LG Stralsund urteilt zur Nutzungsausfallentschädigung mach Unfall
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RobGal -
23. November 2015 um 10:09 -
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Nach dem Unfall gab er ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Fahrzeugschadens in Auftrag, das am 13.1.2014 vorlag. Am 15.1.2014 übersandte er das Gutachten an die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung, deren Haftung für den Unfallschaden unstreitig ist.
Mit Schreiben vom 4.2.2014 teilte der Geschädigte der beklagten Versicherung mit, dass er als Rentner nicht in der Lage sei, den Unfallschaden vorzufinanzieren. Auch sei ihm als Rentner die Aufnahme eines Kredits nicht möglich. Die beklagte Versicherung zahlte vorgerichtlich zwar den Fahrzeugschaden von rund 15.000,-- €. Nicht jedoch den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden. Das AG Greifswald hat mit Urteil vom 13.11.2014 – 43 C 114/14 – nur einen geringen Teil an Nutzungsentschädigung zugesprochen. Mit der Berufung begehrt er Verurteilung des vollen Nutzungsausfalls. Die Berufung hatte nur zum Teil Erfolg.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht eine weitere Nutzungsausfallsentschädigung für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit des von ihm genutzten Kraftfahrzeuges nach §§ 249 ff BGB zu. Ein solcher Anspruch besteht, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat, was hier der Fall ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Greifswald war der Kläger nicht gehalten, zu seinem Nutzungswillen vorzutragen. Dass der Kläger unfallbedingt auf Grund von Verletzungen nicht in der Lage gewesen wäre, das Fahrzeug zu nutzen, ist nicht vorgetragen. Insofern spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten Pkw diesen während eines unfallbedingten Ausfalls auch genutzt hätte (vgl. OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt, DAR 1984, 318; OLG Köln, MDR 1999, 157; OLG Düsseldorf, SP 2002, 171; OLG Düsseldorf DAR 2006, 269).
Die Dauer des zu entschädigenden Nutzungsausfalls beschränkt sich allerdings, wenn der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB nicht nachkommt. Im Rahmen dieser Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte gehalten, die Schadensbehebung in angemessener Frist durchzuführen und einen längeren Nutzungsausfall gegebenenfalls zu überbrücken. Kommt er dem in zurechenbarer Weise nicht nach, muss er sich eine Kürzung oder sogar den Ausschluss seines Schadensersatzanspruchs gefallen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1711). Einer Schadensbehebung in angemessener Frist steht nicht entgegen, wenn der Geschädigte den Schaden nicht aus eigenen Mitteln beseitigt oder einen Kredit zur Schadenbehebung aufnimmt. Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren (BGHZ 61, 346; BGH VersR 1988, 1178). Da der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf sofortigen Ersatz hat, ist er auch nicht verpflichtet, sich zunächst mit seiner Vollkaskoversicherung auseinanderzusetzen. Insofern konnte die Beklagte den Kläger vorliegend nicht darauf verweisen, einen Kredit aufzunehmen oder sich mit seiner Kaskoversicherung ins Benehmen zu setzen. Allerdings steht dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners ein bestimmter Prüfungszeitraum für die Regulierungsentscheidung zu.
Im Rahmen dieser Frist ist es dem Geschädigten grundsätzlich zuzumuten, die Kosten der Instandsetzung ohne Rückgriff auf einen Kredit aus eigenen Mitteln vorzustrecken, wenn dies nicht ohne besondere Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist. Damit der Versicherung des Unfallgegners die Möglichkeit einer Prüfung eingeräumt wird, hat der Geschädigte im Rahmen der Schadensgeringhaltungspflicht nach § 254 BGB die gegnerische Haftpflichtversicherung frühzeitig darauf hinzuweisen, dass eine Erhöhung des Schadens droht, wenn ihm ausreichende Mittel zur Auslösung des reparierten Fahrzeugs vor Ablauf der Überprüfungspflicht des Versicherers nicht zur Verfügung stehen (OLG Karlsruhe, VersR 2012, 590; OLG Düsseldorf VersR 2012, 120; ständige Rechtsprechung). An einem solchen rechtzeitigen Hinweis durch den Geschädigten fehlt es im zu entscheidenden Fall. Nach dem Unfall vom 9.1.2014 hat der Kläger ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, welches am 13.1.2014 vorlag. Dieses hat er der beklagten Versicherung mit Schreiben vom 15.1.2014 zur Verfügung gestellt.
Erst mit Schreiben vom 4.2.2014 hat er darauf hingewiesen, dass er als Rentner zur Aufnahme eines Kredites zur Vorfinanzierung der Kosten weder verpflichtet noch in der Lage sei. Hierin sieht die Kammer einen hinreichenden Hinweis des Klägers dahingehend, aus eigenen Mitteln die Ablösung des Fahrzeuges nach Reparatur nicht vornehmen zu können – sonst wäre die Aufnahme eines Kredites überhaupt nicht erforderlich. Allerdings geht die Argumentation des Klägers, mit der Übersendung des Gutachtens sei der Versicherung die Schadenshöhe bekannt gewesen, weshalb es eines besonderen weiteren Hinweises nicht bedurft hätte,ins Leere, denn die Schadenshöhe, um die es hier geht, ist der im Nutzungsausfall begründete Schaden, nicht der Reparaturbetrag. Bis zum Zugang der Anzeige vom 4.2.2014 konnte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung nicht wissen, dass der Kläger aus eigenen Mitteln die Reparatur nicht vorfinanzieren kann. Erst am 7.2.2014 – bei Zugrundelegung einer normalen Postlaufzeit von 3 Tagen – hatte die Beklagte Kenntnis von der möglichen Schadenserhöhung durch den Nutzungsausfall.
Für den Zeitraum vom 18.1. bis 7.2. steht dem Kläger mithin ein Schadensersatzanspruch für die entgangene Nutzung des Kraftfahrzeuges nicht zur Seite. Alleine der Hinweis auf die hohen Reparaturkosten von 15.000,-- € machen einen solchen Hinweis nicht entbehrlich. Die Beklagte musste nicht davon ausgehen, dass bei einem Fahrer eines 3er-BMW ein Betrag von 15.000,-- € für eine Reparatur nicht vorfinanziert werden kann ohne die gewohnte Lebensführung besonders einzuschränken. Hierfür bedurfte es eines Hinweises des Klägers. Dieser kam verspätet, weshalb der Zeitraum vom vermuteten Zugang des Gutachtens bis zum vermuteten Zugang des Hinweisschreibens nicht ersatzpflichtig ist.
Fazit und Praxishinweis: Das vorstehende Urteil der Berufungskammer des LG Stralsund zeigt eindrücklich, wie wichtig es für den Geschädigten ist, rechtzeitig eine Anzeige der mangelnden Vorfinanzierungsmöglichkeit oder der Unmöglichkeit der Aufnahme eines unfallbedingten Kredits dem eintrittspflichtigen Versicherer zu übersenden. Der Grundsatz der Schadensgeringhaltungspflicht gemäß § 254 II BGB verpflichtet den Geschädigten, dem Schädiger gegenüber zur Anzeige der drohenden Schadensausweitung, damit dieser rechtzeitig reagieren kann. Niemand ist verpflichtet, seine gewohnte Lebensführung einzuschränken, nur um dem Schädiger die Reparaturkosten vorzufinanzieren. Soweit geht die Schadensgeringhaltungspflicht nicht.