Killer-Kältemittel: Die Bundesregierung duckt sich weg
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RobGal -
28. September 2015 um 11:19 -
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Die Bundesregierung geht auf Tauchstation bei der Debatte um das höchst umstrittene neue Klimaanlagenkältemittel R1234yf (Tetrafluorpropen) der US-amerikanischen Chemiekonzerne Honeywell und DuPont. Obwohl bereits fast eine halbe Million Fahrzeuge mit dem brandgefährlichen Kältemittel auf deutschen Straßen unterwegs sind.
Die heimischen Autohersteller setzen auf das ungiftige Kohlendioxid (CO2) und arbeiten an der Entwicklung geeigneter Klimaanlagen. Die Zeit drängt, denn weil das bisher verwendete Kältemittel R134a (Tetrafluorethan) den EU-Bestimmungen zum Klimaschutz nicht mehr genügt, darf es ab 1. Januar 2017 in neu zugelassenen Fahrzeugen nicht mehr verwendet werden – obwohl es im Gegensatz zum neuen R1234yf die Gesundheit nicht gefährdet.
Von dem neuen R1234yf ist bekannt, dass es schnell entzündlich ist und dabei das hochtoxische Gas Fluorwasserstoff entsteht, das bei Kontakt mit Wasser zu ätzender Flusssäure reagiert. Eingeatmet, reicht dazu bereits die Feuchtigkeit in der Lunge. Außerdem fällt dabei Carbonyldifluorid an, das bereits in kleinsten Mengen eingeatmet tödlich wirkt. Seit das Umweltbundesamt und Daimler 2010 und 2012 voneinander unabhängige Praxistests durchführten, weiß man, dass bei einem Autobrand Flusssäure freigesetzt werden kann.
Nun hat Daimler angekündigt, im kommenden Jahr Modelle seiner S- und E-Klasse mit Kohlendioxid auszustatten. Gegenüber dem Kraftfahrtberichter ließ das Stuttgarter Unternehmen allerdings einen Bericht der Fachzeitschrift "Autobild" unbestätigt, wonach bereits in diesem Monat auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) die Modelle mit dieser sowohl umweltschonenden als auch gesundheitlich unbedenklichen CO2-Kältetechnik präsentiert werden sollen. Im Streit um das brisante US-Kältemittel wirft der Bundestagsabgeordnete Ralph Lenkert der Bundesregierung vor, die Gefahren absichtlich zu verdrängen. Die Bundesregierung räumte auf Anfrage von Lenkert zu den Risiken des US-Kältemittels zwar ein, dass der Einsatz von R1234yf "mit einem größeren Risiko" verbunden ist. Aber dann rudert die Regierung auch schon wieder zurück, indem sie fortfährt: "Dennoch liegen keine hinreichenden Nachweise vor, die den Verdacht auf das Eintreten einer ernsten Gefahr im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes soweit erhärten, dass unmittelbar eingreifende Maßnahmen (...) angezeigt wären."
Ralph Lenkert, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, sieht dagegen Gefahren sowohl für Unfallopfer als auch für Retter an einer möglichen Unfallstelle. Er kritisiert, dass die Bundesregierung sich weigert, zwei baugleiche Fahrzeuge versuchsweise abbrennen zu lassen. Dabei sollte in dem einen Wagen die Klimaanlage mit dem bisherigen Mittel R134a, die andere mit dem neuen R1234yf befüllt sein. "Anhand auftretender Differenzen in der Rauchgasanalyse könnte man problemlos das Gefährdungspotenzial abschätzen", argumentiert der Abgeordnete aus Jena.
Währenddessen hat die Zahl der Fahrzeuge mit dem brisanten Kältemittel weltweit und auch in Deutschland rasant zugenommen. Im Juni dieses Jahres fuhren nach Angaben des Kraftfahrt- Bundesamtes (KBA) schon 458.532 dieser Autos auf den deutschen Straßen. Während Daimler und VW die Verwendung des US-Kältemittels verweigern, gibt es die geringsten Hemmungen bei Hyundai (samt der Konzerntochter Kia) und bei Opel. An der Spitze der Modelle mit dem gefährlichen R1234yf stand bis Juni der Hyundai i30 mit rund 61.100 Zulassungen, gefolgt vom Opel Mokka mit 58.400 Neuwagen. Auf den weiteren Plätzen: Kia Ceed (35.900), Nissan Qashqai (35.600) und Hyundai i10 (31.300) und Mitsubishi Spacestar (22.100). Außerdem sind etliche R1234yf-Pkw von Citroën und Renault unterwegs.