Zur Verkehrssicherungspflicht bei Kollision eines Einkaufswagens mit einem Pkw
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RobGal -
16. Oktober 2015 um 12:56 -
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Der Kläger macht Schadensersatz für Reparatur-, Sachverständigen- und Mietwagenkosten nebst merkantilem Minderwert und einer allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von insgesamt 5.408,56 € geltend. Das zunächst angerufene Landgericht Bielefeld hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Durchführung einer Ortsbesichtigung. Es hat sodann mit Urteil vom 23.10.2014 – 2 O 44/14 – die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung. Die Berufung war zum überwiegenden Teil erfolgreich.
Die Berufung hat zum größten Teil Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 80 Prozent des ihm entstandenen Schadens. Der Beklagte hat eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil er die Einkaufswagen im Außenbereich seines Lebensmittelmarktes nicht ausreichend gesichert hat, so dass sich aufgrund der Witterungsbedingungen ein Einkaufswagen selbständig machen konnte und mit dem Pkw des Klägers kollidierte. Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu treffen.
Zwar ist ein absoluter Sicherungsgrad nicht erreichbar, aber der Verkehrssicherungspflicht ist Genüge getan, wenn im Ergebnis der Sicherungsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es genügt daher, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafte Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. OLG Hamm Urt. v. 6.5.2014 – 9 U 13/14 -). Im konkreten Fall musste der Beklagte dafür Vorsorge treffen, dass die Einkaufswagen auch nach Geschäftsschluss sicher abgestellt waren. Dies gilt gegen unbefugte Benutzung durch Dritte. Dies gilt aber auch im Sinne eines Wegrollens. Die von dem Beklagten ergriffenen Sicherungsmaßnahmen genügten diesen Anforderungen nicht.
Eine Reihe von Einkaufwagen war nicht mit einer Kette gesichert. Zwar verhinderte die auf dem Boden liegende Kette das selbständige Wegrollen des Einkaufswagens. Aber Dritte konnte unbefugt den Einkaufswagen über die am Boden liegende Kette heben. Dadurch konnte der Einkaufswagen dann auf dem abschüssigen Bürgersteig auf die Straße rollen, wo er mit dem fließenden Verkehr kollidieren konnte. Das zeigt, dass eine ausreichende Absicherung nicht vorlag. Der Beklagte hat objektiv gesehen seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Diese Verkehrssicherungspflichtverletzung war auch kausal für die dem Kläger entstandene Rechtsgutverletzung. Dieser Kausalitätsnachweis ist aufgrund der hier eingreifenden Anscheinsbeweisgrundsätze geführt (vgl. BGH MDR 2013, 970 m.w.N.). Allerdings haftet der Kläger auch aufgrund der von seinem Kraftfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gemäß § 7 I StVG.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge veranschlagt der Senat die Betriebsgefahr mit 20 Prozent. Der dem Kläger entstandene Schaden beträgt 5.383,56 €. Darin enthalten sind die Reparaturosten in voller Höhe, die der Kläger mit der Rechnung nachgewiesen hat. Weiterhin steht dem Kläger ein merkantiler Minderwert von 400,-- € zu, wie im Schadensgutachten aufgeführt. Der Kläger kann auch die berechneten Mietwagenkosten von 526,90 € gemäß der vorgelegten Rechnung beanspruchen. Dass die Mietzeit einen Tag länger dauerte, als im Schadensgutachten die Reparatur prognostiziert wurde, mindert den Schadensersatzanspruch nicht, denn hierin verwirklicht sich das Werkstattrisiko.
Das Werkstattrisiko geht eindeutig zu Lasten des Schädigers. Die berechneten Sachverständigenkosten in Höhe von 408,51 € kann der Kläger ebenfalls beanspruchen. Allerdings steht dem Kläger ein Anspruch auf eine allgemeine Unkostenpauschale nicht zu. Ersatz der allgemeinen Unkosten kann nach der Rechtsprechung des BGH nur bei den als Massengeschäft zu behandelnden Verkehrsunfällen als Pauschale ohne konkreten Nachweis verlangt werden. Hier richtet sich der Anspruch aus der Inanspruchnahme der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Aus dem Gesamtschadensbetrag von 5.383,56 € den 80-prozentigen Betrag errechnet, macht dies 4.306,85 € aus, die dem Kläger zuzusprechen sind.
Fazit und Praxishinweis: Aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet derjenige, der eine Gefahrenlage schafft. Er ist verpflichtet, die notwendigenund zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.Es genügt daher, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafte Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.