Sträflich vernachlässigte Fiat zuletzt das wichtige Segment der Kompaktwagen. Seit Einstellung der Bravo-/Brava-Familie klaffte im Modellangebot der italienischen Marke eine Lücke, also seit fast zwei Jahren. Die Wiederbelebung der Typenbezeichnung Tipo, die bereits von 1988 bis 1995 an den kompakten Fahrzeugen der italienischen Marke angebracht war, steht für die Rückkehr von Fiat in die größte Fahrzeugklasse auf dem deutschen Automarkt.
In den Schauräumen der Händler steht bereits der viertürige Tipo. Weil in Deutschland kompakte Stufenhecklimousinen aber eher eine Randerscheinung darstellen, prognostiziert der Hersteller für diese 4,53 Meter lange Karosserievariante, deren Preise bei 13.990 Euro beginnen, einen Anteil von lediglich zehn Prozent. Deutlich größere Erwartungen knüpft Fiat an den 16 Zentimeter kürzeren Fünftürer, der am 11. Juni zu Tarifen ab 14.990 Euro startet. Von ihm erwartet der italienische Importeur einen Anteil von 60 Prozent. 30 Prozent der Käufergunst soll der Kombi auf sich vereinigen, der im September die Tipo-Baureihe komplettieren und mit 4,57 Metern der stattlichste Vertreter des Trios sein wird. Nach Angaben eines Fiat-Sprechers dürften die Preise für den Kombi "zwischen 1.000 und maximal 1.500 Euro über dem Fünftürer" rangieren.
Alle Tipo-Versionen, die im türkischen Bursa gebaut werden, folgen der Philosophie, auf überflüssigen Schnickschnack zu verzichten, der ein Auto nur unnötig teuer macht. Daher standen im Lastenheft der Fiat-Ingenieure "Funktionalität, Einfachheit und Personalität", wie der Markenchef von Fiat in Europa, Luca Napolitano, bei der Fahrvorstellung betonte. Sein Credo: sich auf das Wesentliche konzentrieren. Oder: "Es braucht nicht viel, um mehr zu bekommen."
Spartanisch ausgefallen ist der neue Tipo dabei keineswegs. Die verwendeten Materialien machen einen recht ordentlichen Eindruck, allerdings waren bei den von uns erstmals gefahrenen Modellen die Ausdünstungen der Kunststoffe im Innenraum noch deutlich zu riechen. Griffsicher gestaltet und platziert sind die Bedienelemente. Ein umständliches Herumfingern auf berührungssensiblen Flächen, was vom Verkehrsgeschehen ablenken und auch mal brenzlige Situationen heraufbeschwören kann, ist nicht notwendig. Die klar gezeichneten Instrumente erweisen sich als ablesefreundlich.
Die Platzverhältnisse im Fond bewegen sich im Vergleich zu den Wettbewerbern im oberen Bereich. Die Mitfahrer können sich über besonders großzügige Beinfreiheit freuen. Das Kofferraumvolumen (Viertürer: 520 Liter, Fünftürer: 440 Liter, Kombi: 550 Liter) lässt sich durch Umklappen der Rücksitze je nach Bedarf erweitern. So entsteht beispielsweise im Kombi eine 1,80 Meter lange, pottebene Ladefläche. Diverse Ablagen im Innenraum addieren sich zu einem Gesamtvolumen von zwölf Litern.
Weil der Stil eines Fahrzeugs nach Auffassung von Luca Napolitano zu den drei wichtigsten Verkaufsargumenten zählt, haben die Designer in enger Zusammenarbeit mit dem "Centro Stile", dem ebenso berühmten wie erfolgreichen Designzentrum der Fiat-Chrysler-Gruppe in Turin, auf das Aussehen des Tipo besonderen Wert gelegt. Sichtbar werden diese Bemühungen an der markanten Frontpartie, den muskulösen Radkästen und den Heckleuchten in der Form von Hockeyschlägern. Das Dach des Tipo ist im Mittelteil niedriger, um die Aerodynamik zu verbessern, während die höheren Bereiche an den Seiten für mehr Platz im Innenraum sorgen.
Drei Benziner und zwei Diesel bilden die Motorenpalette des neuen Tipo. Ein Saugbenziner als 1,4 16V mit 95 PS steht für Stufenheck und Fünftürer zur Verfügung, ein 120 PS starker Turbomotor als 1,4 T-Jet für Fünftürer und Kombi. Ein 1,6 E-Torq mit 110 PS und Automatikgetriebe wird voraussichtlich dem Stufenheckler vorbehalten bleiben. Laut Norm verlangen die Ottomotoren zwischen 5,7 und 6,3 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer, dabei blasen sie pro Kilometer zwischen 132 bis 146 Gramm Kohlendioxid in die Luft.
Etwas schwach auf der Brust fühlte sich bei unseren ersten Testfahrten der 1,3 Multijet mit 95 PS im Fünftürer an, der dafür mit einem Normverbrauch von nur 3,7 Liter Diesel (99 g/km CO2) glänzt und mit einem A+ bei der Energieeffizienz belohnt wird. Der Motor steht auch für den Stufenheck-Tipo zur Verfügung, dann braucht er 4,1 Liter Diesel (108 g/km CO2). Dagegen hinterließ der 120 PS starke 1,6 Multijet im Kombi einen kraftvollen und dynamischen Eindruck, er ist auch für die beiden anderen Versionen geplant und ebenfalls ein Sparmeister: Er verbraucht je nach Karosserieart zwischen 3,7 und 4,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer und verpustet dabei 98 bis 110 g/km CO2.
Den Federungskomfort haben die Tipo-Ingenieure nicht gerade auf übermäßigen Sänftenmodus getrimmt. Dagegen fühlt sich der Italo-Türke auf kurvenreichen Strecken nicht zuletzt dank seiner direkten Lenkung ausgesprochen wohl.