BGH entscheidet erneut über die abgetretenen Sachverständigenkosten nach Unfall
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RobGal -
12. September 2016 um 13:56 -
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Der qualifizierte Kfz-Sachverständige M. stellte in seinem Gutachten voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 3.326,66 € inklusive Umsatzsteuer, eine Wertminderung von 250,-- € sowie einen Wiederbeschaffungswert von 8.000,-- € inklusive 2,5 % Umsatzsteuer. Für sein Gutachten berechnete er seiner Auftraggeberin insgesamt787,01 € inklusive 19 % Mehrwertsteuer. Davon entfielen 434,-- € netto auf das Grundhonorar und 227,35 € netto auf die einzeln aufgeführten Nebenkosten.
Der eintrittspflichtige Kfz-Versicherer zahlte lediglich 252,50 €. Den Differenzbetrag klagte der Sachverständige aufgrund einer Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten, die eine Abtretung an Erfüllung Statt darstellt, vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Lebach ein. Das AG Lebach hat mit Urteil vom 22.3.2013 – 14 C 43/12 (20) – zur Zahlung eines Betrages von 502,77 € verurteilt. Auf die Berufung der beklagten Kfz-Versicherung hat das LG Saarbrücken mit Urteil vom 29.7.2013 – 13 S 41/13 – das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger das komplette Grundhonorar sowie Nebenkosten in Höhe von 100,-- € nebst Mehrwertsteuer unter Anrechnung der bisher gezahlten 252,50 zu zahlen. Auf die Revision des klagenden Sachverständigen hat der BGH das Urteil des LG Saarbrücken insoweit aufgehoben, als die Klage aufErsatz von Sachverständigenkosten in Höhe der Nebenkosten von 119,81 € abgewiesen und weitere Sachverständigenkosten von 31,74 € abgewiesen wurde.
Auf die Anschlussberufung derBeklagten hat der BGH das Urteil des LG Saarbrücken insoweit aufgehoben als die Beklagte zum Ersatz von mehr als 324,65 € verurteilt wurde. Da der BGH jedoch nicht selbst tatsächliche Fragen beantworten konnte, wurde der Rechtsstreit mit Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – an das LG Saarbrücken zurückverwiesen. Mit Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 -hat das LG Saarbrücken erneut entschieden und hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 429,01 € zu zahlen. Mit der vom LG Saarbrücken erneut zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter. Die Beklagte greift mit der Revision das Urteil des LG Saarbrücken dahingehend an, soweit sie zur Zahlung von Sachverständigenkosten von mehr als 324,65 € verurteilt wurde. Die Revision blieb für beide Parteien ohne Erfolg.
Die Erwägungen, die zum Urteil des LG Saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – geführt haben, halten revisionsrechtlicher Überprüfungen stand. Die Bemessung der Schadenshöhe, hier der Sachverständigenkosten, ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH VersR 2013, 730 Rn. 14; BGH VersR 2012, 917 Rn. 9).Derartige Rechtsfehler liegen nach Ansicht des Senats nicht vor.Zutreffend hat das Berufungsgericht – nach Ansicht des Senats – der vom Kläger erstellten Rechnung keine Indizwirkung beigemessen. Denn die Rechnung wurde von der Geschädigten nicht bezahlt. Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwandes liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 II 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, möglicherweise auch seine beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig in dem tatsächlich aufgewandten Betrag nieder, nicht in dem berechneten Betrag (vgl. BGHZ 61, 346; BGH DS 2014, 282 Rn. 16, 19).
Die Geschädigte hatte keinen Kostenaufwand, da sie die Rechnung nicht bezahlt hatte. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass dem Geschädigten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes eine gewisse Plausibilitätsprüfung obliegt. Verlangt der Sachverständige Preise, die für den Geschädigten erkennbar deutlich überhöht sind, kann der Geschädigte dann nur Ersatz der für die Erstellungdes Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (BGH VersR 2015, 503 Rn. 16; BGH DS 2014 , 282 Rn. 14, 17).Wie der Senat bereits in seinem ersten Revisionsurteil VI ZR 357/13mitgeteilt hatte, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Nebenkosten, wie sie in der Honorarvereinbarung angegeben waren, zumindest teilweise als erkennbar deutlich überhöht angesehen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Geschädigte, wie das Berufungsgericht meint, die Überhöhungen an Hand des JVEG erkennen konnte. Tatsächlich waren aufgrund der eingeholten Gutachten Dr. Priester und Hoppe keine einheitliche Abrechnungsweisen der Nebenkosten auf dem regionalen Marktfestzustellen. Diese lagen nach dem Gutachten H. im Bandbreitenbereich zwischen 0 und 266,22 €. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das JVEG im Streitfall nicht anwendbar sei. Zwar regelt das JVEG lediglich das dem gerichtlich bestellten Sachverständigen zustehende Honorar; eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Vergütung privater Sachverständiger kommt nicht in Betracht (BGHZ 167, 139 Rn. 19; BGH NJW-RR 2007, 56 Rn. 19).
Das LG Saarbrücken hatte aber nicht über den Werklohnanspruch gemäß 632 BGB zu entscheiden, sondern über den Schadensersatzanspruch der Geschädigten gemäß der §§ 18 I 1 StVG, 249 BGB. Dabei war maßgeblich, ob der in der Person der Geschädigten entstandene Schadensersatzanspruch die vom Sachverständigen M. in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Das hängt davon ab, ob die berechneten Sachverständigenkosten nach schadensrechtlichen Grundsätzen sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 II 1 BGB halten (BGH DS 2007, 144 Rn. 14 m. zust. Anm. Wortmann).
Das LG Saarbrücken hat dabei das JVEG nicht unmittelbar oder analog angewendet, sondern lediglich als Schätzgrundlage bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO herangezogen. Das begegnet – nach Ansicht des Senats -keinen rechtlichen Bedenken. Der Heranziehung der Bestimmungen des JVEG als Orientierungshilfe im Rahmen der Schätzung der tatsächlich erforderlichen Nebenkosten steht nach Ansicht des Senats – auch nicht das Senatsurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH DS 2007, 144) entgegen. Soweit der Senat in dem Urteil VI ZR 67/06 die Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlich bestellter Sachverständiger auf Privatgutachter unter Hinweis auf die Entscheidungen des X. Zivilsenates vom 4.4.2006 – X ZR 122/05 – (= BGHZ 167, 139 Rn. 19) und – X ZR 80/05 – (= BGH NJW-RR 2007, 56 Rn. 19) abgelehnt gat, bezog sich dies allein auf die Frage, ob ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden kann oder ob in Anlehnung an § 9 JVEG nach Zeitaufwand abgerechnet werden muss. Im Focus standen damit lediglich die Kosten für die vom Sachverständigen erbrachte Ingenieurleistung, also das Grundhonorar, nicht jedoch die Nebenkosten. Konkrete Anhaltspunkte, die eine von den Bestimmungen des JVEG abweichende Beurteilung gebieten würden, sind weder ersichtlich, noch dargetan. Es ist schließlich auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht bezüglich der Fahrtkosten an der ADAC-Autokostentabelle orientiert hat.
Fazit und Praxishinweis: Um es vorweg zu sagen: Das BGH-Urteil begegnet erheblicher Kritik. Der VI. Zivilsenat hat mit diesem Urteil – allerdings nicht in der gleichen Besetzung – bereits zum zweiten Mal über den Sachverhalt entschieden, nachdem er bereits mit dem Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – (die Unfallzeitung berichtete darüber) das vorausgegangene Berufungsurteil des LG Saarbrücken vom 29.7.2013 – 13 S 41/13 - aufgehoben hatte. Das LG Saarbrücken hatte mit seiner angefochtenen Entscheidung eine Beschränkung derNebenkosten auf pauschal 100,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer vorgenommen, die vom BGH revisionsrechtlich beanstandet wurde. Daraufhin legte das LG Saarbrücken in dem an ihn zurückverwiesenen Rechtsstreit in dem Urteil vom19.12.2014 – 13 S 41/13 -nun bezüglich der Nebenkosten in der Rechnung des Sachverständigen das JVEG als Schätzgrundlage an. Das wurde jetzt im Urteil vom 26.4.2016 – VI ZR 50/15 - vom BGH nicht beanstandet.