LG Aachen entscheidet zu Reparaturkosten, Gutachterkosten und Nutzungsausfallentschädigung
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RFWW -
18. Juli 2016 um 09:54 -
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Der Geschädigte holte ein Schadensgutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen S. ein. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die voraussichtlichen Reparaturkosten ca. 6.849,49 € brutto betragen. Den Wiederbeschaffungswert gab er unter Berücksichtigung des Restwertes von 1.200,-- € mit 6.900,-- € an. Der Geschädigte ließ das Unfallfahrzeug ab dem 20.10.2015 zu einem Gesamtbetrag von 6.051,03 € brutto reparieren.
Für das Gutachten berechnete der Sachverständige S. einen Betrag von 836,27 €. Der Geschädigte beglich diese Rechnung. Er beansprucht von der KRAVAG die Erstattung dieses Betrages. Weiter beansprucht er für die Zeit der Reparatur vom 20. Bis 31.10.2015 für 12 Tage eineNutzungsausfallentschädigung je Tag von 43,-- €. Wegen Lieferschwierigkeiten eines Seitenteils hat sich die Reparatur verzögert. Da die beklagte Versicherung nicht zahlte, erhob der Geschädigte bei dem örtlich zuständigen Landgericht Aachen Klage. Die Klage hatte Erfolg.
Der Kläger hat insgesamt einen Zahlungsanspruch in Höhe von 7.428,30 €. Dieser setzt sich aus den Reparaturkosten, den Sachverständigenkosten und der allgemeinen Unkostenpauschale sowie der Nutzungsausfallentschädigung zusammen.
a.) Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten in Höhe von 6.51,03 € aus den §§ 7 I StVG, 115 VVG. Das Fahrzeug des Klägers ist beim Betrieb des bei der Beklagten versicherten Kraftomnibusses beschädigt worden. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung schuldet daher Schadensersatz in Geld, wobei sich der Umfang der Schadensersatzpflicht sich nach §§249 ff. BGB richtet. Grundsätzlich hat der Geschädigte die Wahl, ob er bei der Beschädigung eines Fahrzeugs eine Ersatzbeschaffung oder eine Reparatur vornimmt. Eine Einschränkung erfährt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofesjedoch dadurch, dass ein sachgerechter Ausgleich zwischen dem Integritäts- oder Affektionsinteresse des – eine Reparatur bevorzugenden – Geschädigten einerseits und dem Schutz des Schädigers vor den Folgen wirtschaftlich unvernünftiger Entscheidungen des Geschädigten andererseits herzustellen ist. Uneingeschränkt kann der Geschädigte den Ersatz der Reparaturkosten dann verlangen, wenn der Reparaturaufwand geringer ist als der Wiederbeschaffungsaufwand. Bei einem Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert sind die Bruttoreparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu ersetzen, wenn die Reparatur tatsächlich durchgeführt wird, ohne dass es entscheidend auf die Qualität der Reparatur ankommt (BGH ZfS 2009, 439). Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger im vorliegenden Fall den Ersatz der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer beanspruchen.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen S. lagen die zu erwartenden Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungswert, aber über dem Wiederbeschaffungsaufwand. Maßgeblich für die Gegenüberstellung der Kosten der Reparatur einerseits und der Wiederbeschaffung andererseits ist die Sachlage, wie sie sich aus der Sicht des Geschädigten bei seiner Entscheidung über die Art der Schadensbeseitigung darstellt (Palandt-Grüneberg § 249 Rn. 25). Das Prognoserisiko geht dabei zu Lasten des Schädigers, wenn nicht dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt (BGH Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90 – Rn. 15 m.w.N.). Ein derartiges Verschulden des Klägers ist nicht ersichtlich. Er konnte sich auf die Angaben im Gutachten des Sachverständigen S. verlassen. Es kann dem Geschädigten auch nicht angelastet werden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass sich durch Entstehen höherer Kosten bei der Reparatur der Wiederherstellungsaufwand als unwirtschaftlich herausstellt (vgl. OLG Schleswig Urt. v. 8.1.2015 – 7 U 5/14 -). Der Kläger durfte such mithin auf die Einschätzung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen verlassen.
b.) Dem Kläger steht des Weiteren ein Anspruch auf Erstattung der vollen Sachverständigenkosten in Höhe von 836,27 € aus den §§ 7 I StVG, 115 VVG zu, weil es sich um Kosten der Schadensfeststellung handelt, deren Eingehung der Kläger für erforderlich erachten durfte und die nach dem Schutzzweck der verletzten Norm erstattungsfähig sind.
c.) Daneben steht dem Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 516,-- € zu. Die Kammer geht mit dem Kläger von einer Reparaturzeit von 12 Tagen aus. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige S eine voraussichtliche Reparaturdauer von ca. 6 Arbeitstagen angenommen hat. Maßgeblich ist die tatsächliche Zeit, in der der Geschädigte auf sein Gefährt verzichten musste. Die Reparaturzeit und damit die Zeit des Verzichtes sind durch die Rechnung der Reparaturfirma nachgewiesen. Die Kammer schätzt auf der Grundlage der Tabelle Sanden-Danner-Küppersbusch den Tagessatz mit 43,-- €, wie es auch der Kläger getan hat. Eine Abstufung aufgrund des Alters des Fahrzeugs ist nicht veranlasst.
d.) Dem Kläger steht weiterhin auch eine allgemeine Unkostenpauschale von 25,-- € zu. Diesen Betrag schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO. Eine inflationsbedingte Erhöhung kommt nicht in Betracht.
Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat die Zivilkammer des LG Aachen das Werkstatt- und Prognoserisiko dem Schädiger angelastet. Denn sowohl die Werkstatt als auch der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige sind mach wohl herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur Erfüllungsgehilfen des Schädigers (vgl. BGHZ 62, 282 ff; OLG Naumburg DS 2006, 283; Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff. m.w.N.). Fehler des Erfüllungsgehilfen gehen grundsätzlich daher gemäß § 278 BGB zu Lasten des Schädigers.