Beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Der Schaden des Klägers belief sich auf insgesamt 1.779,63 €. Mit der Klage verlangt er 50 Prozent seines Schadens, mithin 889,92 €. Das Amtsgericht hat die Parteien angehört und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach wurde die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Das Amtsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sowohl der Kläger als auch der Beklagte grundsätzlich für die Folgen des Unfalls gemäß der §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG einzustehen haben. Der Unfall ist jeweils beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden. Im Rahmen der nach § 17 I 2 StVG gebotenen Verursachungsabwägung hat das Amtsgericht zu Lasten des Klägers angenommen, dass ihn eine Sorgfaltspflichtverletzung beim Rückwärtsfahren treffe. Das ist im Ergebnis richtig. Allerdings ergibt sich dies nichtaus § 9 V StVO, wie das Amtsgericht angenommen hat, sondern die Vorschrift dient primär dem Schutz des fließenden Verkehrs und ist daher auf Flächen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen, wie etwa auf öffentlichen Parkplätzen, nicht unmittelbar anwendbar (vgl. BGH NJW 2016, 1098). Das gilt auch für die im Streit befindliche Straßenfläche, die als verkehrsberuhigter Bereich nach Teichen 325.1 und 2 nach § 42 StVO ausgeschildert ist. Dieser Bereich dient nicht primär dem fließenden Verkehr (vgl. LG Saarbrücken DAR 2015, 343; a.A.: LG Düsseldorf SP 2013, 321; LG Stendal SP 2008, 249), sondern verpflichtet den Verkehrsteilnehmer wegen des vorrangigen Fußgängerverkehrs und spielender Kinder, ähnlich wie auf Parkplätzen, so langsam zu fahren, dass jederzeit angehalten werden kann (OVG Münster ZfS 1998, 76; LG Saarbrücken DAR 2008, 216; LG Saarbrücken DAR 2015, 343). In verkehrsberuhigten Zonen kommt daher wie auf Parkplätzen § 1 II StVO zur Anwendung (vgl. Freymann/Wellner-Lafontaine StraßenverkR. § 42 StVO Rn. 71).
Auch die Anwendung von § 1 StVO führt dazu, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden desjenigen spricht, der bei Rückwärtsfahren mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zusammenstößt (BGH NJW 2016, 1098). Mit Recht wendet allerdings die Berufung ein, dass der beklagte Fahrer des Toyota-Aygo den Vorrang des Klägers beim Einparken verletzt hat. Gemäß § 12 V StVO hat an einer Parklücke Vorrang, wer sie zuerst erreicht hat. Der Vorrang bleibt auch erhalten, wenn der Berechtigte an der Parklücke vorbeifährt, um rückwärts einzuparken. So ist es im vorliegenden Fall. Der Kläger hatte zuerst die Parklücke erreicht. Damit hatte er Vorrang. Im Rahmen der Haftungsabwägung steht die um das Verschulden beim Rückwärtsfahren erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs die durch die Vorrangverletzung erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten gegenüber. Die erkennende Berufungskammer hält die gegenseitigen Verursachungsanteile letztlich für gleichwertig.
Fazit und Praxishinweis: In einem mit Zeichen 325.1 nach § 42 StVOgekennzeichneten verkehrsberuhigten Bereichs gilt nicht unmittelbar die gesteigerte Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren, um in eine Parklücke zu gelangen. Vielmehr gilt das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme nach § 1 StVO. Auch in verkehrsberuhigten Bereichen gilt für das Einparken der Vorrang des zuerst an der Parklücke ankommenden Kraftfahrers. Kommt es zur Kollision eines rückwärts einparkenden Kraftfahrers und einem anderen später ankommenden Fahrzeugs, das ebenfalls (vorwärts) in die Parklücke einfahren will, so ist sowohl die Betriebsgefahr des rückwärtsfahrenden Fahrzeugs als auch die des den Vorrang verletzenden Kraftfahrzeuges erhöht, so dass im Ergebnis eine Schadenteilung angemessen erscheint.