LG Düsseldorf misst gegen OLG Düsseldorf Mietwagenkosten am Mittelwert
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RFWW -
18. Januar 2016 um 09:57 -
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Nach einem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall am 30.9.2013 in Mönchengladbach, mietete die geschädigte Frau J. ein Ersatzfahrzeug für das beschädigte Fahrzeug an. Die Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt unstreitig der Versicherte der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung. Bezüglich der anfallenden Mietwagenkosten hatten der Mietwagenunternehmer und die geschädigte Zedentin J. eine Abtretungsvereinbarung getroffen, wonach der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten an das Mietwagenunternehmen abgetreten wurde. Auf die berechneten Mitwagenkosten zahlte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nur einen Teil. Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreites. In erster Instanz hat das Amtsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 2.4.2015 – 21 C 17600/13 - der Klägerin aus abgetretenem Recht 1.122,40 € zugesprochen. Die von der beklagten Kfz-Versicherung eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Das Urteil des Amtsgerichts beruht nicht auf Rechtsfehlern und auch nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz von restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 1.122,40 €, wie vom Amtsgericht ausgeurteilt Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % gem. §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG ist zwischen den Parteien unstreitig, weil der Versicherungsnehmer der Beklagten am 30.9.2013 in Mönchengladbach alleinschuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei welchem das Fahrzeug der Zedentin J. beschädigt wurde. Gegen die Abtretungsvereinbarung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klägerin kann, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, die restlichen Mietwagenkosten von 1.122,40 € gem. § 249 II 1 BGB ersetzt verlangen. Die Mietwagenkosten betrugen 2.185,11 €. Hierauf hat die beklagte Kfz-Versicherung 1.062,71 € gezahlt. Gemäß. § 249 II 1 BGB kann der Geschädigte den Ersatz von Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot kann der Geschädigte für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen. Darüber hinausgehende, bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war (vgl. BGH, NJW 2013, 1539,1540 Rz. 8).
Die Bemessung der Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten ist in erster Linie Sache des nach § 287 I ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 Abs. 1 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden. Nach diesen Grundsätzen ist der Tatrichter grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die Schwacke-Liste noch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel noch das arithmetische Mittel beider Listen zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen.
Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von diesen -etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen. Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet also nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (vgl. BGH, a.a.O. Rz. 10 f.). Nach bislang ständiger Kammerrechtsprechung legt die erkennende Berufungskammer der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten im Rahmen von § 287 Abs. 1 ZPO das arithmetische Mittel aus Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietpreisspiegel zugrunde (vgl. nur LG Düsseldorf BeckRS 2014, 19377). Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012,802, 803; OLG Hamm, r + s 2011, 536, 537; OLG Karlsruhe, NZV 2011, 533; OLG Köln, BeckRS 2011, 17064; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 541; OLG Zweibrücken, ZfS 2014, 619).
Die Kammer hält an dieser Rechtsprechung ausdrücklich fest. Auch die neuere Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24.03.2015 – 1 U 42/14, r + s 2015, S. 311 gibt der Kammer keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken. Das OLG Düsseldorf hat sich zwar in der vorbenannten Entscheidung auch ausdrücklich gegen eine Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittels von Schwacke-Liste und Fraunhofer-Mietpreisspiegel ausgesprochen. Aber auch das OLG Düsseldorf konnte die Kritik, welche gegen die Ermittlung der Mietpreise anhand des Fraunhofer Mietpreisspiegels vorgebracht wird, in letzter Konsequenz nicht ausräumen, sodass eine Schätzung allein anhand der Fraunhofer-Erhebung der Kammer nicht sachgerecht erscheint. Die erkennende Kammer sieht daher die Nachteile beider Listen durch das arithmetische Mittel weitestgehend egalisiert. Die Kammer ermittelt daher die erforderlichen Mitwagenkosten am Mittelwert zwischen dem Schwacke-Mietpreisspiegel und der Fraunhofer-Erhebung.
Fazit und Praxishinweis:
Zwar hat der BGH neben dem Schwacke-Mietpreisspiegel auch die Fraunhofer-Erhebung und sonstige Listen als Schätzgrundlage zugelassen (vgl. BGH VersR 2011, 769 = ZfS 2011, 441). Allerdings ist zu bedenken, dass es grundsätzlich bei den Schadensersatzansprüchen des Geschädigten gegenüber dem Schädiger und dessen Versicherer darauf ankommt, was der Geschädigte als Maßnahmen der Schadensbeseitigung für erforderlich und zweckmäßig erachtet. Zwar kann sich der Geschädigte bei den anfallenden Mietwagenkosten durch Telefon oder Internet informieren, aber wie er den Mittelwert feststellen soll, bleibt dabei unerfindlich, so dass es letztlich nur auf die Sicht des Gerichtes ankommt. Insoweit werden die Urteilsaussprüche nicht transparent.