BGH hält Reparaturbestätigungskosten an sich nach fiktiver Abrechnung für nicht ersatzfähig
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RobGal -
6. März 2017 um 10:43 -
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Die Geschädigte beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Darin gab der Sachverständige die Kosten der Reparatur mit 4.427,07 € an. Die Geschädigte rechnete auf der Basis des Schadensgutachtens ab. Die beklagte Kfz-Versicherung ersetzte den ermittelten fiktiven Reparaturbetrag. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die ordnungsgemäße Reparatur ließ die Klägerin von dem Schadensgutachter bestätigen, der dafür 61,88 € berechnete.
Die beklagte Kfz-Versicherung verweigerte die Erstattung dieses Betrages. Die Geschädigte klagte den Betrag zunächst bei dem AG Heilbad Heiligenstadt ein, das die Klage mit Urteil vom 5.6.2015 – 1 C 719/14 – abwies. Das LG Mühlhausen wies die vom Amtsgericht zugelassene Berufung mit Urteil vom 30.3.2016 – 1 S 93/15 – zurück. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.
Die mit der Revision angegriffene Entscheidung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin bei der von ihr gewählten fiktiven Schadensabrechnung keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Reparaturbestätigung hat. Eine Vermischung von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit nicht zulässig. Grundsätzlich hat der Geschädigte bei einem Kraftfahrzeugsachschaden bei der Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 II 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen des Schadensgutachtens oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet (ständ. Rspr. Des Senats: BGHZ 61, 56, 58; BGHZ 63, 182, 184; BGHZ 66, 239, 241 ff.; BGH VersR 1989, 1056; BGHZ 154, 395, 398; BGHZ 169, 263 Rn. 15). Bei der fiktiven Schadensabrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln.
Der Geschädigte, der im Gegenzug nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungskosten konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt (vgl. BGH VersR 2014, 214 Rn. 10).. Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht zusätzlich ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist unzulässig (BGH VersR 2004, 1575; BGHZ 162, 170, 175; BGH NJW 2006, 2320, 2321 Rn. 11; BGHZ 169, 263 Rn. 15; BGH MDR 2017, 27 Rn. 17). Allerdings kann der Geschädigte später – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen und der Verjährung – zu einer konkreten Berechnung überwechseln (BGH NJW 2012, 50; BGHZ 169, 263; BGHZ 158, 388, 391 f.). Nach diesen Grundsätzen hat die fiktiv abrechnende Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur angefallenen Kosten für die Reparaturbestätigung.
Bei den geltend gemachten Kosten der Reparaturbestätigung handelt es sich nicht um Kosten, die im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs erforderlich im Sinne des § 249 II 1 BGB waren. Auf die Motivation der Klägerin, im Hinblick auf eine mögliche spätere Veräußerung des Fahrzeugs oder einen eventuellen weiteren Unfallschaden im gleichen Fahrzeugteil den Nachweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur vorzuhalten, kommt es nach der eigenen Disposition der Geschädigten nicht an (Heßeler NJW 2015, 2744; anderer Ansicht: LG Heidelberg Urt. v. 23.8.2013 – 2 O 75/12 -: AG Fulda NJW 2015 , 2743 rn. 13 f.: AG Stuttgart Urt. v. 20.2.2015 – 44 C 5090/14 -).
Allerdings können die Kosten der Reparaturbestätigung dann ersatzfähig sein, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. AG DüsseldorfUrt. v. 30.7.2015 – 235 C 11335/14 -; AG Schwabach Urt. v. 22.11.2012 – 2 C 999/12 -; AG Mainz Urt. v. 15.5.2012 – 86 C 113/12 -; AG Frankfurt Urt. v. 3.2.2011 – 29 C 2624/10 -). Die Reparaturbestätigung wäre dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 II 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der verkehrssicheren (Teil-) Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten gelten. Das war im streitgegenständlichen Verfahren jedoch nicht der Fall.
Fazit und Praxishinweis: Die Begründung des VI. Zivilsenates des BGH überzeugt nicht. Der Geschädigte in diesem Verfahren macht neben den fiktiven Reparaturkosten konkrete Sachverständigenkosten geltend. Während sich die fiktiven Reparaturkosten an der objektiv zur Herstellung des vormaligen Zustandes erforderlichen Betrages ermitteln lässt, berechnen sich die konkret berechneten Kosten der Begutachtung und Bestätigung der Reparatur an den tatsächlich veranlassten Aufwendungen. Insoweit sind die Sachverständigenkosten – auch die Kosten der Reparaturbestätigung – konkret nach § 249 I BGB als erforderliche Rechtsverfolgungskosten anzusehen.
Im Übrigen werden auch immer bei der fiktiven Schadensabrechnung die Kosten der Schadensfeststellung durch den Sachverständigen konkret an Hand der Sachverständigenkostenrechnung berechnet, auch wenn der Geschädigte den Unfallschaden selbst fiktiv auf der Basis des Schadensgutachtens abrechnet, wozu er aufgrund der Dispositionsbefugnis berechtigt ist. Die Gutachterkosten werden nie in die fiktive Abrechnung mit einbezogen. Gerade in Zeiten, in denen die Versicherungswirtschaft die Daten einer fiktiven Schadensabrechnung in ihrer HIS-Datei einspeichern, ist es aus Gründen der Waffengleichheit dringendst erforderlich, dass dem Geschädigten ein Gegengewicht zu dieser HIS-Datei zur Verfügung gestellt wird. Ein derartiges Gegengewicht war und ist die Reparaturbestätigung, denn der Geschädigte war durchaus berechtigt, seinen Unfallschaden in Eigenregie selbst reparieren zu lassen.
Die Kosten der Reparaturbestätigung können auch als mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundener und damit gemäß § 249 I BGB auszugleichender Vermögensnachteil angesehen werden. Diese Kosten sind adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen. Ohne das Unfallereignis wäre die Begutachtung des Unfallschadens vor Durchführung der im Gutachten festgestellten Reparatur und die Bescheinigung einer – in Eigenregie zulässigerweise durchgeführten - Reparatur nicht notwendig gewesen. Beide Begutachtungen dienen der Rechtsverfolgung und sind damit grundsätzlich ersatzfähig. Die versicherungsfreundliche Rechtsprechung des BGH verdient daher Kritik.