LG Frankfurt am Main hebt Fraunhofer auf und richtet sich nach Schwacke
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RobGal -
10. Januar 2017 um 12:26 -
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Die Mietdauer betrug 17 Tage. Das angemietete Fahrzeug sollte der Gruppe 6 unterliegen. Der Unfallverursacher war zur Unfallzeit bei der in Bad Homburg v.d.H. ansässigen DA-Versicherung haftpflichtversichert. Die Mietwagenfirma berechnete für die 17 Tage bei einem Tagessatz von 76,54 € und Kosten für Zustellung und Abholung insgesamt inklusive MwSt.1.670,90 €.
Die einstandspflichtige DA-Versicherung zahlte unter Hinweis die Fraunhofer-Erhebung nur 835,17 €, so dass ein Restbetrag von 772,73 € verblieb. Diesen klagte die Mietwagenfirma aus abgetretenem Recht bei dem zuständigen Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. ein. Das Amtsgericht wies mit Urteil vom 2.5.2016 – 2 C 298/16 (27) – die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte zum größten Teil in Höhe von 759,23 € Erfolg.
Die Berufung ist zulässig und sie hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte DA-Versicherung einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz gemäß der §§ 7 StVG, 249, 398 BGB, 115 VVG in Höhe von 759,23 €. Gegen die Abtretung bestehen keine Bedenken. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Dem Zedenten stand auch noch der Restschadensbetrag von 759,23 € zu. Dieser war nämlich für die Schadensbeseitigung im Sinne des § 29 II BGB erforderlich. Erforderlich sind die Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot kann der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als objektiv erforderlich ersetzt verlangen.
Die Miete ist demgemäß grundsätzlich nur bis zur Höhe des sog. Normaltarifs erstattungsfähig (so in ständ. Rspr. der BGH seit NJW 2005, 51; zuletzt BGH NJW 2013, 1870). Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind (BGH NJW 2013, 1870, 1871). Nach Maßgabe dessen kann die Klägerin die geltend gemachten Kosten, jedenfalls soweit sie den reinen Mietpreis für 17 Tage betreffen, verlangen. Denn der zwischen der Klägerin und dem Geschädigten vereinbarte und der Klageforderung zugrundeliegende Tarif übersteigt den Normaltarif nicht.
Diesen "Normaltarif" kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen. Dabei gibt § 287 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter die Schätzgrundlage nicht vor. Dabei darf der Tatrichter auch den Schwacke-Mietpreisspiegel zugrunde legen (BGH, Versäumnisurteil vom 17.05.2011 – VI ZR 142/10 – Rn. 7; vgl. auch BGH NJW 2006, 2106 Rn.9; BGH NJW 2012, 2026 Rn.10 m.w.N.). Die erkennende Kammer gibt in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur die Urteile vom 25.11.2009 - 2-16 S 116/09 -, vom 12.05.2010 - 2-16 S 9/10 -; vom 25.05.2011 - 2-16 S 30/11 -;vom 21.12.2011 - 2-16 S 110/11 -; vom 11.04.2012 - 2-16 S 181/11 -; vom 10.10.2012 - 2-16 S 83/12 - und vom 13.11.2013 - 2-16 S 83/13 -) der Schwacke-Liste gegenüber der Fraunhofer-Erhebung den Vorzug (ebenso OLG Karlsruhe NZV 2010, 472; OLG Köln NJW-RR 2011, 467; OLG Köln NZV 2010, 614; OLG Stuttgart NZV 2011, 556). Die erkennende Kammer hat sich mit der grundsätzlichen Frage der anzuwendenden Schätzgru8ndlage auseinandergesetzt:
1. Fraunhofer Erhebung:
Grundlage des vom Fraunhofer Institut erstellten Marktpreisspiegels ist eine Erhebung von Daten in erster Linie über Internet und aufgrund einer telefonischen Umfrage bei Autovermietern und Anmietstationen (vgl. Fraunhofer Marktpreisspiegel 2014, S. 22). Trotz der wachsenden Bedeutung des Internets für Preisvergleiche und die Buchungen von Dienstleistungen (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.) spiegelt der Internetmarkt nicht das tatsächliche Markgeschehen wieder. In einer Vielzahl von Fällen weichen die Internetpreise erheblich vom realen Markt ab. Auch beruht die Datenbasis ganz überwiegend auf den Internetangeboten von nur acht bundes- und weltweit tätigen Vermietungsunternehmen (Avis, Budget, Caro, Enterprise, Europcar, Hertz, Buchbinder und Sixt, vgl. Fraunhofer Marktpreisspiegel 2014, S. 3 u. 25). Die Recherche ist auf eine 2-stellige Zuordnung von Postleitzahlen bezogen (a.a.O., S. 23), was insbesondere im ländlichen Raum erhebliche Ausdehnungen umfassen kann. Damit berücksichtigt die Fraunhofer-Erhebung nicht eine große Anzahl lokaler Anbieter, die das örtliche Marktgeschehen prägen. Schließlich sind die Preise bei der Fraunhofer-Erhebung auf Grundlage einer einwöchigen Vorbuchungsfrist ermittelt (a.a.O., die bei einem Verkehrsunfall regelmäßig nicht eingehalten werden kann.
2. Schwacke-Mietpreisspiegel:
Demgegenüber liegen dem Schwacke-Mietpreisspiegel Ermittlungen in dreistelligen Postleitzahlengebieten zugrunde, so dass die Ergebnisse ortsnaher sind als bei Fraunhofer. Dies ist von entscheidender Bedeutung, weil sich der Geschädigte nur auf den allgemein zugänglichen regionalen Markt verweisen lassen muss. Die Schwacke-Liste berücksichtigt darüber hinaus im Rahmen der "Nebenkostentabelle" alle möglichen Preisbestandteile, die in der Praxis tatsächlich verlangt werden. Außerdem hat sie den Vorteil, dass sie nicht auf Internettarife abstellt (vgl. die Ausführungen von OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 26). Kein entscheidender Vorteil der Fraunhofer-Liste besteht darin, dass sie auf einer anonymen Abfrage von Mietpreisen basiert und dadurch die Anmietsituation besser wiedergäben, weil Manipulationen durch Angabe überhöhter Preise vermieden werden könnten (so OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 26, 28).
Die Ermittlung der Werte der Schwacke-Liste entspricht nämlich genau dem Vorgehen, wie es von einem Geschädigten nach einem Unfall und vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erwartet wird. Der Geschädigte muss in aller Regel vor der Anmietung sich bei mehreren Autovermietern nach den Tarifen erkundigen. Bei einer solchen ordnungsgemäßen Nachfrage hätte er nur die Preise der konkret angefragten Firmen in Erfahrung bringen können. Dies wären dann die Tarife gewesen, von denen der Geschädigte den billigsten hätte auswählen dürfen. Bei dieser ihm obliegenden Nachfrage wird auch der Geschädigte meist mitteilen, dass er als Unfallgeschädigter ein Ersatzfahrzeug benötigt. Damit erlangen die Anbieter im konkreten Schadensfall ebenso wie bei der Datenerhebung von Schwacke davon Kenntnis, dass die Abrechnung über den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners erfolgen kann. Die Schwacke-Liste muss aber keine anderen Anforderungen erfüllen, als sie ein Geschädigter durch seine Nachfragepflichten nach einem Unfall erfüllen muss. Auch der Geschädigte muss sich nicht damit befassen, ob die von ihm erfragten Tarife auch tatsächlich bei Anmietungen vereinbart wurden. Dies würde eine Überspannung der Pflichten eines Geschädigten bedeuten. Der fehlenden Anonymisierung der Datenerhebung bei der Schwacke-Liste kommt damit im Ergebnis keine Bedeutung zu.
3. arithmetisches Mittel zwischen Fraunhofer und Schwacke:
Nicht in Betracht kommt es nach Auffassung der Kammer schließlich, das arithmetische Mittel zwischen der Schwacke-Liste und dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage gemäß § 287 Abs. 1ZPO anzusetzen (so OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 541; OLG Köln SP 2010, 396; OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 26; OLG Köln BeckRS 2013, 15119; OLG Hamm MDR 2016, 516). Denn dies würde die verschiedenen Schätzgrundlagen, die nach unterschiedlichen Methoden ermittelt sind, in unzulässiger Weise vermischen.
Die erkennende Kammer schätzt die erforderlichen Mitwagenkosten daher nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel. Danach sind bei Zugrundelegung von 2 Wochent6arifen und einem 3-Tage-Tarif insgesamt 1.930,-- € erforderlich. Für Zustellung und Abholung kommen 2 mal 23,-- € hinzu, so dass der Gesamtbetrag 1.976,-- € ausmacht. Begründet ist der Ersatzanspruch allerdings nur in Höhe von 1.594,40 €. Denn der Schätzbetrag gemäß Schwacke-Liste ist unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit durch die Höhe der unfallbedingten Mietwagenkosten, die der Geschädigte aufzuwenden hat, limitiert. Der Geschädigte kann nicht mehr verlangen als er mit dem Mietwagenunternehmen vereinbart hat. Vereinbart sind laut Mietvertrag "die derzeit gültigen Preise" der Klägerin. Dabei ist – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – davon auszugehen, dass die Rechnung die im Mietvertrag in Bezug genommenen Preise wiedergibt. Demgemäß ergibt sich eine Begrenzung des nach der Schwacke-Liste geschätzten Mietpreises (ohne Zustellung/Abholung) von 1.930,00 € auf 1.548,40 € (1.301,18 € zzgl. MWSt).
Fazit und Praxishinweis: Die erkennende Berufungskammer des LG Frankfurt hat mit überzeugender Begründung die Vorteile des Schwacke-Mietpreisspiegels gegenüber den anderen Schätzgrundlagen herausgestellt. Auch die von einigen Oberlandesgerichten angewandte Mischlösung mit dem arithmetischen Mittel aus den Werten des Schwacke-Mietpreisspiegels und der Fraunhofer-Erhebung ist mit überzeugender Begründung abgelehnt worden. Im Übrigen ist nach der BGH-Rechtsprechung der Schwacke-Mietpreisspiegel eine geeignete Schätzgrundlage. Wenn der Geschädigte nach dieser vom BGH bestätigten Grundlage abrechnet, entspricht er der BGH-Rechtsprechung. Dann kann nicht im Nachhinein ein Gericht dem Geschädigten eine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht vorwerfen und die berechneten Kosten auf der Basis anderer – für den Schädiger und dessen Versicherer günstigerer – Schätzgrundlagen oder rechnerischer Mittelwerte kürzen.