OLG Dresden bestätigt Anwendbarkeit der Schwacke-Liste zur Schätzung der Mietwagenkosten
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RFWW -
26. Januar 2016 um 14:56 -
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Die Parteien streiten über die Mietwagenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall, für den die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung in vollem Umfang haftet. Die jeweils Geschädigten benötigten dringend für das beschädigte Fahrzeug ein Ersatzfahrzeug, weshalb sie sich bei der späteren Klägerin ein Ersatzfahrzeug anmieteten. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hatte in 18 Fällen Kürzungen unter Hinweis auf die niedrigeren Preise nach der Fraunhofer-Erhebung vorgenommen.
Die nach dem Normaltarif nach Schwacke berechneten Mietwagenkosten wurden von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung jeweils bestritten, so dass es zum Rechtsstreit vor dem Leipzig kam. In erster Instanz legte die erkennende 8. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig mit Urteil vom 22.1.2014 – 8 O 3915/12 - die Schwacke-Liste bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten zugrunde. Die Berufung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung blieb ohne Erfolg.
Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Leipzig vom 22.1.2014 – 8 O 3915/12 – hat in der Sache keinen Erfolg. Denn das erstinstanzliche Gericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht der klagenden Autovermietung Schadensersatz für restliche Mietwagenkosten in insgesamt 18 Fällen zugesprochen. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten sind unerheblich und führen nicht zu einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hatte bereits mit Beschluss vom 16.10.2014 auf die fehlende Erfolglosigkeit der Berufung hingewiesen. Auch die Stellungnahme der Beklagten dazu führt zu keiner anderen Rechtsansicht. Soweit sich die Beklagte mit generellen Einwänden gegen die grundsätzliche Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels wendet, ist darauf zu verweisen, dass der erkennende Senat dies in ständiger Rechtsprechung als Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO heranzieht (vgl. nur OLG Dresden Urt. v. 26.3.2014 – 7 U 1110/13 - m.w.N.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darf die Schadenshöhe lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. In geeigneten Fällen können Listen oder Tabellen bei der Schadenshöhenschätzung Verwendung finden (vgl. BGH VersR 2011, 1026). Nach diesen Grundsätzen ist der besonders freigestellte Tatrichter grundsätzlich nicht an einer Heranziehung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage für die Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO gehindert. Allein der Umstand, die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall deutlich voneinander abweichen, genügt noch nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder der anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Zudem kann das Gericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens durch Zuschläge oder Abzüge im jeweiligen Einzelfall abweichen (vgl. BGH VersR 2013, 330). Aber auch fallbezogene Einwendungen der Beklagten greifen im Ergebnis nicht ein. Durch die in erster Instanz eingereichten Preisangebote anderer Autovermieter sind mit der hier zu entscheidenden Fallkonstellation nicht vergleichbar.
Auch die von der Beklagten vorgelegten "Screenshots" sind nach ständiger Ansicht des erkennenden Senats nicht geeignet, ein deutlich niedrigeres Gesamtentgelt darzulegen. Denn den vorgelegten "Screenshots" ist schon nicht zu entnehmen, dass die genaue Reparaturdauer – und damit auch die Anmietdauer -bei der Internetbuchung hätte verlängert oder verkürzt werden können. Weiterer erheblicher Vortrag der Beklagten zu dem Bestreiten der Klägerin zu den vorgelegten Angeboten erfolgte nicht. Soweit ausweislich der von der Beklagten vorgelegten "Screenshots" die Mietfahrzeuge generell bei der Mietwagenfirma abgeholt werden müssen, reicht es nach dem Vortrag der Beklagten nicht aus, dass die Fahrzeuge auch gegen Aufgeld zugestellt werden können, denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Abholung bei der Mietwagenfirma nicht zumutbar.
Im Übrigen hat die Beklagte zu diesem Punkt, wonach Zustellung und Abholung gar nicht online buchbar sei, gar nicht mehr erheblich erwidert. Der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich ein beachtliches Missverhältnis zwischen dem maßgeblichen Tarif der Schwacke-Liste und dem tatsächlich angebotenen Mietpreis dem Geschädigten regelmäßig nur dann aufdrängen muss, wenn dieser Normaltarif um mindestens 50 Prozent überschritten wird. Eine solche Überschreitung ist aber bei keinem der 18 Fälle gegeben.
Fazit und Praxishinweis:
Mit klaren und zutreffenden Worten hat der erkennende Senat unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zu den erforderlichen Mietwagenkosten den Normaltarif an Hand des Schwacke-Mietpreisspiegels ermittelt. Die von den eintrittspflichtigen Krafthaftpflichtversicherern immer wieder vorgelegten Internetangebote preiswerterer Anbieter sind unbeachtlich, da sie häufig auf Vorbuchungen beruhen. Auch die "Screenshots" sind, wie der Senat zutreffend feststellt, nicht geeignet die Tarife auf der Basis der Schwacke-Liste zu entkräften. Denn diese im Nachhinein eingeholten Angebote beweisen nicht, dass sie auch am Unfalltage oder am Anmiettag bestanden. Entscheidend kommt es aber auch die Ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Anmietung an. Es ist im Einklang mit der Rechtsprechung des OLG Dresden davon auszugehen, dass der Normaltarif nach Schwacke erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB ist.
Wenn günstigere Tarife beansprucht werden, obliegt die Darlegungs- und Beweislast bei dem Schädiger. Bei höheren Beträgen liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Geschädigten. Die von der Versicherungswirtschaft immer wieder behauptete Gefahr der Etablierung eines Schwacke-Tarifes plus 50 Prozent wird zu Recht vom erkennenden Gericht nicht geteilt. An diesem grundsätzlichen Berufungsurteil ändert sich auch nichts, wenn das OLG Dresden neuerdings auf dem Mittelwert zwischen Schwacke und Fraunhofer abstellt. Denn wie soll der Geschädigte bei Abschluss des Mietvertrages denMittelwert feststellen können? Daher ist die neuere Rechtsprechung des OLG Dresden vom 30.12.2015 – 1 U 304/15 - abzulehnen.