren wie Automatisierung im Sinne einer gewohnheitsmäßigen Nutzung und situative Langeweile. Soziodemografische Faktoren wie Alter, Geschlecht und Beschäftigung sowie die Fortbewegungsintensität und die generelle Smartphone-Nutzung rundeten das Forschungsprofil ab.
"Es zeigte sich, dass die Persönlichkeitsmerkmale Selbstkontrolle, Angst, etwas zu verpassen und Angst vor einem Verkehrsunfall sowie die situativen Faktoren Automatisierung und Langeweile sowie Alter, Geschlecht und Beschäftigung die Smartphone-Nutzung im Straßenverkehr beeinflussen. Es gibt zwar starke Unterschiede zwischen den Fortbewegungsarten, Selbstkontrolle und situative Langeweile wirkten aber bei allen drei Fortbewegungsarten", erläuterte der Nachwuchswissenschaftler. Eine Nutzung erfolgte, obgleich die Befragten diese im Straßenverkehr als gefährlich einschätzten. Der Autor erklärt diesen Widerspruch mit einer bewusst nicht kontrollierbaren Handlung sowie über die Annahme eines automatisierten unbewussten Verhaltens. "Diese Annahmen könnten Basis zukünftiger Sicherheitskampagnen zu diesem Thema werden. So könnte dort die Kontrolle über ungewollte Handlungen und ein Bewusstsein für automatisierte Verhaltensweisen angesprochen werden. Durch Furchtappelle lässt sich etwa das Gefahrenbewusstsein erhöhen", bilanzierte Becker.
Sichtbarkeit von Fußgängern
Über den zweiten Platz freute sich Ria Stangneth, die sich in ihrer Masterarbeit im Fachbereich Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit der Gefahrenwahrnehmung im Straßenverkehr bei Nacht beschäftigt hat. Sie hat die Erkennbarkeit von Fußgängern mit reflektierenden Kleidungsdesigns untersucht.
Viele Fußgänger werden gerade auf Landstraßen, bei schlechter Sicht und dunkler Kleidung, ob als Jogger, bei Gängen mit dem Hund oder auf dem Heimweg, Opfer von Verkehrsunfällen, weil sie übersehen wurden. Daher tüfteln die Hersteller von Schutzkleidung an neuen Konzepten, um Freizeitkleidung besser sichtbar zu machen, ohne diesen einen Warnwestencharakter zu verleihen.
Die junge Wissenschaftlerin hat sehr aufwändiges Filmmaterial produziert und dabei die Wahrnehmung, Reflektion und Darbietung der Kleidung berücksichtigt. Die Filme wurden dann evaluiert. "In einem Reaktionsexperiment wurden 70 Probanden Videos mit simulierten Fahrten in der Stadt und auf einer Landstraße gezeigt, mit und ohne Ablenkung. Während der Fahrten waren Fußgänger mit Kleidung zu sehen, auf der retroreflektierendes Material in unterschiedlichen Formen angeordnet war. Auf diese Fußgänger mussten die Fahrer mittels Tritt auf ein Fußpedal reagieren. Die Reaktionszeit wurde aufgezeichnet. Weiterhin wurden die demografischen Daten der Fahrer, ihre Fahrerfahrung, ihre Konzentration, Müdigkeit und Befindlichkeit sowie ihre Risikobereitschaft mittels Befragungen erhoben und ein Sehtest mit den Probanden durchgeführt", erläuterte Stangneth.
Es zeigte sich, dass die Anordnung des retroreflektierenden Materials einen Einfluss auf die Entdeckungsleistung aufweist. So führt eine große Fläche retroreflektierenden Materials nicht automatisch zu einer besseren Sichtbarkeit. Deutlich wichtiger ist die Betonung der menschlichen Körperform. Diese kann auch mit vergleichsweise wenig Material erreicht werden, indem dieses in einer Kombination aus schmalen und breiten Streifen angeordnet wird. Bewegte Fußgänger wurden zudem besser wahrgenommen als stehende.
Risikofaktoren für Fahrrad- und Pedelecfahrer
Die dritte Preisträgerin, Sarah Heilmann von der Technischen Universität Chemnitz, hat mit ihrer Masterarbeit im Fachbereich Allgemeine und Arbeitspsychologie eine "Naturalistic Cycling Study" vorgelegt. Welche Risikofaktoren beeinflussen die Sicherheit von Pedelec- und Fahrradfahrern im Alltag? lautete die zentrale Fragestellung.
Ziel der Arbeit war es, Risikofaktoren für das Erleben sicherheitskritischer Ereignisse wie einen plötzlichen Kontrollverlust bei Fahrrad- und Pedelec-Fahrern zu erheben. Dazu wurde zunächst das Fahrverhalten von 90 Probanden in realen Fahrsituationen mit Hilfe von zwei Kameras erfasst. Dabei wurden im vierwöchigen Untersuchungszeitraum von 68 Fahrern (23 Rad-, 39 Pedelec 25- und sechs Pedelec-45-Fahrer) insgesamt 202 kritische Situationen aufgezeichnet. Diese wurden mit 202 unkritischen Situationen, ebenfalls aus den aufgezeichneten Fahrten, verglichen. "Es zeigte sich, dass bestimmte Faktoren das Auftreten kritischer Situationen erhöht – jeweils abhängig vom gewählten Fahrzeug. Ein erhöhtes Risiko bestand insbesondere auf Geh- und Radwegen, an bestimmten Arten von Kreuzungen und beim Vorhandensein anderer Verkehrsteilnehmer", fasst die Wissenschaftlerin zentrale Ergebnisse zusammen. Diese beeinflussten das Unfallrisiko auf vielfältige Weise – etwa durch Abbiegevorgänge, Park-/Wende-/Haltemanöver und Vorfahrtsmissachtungen. Auch bestimmte Verhaltensweisen der Fahrer beeinflussten das Unfallrisiko. Die Art des Fahrzeugs spielte ebenfalls eine Rolle: Für Pedelec-25-Fahrer bestand ein höheres Risiko auf Radwegen und an Kreuzungen, für Pedelec-45-Fahrer auf regelwidrig befahrenen Fußgänger- und Radwegen.
In ihrer Abschlussarbeit macht die Autorin Vorschläge, die Verkehrssicherheit der Pedelec-Fahrer weiter zu verbessern. Dazu zählen die verstärkte Überwachung von Bürgersteigen, auf denen Radfahrer unterwegs sind, eine Verbesserung der Radwege, der Bau von Schnell-Radwegen (auch für Pedelecs 45) und eine spezielle Führung von Radwegen vor Kreuzungen.
Die Jury für den Förderpreis "Sicherheit im Straßenverkehr" setzte sich aus Professor Dr. Rüdiger Trimpop von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Torsten Kunz, Präventionsleiter der Unfallkasse Hessen, und Jochen Lau, Referatsleiter Unfallprävention – Wege und Dienstwege beim DVR, zusammen. Die Experten zeigten sich beeindruckt von den Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses und sehen in den prämierten Arbeiten "großes Potenzial, die Verkehrssicherheit zu erhöhen".