Zwischen günstig und billig liegen Welten!
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Roberto Galifi -
25. Dezember 2010 um 22:54 -
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"Was nichts kostet, taugt nichts!" kommentiert der Volksmund das Preis-Leistungsverhältnis mit wenigen Worten. In vielen Bereichen ist diese Weisheit längst überholt und gerade Discounter zeigen, dass auch günstige Produkte durchaus qualitativ hochwertig sein können. Bei Autoreifen hingegen scheint sich die allgemeine Lebensweisheit jedoch hartnäckig zu halten, was Tests deutlich bewiesen haben.
Autofahren wird immer teurer: Neben dem Wertverlust sind es vor allem Kosten für Kraftstoff, Steuer- und Versicherung, die den Autofahrer schröpfen. Die allgemein als hoch eingeschätzten Aufwendungen für Wartung, Reparatur und Ersatzteile bewegen sich indes auf niedrigem Niveau. Was bleibt dem Autofahrer anderes als zu sparen, häufig jedoch an der falschen Stelle, nämlich bei Pflege und Instandhaltung. Dass es deutlich günstiger ist, den Fahrstil zu ändern und so Kraftstoff oder durch die Wahl eines günstigen Versicherers bare Münze zu sparen, gerät sehr gerne in Vergessenheit. So treibt der Sparwahn die schönsten Blüten, leider auch die gefährlichsten. Nicht zuletzt bei Reifen treten Autofahrer immer häufiger auf die Kostenbremse. So hat sich beispielsweise die Nutzungsdauer der Pneus deutlich erhöht, wie der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) festgestellt hat. Demnach schöpfen Autofahrer das Leistungspotential der Reifen bis kurz vor die gesetzliche Mindestprofiltiefe aus, die Nutzungsdauer ist um 14 Prozent gestiegen. Überalterte Reifen mit Vorschäden sind zwischenzeitlich deutlich häufiger anzutreffen als noch vor ein paar Jahren. Auch schenken viele Autofahrer den Reifen immer weniger Aufmerksamkeit, denn es ist festzustellen, dass Fahren mit zu geringem Reifeninnendruck keine Seltenheit mehr ist.
Reifenexperten, Automobilclubs, Fachzeitschriften und Prüforganisationen stellen gleichzeitig fest, dass immer mehr Fahrzeugbesitzer beim Reifenersatz auf asiatische Billigprodukte zurückgreifen. Zumeist stammen die Pneus, die häufig nur eine schlechte Kopie europäischer Fabrikatsprodukte sind, aus China und werden zunehmend über das Internet vertrieben.
Gerade im Nassbrems-Test haben laut ADAC und zahlreichen Fachzeitschriften asiatische Billigreifen das Nachsehen: Während das mit europäischen Pneus bestückte Referenzfahrzeug bereits steht, hat das asiatisch-bereifte Auto noch reichlich Schwung drauf.
Nach wie vor im Programm
Wer sich auf die Suche nach Reifen begibt, wird im Internet mit Sicherheit fündig. Unzählige Online-Shops bieten ihre Ware feil, darunter auch Handelssysteme von Herstellern, Reifenfachbetriebe, freie Händler, Autohäuser und freie Werkstätten. Insbesondere freie Händler führen trotz aller schlechten Kritiken und Testreihen chinesische Billigreifen im Programm. Der Versuch, ein Statement der Anbieter zu diesem Thema zu erhalten, ist gescheitert. Nur ein Reifenhändler hat sich mit uns über das Thema unterhalten - unter der Voraussetzung, weder Namen noch Standort zu nennen, dürfen wir seine Einstellung zu den asiatischen Billigherstellern veröffentlichen:
Probleme mit den bekannten asiatischen, meist chinesischen Billigreifen haben wir noch nie gehabt. Hätte es Kundenbeschwerden gegeben oder wäre es durch die Reifen zu Unfällen gekommen, hätten wir das Produkt sofort aus unserem Portfolio genommen. Wir verkaufen die Reifen tatsächlich mit gutem Gewissen, zumal uns auch aus dem Umfeld der Reifenhändler noch keine Probleme gewahr wurden. Wenn es Rückläufer bislang gab, waren diese auf Anwenderfehler zurück zu führen und die sind Reifenhersteller unabhängig.
Viele Testreihen sind für uns weder nachvollziehbar noch sinnvoll - insbesondere die Prüfungen auf der Rolle. Selbstverständlich kommt es immer wieder zu Problemen, aber auch bei europäischen Herstellern läuft nicht alles rund. Im Gegenteil: 2010 verspüren wir im so genannten Premiumbereich ein erhöhtes Rückläuferaufkommen. Auch die Qualität europäischer Hersteller lässt zu wünschen über. Wir müssen hier zum Teil mit bis zu 200 Gramm Nachwuchten - bei Neureifen wohlgemerkt. Im Reifenmarkt ist es derzeit so, dass es für viele Hersteller einfach ist, die Probleme anderer an die große Glocke zu hängen, als selbst neue und bessere Produkte auf den Markt zu bringen.
Überdies glaube ich, dass europäische Reifenhersteller Angst vor chinesischen Produkten haben. Denn: Auch wenn es zunächst Probleme mit den Reifen geben sollte, so arbeiten die betroffenen Unternehmen derart hart und schnell an der Beseitigung, dass schon bald europäischer Standard erreicht sein wird und somit den renommierten Unternehmen zahlreiche Kunden weglaufen werden. Europäische Reifenproduzenten haben das Asien-Geschäft nicht mehr unter Kontrolle und massive sowie berechtigte Ängste um ihre Marktanteile. Bester Beweis ist der Versuch eines europäischen Herstellers, einen chinesischen Hersteller aufzukaufen, was letztendlich an mangelnder Finanzkraft gescheitert ist.
Auch das schnelle Wachstum und die steigende Beliebtheit des E-Commerce passen weder den konventionellen Herstellern noch den Händlern. Wir spüren jedoch einen stark steigenden Trend dieser Vertriebsschiene, ebenso wie die rasant ansteigende Nachfrage nach asiatischen Billigreifen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir weder Probleme mit den Reifen haben und immer mehr Kunden danach verlangen – für mich nicht weiter verwunderlich, denn die Kaufkraft sinkt und die Preise für asiatische Reifen sind unschlagbar günstig. Ich bin überzeugt, dass sich die Produkte durchsetzen, ihren festen Platz im Markt einnehmen und den europäischen Herstellern viele Kunden wegnehmen werden.
Ungleiche Zwillinge konnte der ADAC im Sommerreifentest 2010 ausmachen. Bis auf einige, unterschiedliche Profilschnitte gibt es zwischen dem asiatischen Billigreifen der Marke Sunny und dem bekannten und bewährten "Dunlop SP 9000" wenigstens optisch kaum Unterschiede auszumachen.
Urteil eindeutig und vernichtend
Fachzeitschriften und der ADAC führten unlängst Testreihen mit billigen "Chinesen" durch. Unabhängig voneinander gelangten sie zum gleichen Tenor: Viele der getesteten Billigreifen sind gefährlich. Im Winterreifentest 2008 urteilte der ADAC "Billig haftet nicht", in seinem Sommerreifentest 2009 hieß es "Billige Reifen taugen nicht zum Sparen". Die Stiftung Warentest bewertete vier No-Name-Reifen mit der Note "mangelhaft", Auto motor und sport stellte fest, dass die Pneus "keine Sicherheitsreserven" haben. Weitere Zeitschriften wie Autobild Allrad, Gute Fahrt und ADAC Motorwelt kamen schon 2007 zu dem Urteil; "Schwäche beim Nassbremsen, Schwäche bei Nässe und Schnee, Schwäche bei Nässe". Trotz schlechter Testergebnisse wären noch immer knapp 20 Prozent der Autofahrer bereit, Billigreifen montieren zu lassen, um Geld zu sparen.
Damit setzen Fahrzeugbesitzer sich und andere Verkehrsteilnehmer einem ungeheuren Risiko aus. Beispiel: Bremsung mit Winterreifen. Während beim Nassbremsvergleich die Premiumreifen aus 80 km/h das Auto nach 39 Metern zum Stehen bringen, benötigt der asiatische Billigreifen einen Bremsweg von 52 Meter. Die Billigreifen sorgen für eine mittlere Verzögerung von 4,4 m/s², die Premiumreifen für 5,8 m/². Wenn der premiumbereifte Wagen bereits steht, ist der andere noch immer mit rund 30 km/h unterwegs. Noch dramatischer ein Test mit der Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h, der bereits vor einiger Zeit durch die "Auto Zeitung" durchgeführt wurde. Bei Trockenheit kam das deutsche Premiumprodukt bereits nach knapp 38 Metern zum Stehen, während der chinesisch bereifte Wagen etwas mehr als 44 Meter bis zum Stillstand benötigte. Bei gleicher Ausgangsgeschwindigkeit und nasser Fahrbahn benötigen die deutschen Pneus knapp über 65 Meter bis zum Stillstand – 91 Meter sind es beim Asiaten. Mit über 50 km/h rasen die Chinesen am stehenden Europäer vorbei.
Höhere Vermeidbarkeit mit besseren Reifen
Ein Reifentest erfolgt nicht nur auf der Strecke, sondern auch auf der Rolle. Hier müssen die Probanten definierte Geschwindigkeiten über exakt bestimmt Zeit aushalten. Dieser Hochgeschwindigkeitstest erfolgt nach allgemein gültiger Norm, der ECE R30. Ein Reifen der Größe 235/40 ZR95 XL, der gemäß "ZR"-Kennzeichnung für Geschwindigkeiten jenseits von 240km/h gebaut wird, muss zehn Minuten bei Höchstgeschwindigkeit und zehn Minuten bei 250 km/h aushalten. Während der Billigreifen die erste Hürde schaffte, kam bei der zweiten der große Knall bereits nach weniger als zwei Minuten.
Als wiegen die Testergebnisse nicht schon schwer genug, stellten Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden unlängst fest, dass zahlreiche Unfälle hätten vermieden werden können, wenn ordentliche Reifen im Spiel gewesen wären. Ein Ergebnis der Studie besagt, dass die Reifenqualität sowohl die Kollisionsgeschwindigkeit als auch räumliches und zeitliches Zusammentreffen der Unfallgegner beeinflusst. In 30 Prozent der von beiden Fakultäten untersuchten Unfälle wäre die Kollisionsgeschwindigkeit mit besseren Reifen deutlich geringer, das Unfallausmaß damit erheblich schwächer ausgefallen. Etwa fünf Prozent der Unfälle wären mit "gescheiten" Pneus ganz und gar vermeidbar gewesen. Bei einem Drittel aller Pkw-Unfälle mit Schwerverletzten oder Getöteten hätte die Unfallschwere mit besseren Reifen deutlich verringert werden können.
Das Fazit der Studie ist ebenso ernüchternd wie erschreckend, mit besseren Reifen wären:
- 9,9 Prozent aller Pkw-Fußgänger-Unfälle und 8,1 Prozent aller Pkw-Fußgänger-Unfälle mit Schwerverletzten/Getöteten vermeidbar
- 3,0 Prozent aller Pkw-Pkw-Unfälle und 6,6 Prozent aller Pkw-Pkw-Unfälle mit Schwerverletzten/Getöteten vermeidbar.