Den Lieferfahrzeugen gehört die Zukunft. Immer mehr Menschen bestellen Kleidung, Möbel und Medikamente im Internet, und das führt zu einer drastischen Zunahme der täglichen Paketzustellungen.
Die Waren werden klassisch mit Transportern zu den Kunden gebracht, was voraussichtlich auch so bleiben wird, selbst wenn es in den kommenden Jahren durch Digitalisierung und Automatisierung und durch Zustellroboter und Drohnen neue Möglichkeiten geben wird.
Crafter heißt der neue Transporter von Volkswagen, dessen zweite Generation soeben Weltpremiere feierte und Ende September auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover dem Publikum vorgestellt wird. Der Vorgänger wurde zusammen mit dem Sprinter von Mercedes-Benz entwickelt und seit 2006 auch von Mercedes in Düsseldorf gebaut. Doch die Zusammenarbeit läuft in diesem Jahr aus, denn der neue Crafter wird als Eigenentwicklung im ganz neu erbauten VW-Werk im polnischen Wrzesnia gefertigt, nur dreißig Kilometer von Poznan entfernt, wo der kleinere Bruder Caddy vom Band rollt.
Der neue Crafter soll in der Transporterbranche Zeichen setzen. "Wir sind keine Kompromisse eingegangen und haben genau zugehört, was die Kunden sagen und wünschen und haben das im Produkt umgesetzt", sagte Eckhard Scholz, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen Nutzfahrzeuge, beim Debüt. Dabei gehe es vor allem um Zuverlässigkeit, hob Scholz hervor, denn die Logistikunternehmen müssten ihren Fahrzeugen vertrauen können.
Die Ingenieure in Hannover, wo VWs Nutzfahrzeugsparte beheimatet ist, haben bei der Entwicklung selbst auf vermeintliche Kleinigkeiten geachtet. Als Beispiel nennt Scholz die seitliche Schiebetür. "Wir haben es geschafft, die Tür drei Sekunden schneller zu schließen", freute er sich bei der Vorstellung. Wer täglich rund zweihundert Mal die Schiebetür auf- und zumacht, hat dadurch pro Tag zehn Minuten gespart. Hochgerechnet auf die Woche, den Monat, das Jahr kommt da ein hübsches Zeit-Einsparsümmchen zusammen, unterstrich Scholz.
Die Crafter-Väter haben der neuen Generation ein großes Angebot an Derivaten mitgegeben. Entwicklungsvorstand Harald Ludanek zählte sie auf: sechs Grundvarianten von 3,5 bis 5,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, Kastenwagen oder Kombi, Pritschenwagen, mit Koffer oder Kippvorrichtung. Die geschlossene Variante gibt es als Einzel- oder Doppelkabiner in drei verschiedenen Höhen, drei Längen (von 5,99 bis 7,40 Meter) und zwei Radständen. Offeriert wird der Transporter mit Front-, Heck- und Allradantrieb, wobei beim Fronttriebler die Einstiegs- und Beladungshöhe zehn Zentimeter niedriger als bei den anderen Versionen ist. Die Hinterachse gibt es in fünf Varianten, mit Einzel- oder Zwillingsbereifung, längs- und quereingebauten Motoren, die mit Schalt- oder Automatikgetriebe gekoppelt werden. Der Kunde hat insgesamt rund siebzig Möglichkeiten für seinen Crafter. "Mehr Vielfalt in diesem Segment gab es noch nie", betonte sichtlich stolz Harald Ludanek.
Auch mit einem technischen Highlight kann der Crafter strunzen: Anstelle der hydraulischen Servolenkung des Vorgängers weisen die neuen Modelle eine elektromechanische Servolenkung auf, erstmals in diesem Segment. Sie verbraucht weniger Kraftstoff, zudem können mit ihr verschiedene Assistenzsysteme wie Spurhalte- oder Anhänger-Rangier-Assistent verwirklicht werden. Diese geschwindigkeitsabhängig geregelte Hilfslenkung tritt nur dann in Aktion, wenn der Fahrer sie benötigt.
Komfort auch beim Beladen
Der Ausstattung der Fahrerkabine merkt man an, dass das Entwicklungsteam den Kunden gut zugehört hat. Die Fahrer finden ein "Zollstockfach" in der Armaturentafel vor. Es nimmt all die mehr oder weniger kleinen Dinge auf, die ständig gebraucht werden. Zur Einrichtung gehören außerdem drei Zwölf-Volt-Steckdosen, eine Schnittstelle für Smartphones, und in den Türen ist Platz für Wasserflasche, Warnweste und Werkzeug. Für ungewohnten Komfort in einem Arbeitsfahrzeug sorgen die Sitze. Sieben verschiedene Varianten stehen zur Wahl, darunter zum ersten Mal in einem Transporter Sitze mit dem Gütesiegel der "Aktion gesunder Rücken", die jedoch extra zu bezahlen sind. Teil der Ausstattung ist auch ein kundenspezifisches Funktionssteuergerät für die Anforderungen der Auf- und Umbauhersteller, etwa für eine Dachzeichenbeleuchtung (für Ambulanzen) oder eine Generatorladekontrolle. Der neue Crafter wird doppelt so viele analoge Eingänge wie früher besitzen, dazu 24 Ausgänge, frei konfigurierbare Ein- und Ausgänge und ein großes Angebot fester Funktionen. Mit Hilfe des speziellen Steuergeräts können die Sonderfunktionen der Aufbauhersteller über Smartphone, Tablet oder Notebook bedient werden.
Komfort will der Crafter auch beim Beladen bieten. Den mühelosen Zugang garantiert eine weit öffnende Schiebetür und die nur 57 Zentimeter hohe Ladekante. Optional sind Trittstufen im Angebot und eine standardisierte Ladegutsicherung mit Spanngurten "von allen Seiten". Dafür gibt es patentierte Verzurrschienen für Seitenwände, Dach, Boden und Trennwand des Laderaums. Der Universal-Laderaumboden eignet sich für den Einbau aller gängigen Anbieter.
Das Motorenprogramm für den neuen Crafter umfasst dreizehn Motoren-Getriebe-Kombinationen, jeweils abhängig, ob man sich für einen Front-, Heck- oder Allradantrieb entschieden hat. Die neuen Euro-VI-Aggregate wurden auf Basis von VWs modularem Dieselbaukasten (MDB) entwickelt. Für die Abgasnachbehandlung sind ein verbesserter Oxidationskatalysator und ein AdBlue-Partikelfilter mit spezieller Beschichtung gegen Stickoxide zuständig. Die Dieselmotoren sind etwa einen Liter auf 100 Kilometer sparsamer als die Vorgängeraggregate und sowohl für den Kurzstreckenbetrieb als auch für den Langstreckenverkehr ausgelegt. VW lobt sie als robust und verschleißarm sowie für ihre geringen Wartungs- und Reparaturkosten. Serienmäßig verfügen sie über ein Start-Stopp-System.
Der weiterentwickelte 2,0-Liter-TDI-Motor ist für die Fronttriebler in drei verschiedenen Leistungsstufen (102, 140 und als Biturbo-TDI mit 177 PS) erhältlich. Ab Mitte 2017 wird das Programm durch einen 4Motion-Allradler mit quereingebautem Motor sowie durch die Modelle mit Heckantrieb und längseingebauten Triebwerken ergänzt.
VW hat sich hohe Ziele mit dem Crafter gesetzt. 2018, dem ersten Jahr mit ausgelasteter Produktion, will Nutzfahrzeugchef Eckhard Scholz 100.000 Stück absetzen, das wäre das Doppelte von heute.