Die Entwicklung und Einführung des autonomen Fahrens, also die hochkomplexe Steuerung eines Fahrzeuges durch Computer, ist mit großen Erwartungen und Versprechungen verknüpft. Nahezu alle Automobilhersteller und Technologieproduzenten wie Google arbeiten mit Hochdruck an entsprechenden Systemen, um sie möglichst schnell auf den Markt zu bringen.
Der Autoverkehr soll dadurch sicherer, verbrauchsärmer und mit Blick auf die verstopften Straßen auch zügiger werden.
Doch nun haben die Bestrebungen einen Rückschlag erhalten: Wie erst jetzt der Öffentlichkeit bekannt wurde, ereignete sich Anfang Mai in den USA der erste tödliche Unfall. Ein Tesla S mit "Autopilot" geriet seitlich unter den Auflieger eines kreuzenden Lastwagens. Weder der Tesla-Fahrer noch das Selbststeuerungssystem hatten die Oberklasselimousine gebremst. Nach Angaben von Tesla hatte der "Autopilot" den weißen Anhänger in der prallen Sonne für ein hochhängendes Verkehrsschild gehalten und deshalb keine Bremsung ausgelöst. Die Schwere der Kollision wurde dadurch noch erhöht, dass der Lkw nicht, wie hierzulande vorgeschrieben, mit einem Unterfahrschutz ausgestattet war.
Die Meldung dieses tragischen Vorfalls erfolgte sehr spät. Tesla unterrichtete die US-amerikanische Behörde für Straßenverkehrssicherheit NHTSA zwar unverzüglich, die Öffentlichkeit wurde aber erst informiert, als die Behörde ihre Ermittlungen begann. Die NHTSA nimmt nun alle 25.000 Tesla-S-Modelle des Jahres 2015, die mit der "Autopilot"-Funktion bestückt sind, unter die Lupe.
Nur kurze Zeit nach dem tödlichen Unfall musste Tesla einen weiteren, wenn auch weniger schweren Crash zugeben. Ein Tesla X kam Anfang Juli in den USA von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Der Fahrer der Oberklasselimousine behauptet, der "Autopilot" sei aktiviert gewesen. Tesla bezweifelt das, hat aber nicht alle Informationen vorliegen.
Tesla muss sich nun rechtfertigen und sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, seinen Kunden zu viel zu versprechen. Anders als die Bezeichnung "Autopilot" suggeriert, handelt es sich nicht um ein vollautomatisches System, bei dem sich der Fahrer während der Fahrt anderen Dingen widmen kann. Auf einer Skala von fünf möglichen Stufen des automatisierten Fahrens, vom Einsatz eines Assistenzsystems bis zum fahrerlosen Auto, befindet sich Teslas "Autopilot" nur auf der teilautomatisierten Stufe zwei, die den Fahrer verpflichtet, den Verkehr dauerhaft zu verfolgen und die Hände am Steuer zu haben.
Was ist das für eine Haltung?
Tesla lässt bislang offen, bei wem die Verantwortung für den tödlichen Unfall liegt. Die Unternehmensleitung zeigte sich zwar betroffen von dem "tragischen Verlust" und gibt zu, dass die "Autopilot"-Funktion "nicht perfekt" funktioniert habe. Gleichzeitig betont der noch junge Hersteller von Elektrofahrzeugen im Besitz des Unternehmers Elon Musk, dass der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug hätte behalten müssen. Hier kommt eine Unentschiedenheit in der Haltung der Tesla-Verantwortlichen zum Ausdruck, die dahin gewandelt werden sollte, die eigene Verantwortung ernster zu nehmen und entsprechende Konsequenzen folgen zu lassen.
Die bundesdeutsche Autoindustrie ist auf dem Feld des autonom fahrenden technischen Systems merklich vorsichtiger. Beispielsweise geht BMW davon aus, dass die ersten selbstfahrenden Fahrzeuge frühestens im Jahr 2021 auf den Markt zu bringen sind. Noch zu viele Zusammenhänge, Fragen, Probleme und Aufgaben des komplexen Straßenverkehrs sind noch zu bedenken, nicht zuletzt ethisch. Ferner müssen technische Lösungen in Ruhe entwickelt und auf ihre Zuverlässigkeit in der Praxis erprobt werden. Ein Beispiel: Wenn das System einem auf Fahrbahn springenden Kind ausweichen will, dadurch aber auf die Gegenfahrbahn geriete und eine Massenkarambolage verursachte – wie entscheidet dann das System? Der dichte und vielfältige Straßenverkehr heutzutage birgt viele solcher möglichen Dilemmata.
Wie ist es außerdem mit dem Schutz und der Sicherheit der Daten bestellt? Wie werden Hacker ferngehalten? Wer hat Zugriff und darf die unübersehbare Masse an Informationen einsehen und nutzen? Sind Aktualisierungen der Systeme zeitig, realitätsgerecht und sicher? Zudem ist die Haftungsfrage noch zu klären. Haftet bei einem Unfall der Fahrer, der Fahrzeughersteller oder der Fahrzeughalter? Die grundlegende Beantwortung dieser relevanten Fragen erfordert Gründlichkeit, Hirnschmalz und Zeit für die öffentliche Erörterung.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) teilte inzwischen mit, dass auch Schäden, die nicht durch den Fahrer, sondern durch Assistenzsysteme im Auto verursacht wurden, durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters reguliert würden. Das betreffe zum Beispiel Rückfahrsysteme oder Notbremsassistenten. Dieses Prinzip könnte auch auf das – mögliche – autonome Fahren angewendet werden.
Gleichwohl bleibt, wie viele Beispiele aus der Praxis beweisen, die verantwortliche und souveräne Entscheidung des Fahrers oder der Fahrerin von wesentlicher Bedeutung. Also: Nie die Hände vom Steuer nehmen und den Verkehr aufmerksam verfolgen!