Entscheidend ist Gesamtbetrag der Sachverständigenrechnung für Erstattungsfähigkeit nach Unfall
-
RobGal -
11. September 2015 um 13:38 -
0 Kommentare -
2.700 Mal gelesen
Der Geschädigte beauftragte den späteren Kläger mit der Erstellung des Schadensgutachtens und trat gleichzeitig seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen ab. Der Sachverständige berechnete 527,36 € für das Schadensgutachten. Die hinter der Schädigerin stehende Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete jedoch – trotz voller Haftung – nur 423,-- €. Dabei legte sie das Honorartableau der HUK-COBURG zugrunde. Der Sachverständige klagte zunächst vor dem Amtsgericht Oldenburg den restlichen Betrag aus abgetretenem Recht ein. Das AG Oldenburg hat lediglich zur Zahlung weiterer 38,03 € verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß der §§ 7,17,18 StVG i.V.m. § 398 BGB i.H.v. insgesamt noch 104,36 €. Zutreffend rügt der Kläger die vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung bzw. Streichung von Einzelpositionen aus der Kostenrechnung des Klägers, die dieser dem Geschädigten gegenüber berechnet hat. Der Kläger hat für die Erstellung des Gutachtens insgesamt 443,16 €netto berechnet; der BVSK-Mittelwert beträgt 463,06 € netto. Der vom Kläger in Rechnung gestellte Gesamtbetrag liegt damit – unter Einbeziehung des Grundhonorars und aller Nebenkosten – ca. 20,-- € netto unter dem maßgeblichen BVSK Mittelwert und ist damit eine erstattungsfähige erforderliche Aufwendung i.S.d. § 249 II 1 BGB.
Als "erforderlich" i.S.d. § 249 II 1 BGB sind nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH aus dem Urteil vom 11.2.2014 (BGH NJW 2014, 1947 ff.) diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Geschädigten machen würde. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages i.S.v. § 249 II 1BGB. Nur dann, wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH DS 2014, 90).
Vorliegend sind solche Umstände nicht festgestellt, auch wenn Einzelpositionen der klägerischen Rechnung den maßgeblichen BVSK-Mittelwert überschreiten. Denn entscheidend für die Feststellung einer deutlichen Differenz zwischen den angefallenen und den üblichen Preisen sind nicht die Einzelpositionen, sondern der Gesamtbetrag (OLG München, Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15 – [auf den die Unfallzeitung bereits hingewiesen hatte]; LG Bochum, NJW 2013, 3666; AG Westerwede, DV 2014,126,127; Heßeier, NJW 2014,1916,1917). Bei wirtschaftlicher Betrachtung spielt es für den Geschädigten keine Rolle, ob der Sachverständige bei einzelnen Nebenkostenpositionen über dem BVSK-Mittelwert liegt, solange dies dadurch ausgeglichen wird, dass er für andere Positionen entsprechend geringere Kosten veranschlagt. Hält sich der Sachverständige insgesamt, d.h. unter Berücksichtigung des Grundhonorars und aller Nebenkostenpositionen im Rahmen dessen, was wirtschaftlich vertretbar ist, muss der Geschädigte nicht allein deshalb einen anderen Sachverständigen beauftragen, weil – bei isolierter Betrachtung – einzelne Positionen des Sachverständigen aus dem üblichen Rahmen fallen.
Im Gegenteil ist es wirtschaftlich nicht nur vertretbar, sondern ausgesprochen sinnvoll, sich mit einzelnen (zu) hohen Positionen abzufinden, wenn der Gesamtpreis für die Erstellung des Gutachtens dennoch unterhalb des Durchschnittswertes liegt. Damit hat sich die Beauftragung des Klägers weder ex ante, noch ex post als unwirtschaftlich dargestellt. Auf die Frage, bei welcher prozentualen Überschreitung des Mittelwertes der BVSK-Umfrage der Geschädigte die Unangemessenheit der Sachverständigenkosten erkennen muss, kommt es vorliegend nicht an. Die Schreibkosten je Kopie von 2,28 € waren vor diesem Hintergrund voll erstattungsfähig. Dem Kläger stehen für die berechneten 18 Kopien statt der im amtsgerichtlichen Urteil zugesprochenen 22,86 € die berechneten 41,04 € netto zu.
Auch die Portokosten i.H.v. 2,90 € netto und die Kosten i.H.v. 12,50 € netto für die Restwertanfrage stehen dem Kläger zu. Ebenso sinddie Fahrtkosten i.H.v. 22,16 €netto erstattungsfähig. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Fahrzeug nach dem Unfall noch fahrtüchtig war. Denn sichere Kenntnis von der Fahrtüchtigkeit des Pkw hat der Geschädigte regelmäßig erst nach der Begutachtung des Unfallwagens durch den Kfz-Sachverständigen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Fahrtkosten bereits angefallen sind. Hiervon abgesehen gebietet das Wirtschaftlichkeitsgebot auch nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob der Geschädigte den Schaden selbst zu tragen hätte (BGH NJW 2014, 1947;BGHZ 115, 364, 369; BGHZ 154, 395, 398). In letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann.
Soweit der Beklagte die Fahrtkosten als überhöht rügt, kann er damit nicht gehört werden, da der maßgebliche Gesamtbetrag wirtschaftlich vertretbar war. Mithin hat die Geschädigte Anspruch auf Ersatz der vollen Gutachterkosten.Die Geschädigte hat diesen Schadensersatzanspruch gemäß § 398 BGB wirksam an den Kläger abgetreten.Soweit die Beklagte gegen den Anspruch des Klägers die dolo-agit Einrede gem. § 242 BGB einwendet und sich auf einen Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgrund einer Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht durch den Kläger gegenüber der Geschädigten beruft, hat sie keinen Erfolg. In dem vorliegendem Fall, in dem der Kläger eine unterdurchschnittliche Vergütung berechnet, fehlt es schon an einer möglichen Pflichtverletzung des Klägers. Dem Vorwurf des unterlassenen Hinweises auf die Unangemessenheit der eigenen Vergütung fehlt die tatsächliche Grundlage. Die Frage, ob die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung überhaupt vorliegen (verneinend LG Hamburg, - 328 S 45/14- ), bedarf daher keiner Vertiefung.
Fazit und Praxishinweis: Mit erfreulicher Klarheit hat hier die Berufungskammer des LG Oldenburg entschieden. Zu Recht hat die Kammer darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nur um eine Schadenshöhenschätzung geht. Es kann durch den besonders freigestellten Tatrichter nur die Höhe des Schadens geschätzt werden, nicht einzelne Positionen der Sachverständigenkostenrechnung. Diesen Fehler hatte bereits das LG Saarbrücken in der nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – gemacht, in dem es einzelne Positionen der Rechnung nach dem JVEG gemessen hatte. Zu Recht richtet sich das LG Oldenburg mit obiger Entscheidung nur nach dem Gesamtbetrag der Rechnung. Zutreffend hat die erkennende Berufungskammer auch der von der Beklagten erhobenen Einrede des dolo agit eine Absage erteilt. Nur dann, wenn die Rechnungssumme des Sachverständigen für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt, entfällt die indizielle Wirkung der berechneten Sachverständigenkosten für den erforderlichen Herstellungsaufwand, wozu grundsätzlich auch die Sachverständigenkosten gehören. Über den Beschluss des OLG München, auf den die erkennende Berufungskammer zutreffender Weise hinweist, hatte die Unfallzeitung bereits berichtet.