LG Halle entscheidet zu den erforderlichen Sachverständigenkosten
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RFWW -
11. Januar 2016 um 13:23 -
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Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall hatte das Unfallopfer einen Kfz-Sachverständigen seiner Wahl eingeschaltet, damit ein qualifiziertes Gutachten über die Schadenshöhe und den Schadensumfang erstellt wird. Die von dem Sachversständigen in Rechnung gestellten Kosten hatte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung um 83,54 € gekürzt. Diese Kürzung ließ sich der Geschädigte nicht gefallen und trat den Restbetrag erfüllungshalber an den Sachversständigen ab, der die Abtretung annahm. Die Klage scheiterte zunächst vor dem Amtsgericht Halle am 13.7.2015 – 98 C 1034/15 -. Die zugelassene Berufung hatte allerdings Erfolg.
Der aus abgetretenem Recht klagende Sachverständige hat Anspruch auf Zahlung von weiteren Schadensersatz in Höhe von 83,54 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 398, 249 II 1 BGB. Aufgrund des Auftrags des Unfallopfers wurden von dem Sachverständigen 613,09 € in Rechnung. Die Geschädigte hat ihren auf die Erstattung des Sachverständigenhonorars gerichteten Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung gemäß § 398 BGB wirksam abgetreten. Nachdem die Beklagte einen Betrag in Höhe von 529,55 € auf das Grundhonorar und einen Teil der Nebenkosten geleistet hat, hat die Klägerin noch Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigennebenkosten in Höhe von 83,54 €. Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte gemäß § 249 II 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbehebung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen.
Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH NJW 2014, 1947; OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006 – 4 U 49/05 - ). Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeuges beauftragten Sachverständigen. Der in der Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten geltend gemachte Aufwand bildet bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages im Sinne von § 249 II 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Rechnung bereits beglichen hat (vgl. insoweit auch OLG München, Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15 -die Unfallzeitung hatte auf diesen Beschluss bereits hingewiesen!]).
Die Indizwirkung der vorgelegten Rechnung für erforderlichen Aufwand entfällt nur dann, wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13 -).Abzustellen ist dabei allein auf die in der Branche üblichen Preise. Der Geschädigten können insofern in der im Vergleich zu anderen Branchen erhöhten Preise nicht als unangemessen entgegengehalten werden. Vorliegend trägt die Beklagte bereits nicht vor, dass die geltend gemachten Nebenkosten die in der Branche üblichen bzw. die von für die Geschädigte erreichbaren Sachverständigen üblicherweise erhobenen Nebenkosten übersteigt.
Der zwischen der Geschädigten und dem Kläger geschlossene Vertrag stellt im Hinblick auf die Vereinbarung eines überhöhten Honorars auch kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, namentlich der Versicherung, dar. Ein derartiger Vertrag kann lediglich eine Haftung des Sachverständigen gegenüber der Versicherung für unrichtige Gutachten begründen. Selbst wenn der Versicherer in den Schutzbereich des zwischen dem Geschädigten und des Sachverständigen geschlossenen Vertrages einbezogen ist, kann der Versicherer jedoch nur Schadensersatz beanspruchen, soweit der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zu Gunsten der Versicherung bestehen. Abzulehnen ist die Annahme einer vertraglichen Pflicht des Sachverständigen, zugunsten der Versicherung möglichst geringe Gutachterkosten zu vereinbaren (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.03.2015 – 10 U 579/15 - ).
Das Berufungsgericht ist entgegen der Auffassung des Amtsgericht auch nicht der Ansicht, dass der Anspruch der Klägerin aufgrund der hinsichtlich der aus Treu und Glauben resultierenden unmittelbar dem Versicherer zustehenden Gegenrechte, der geäußerten Dolo-agit-Einrede,nicht durchsetzbar ist. Unabhängig davon, ob ein entsprechender Anspruch des Geschädigten an die Versicherung abgetreten werden muss, besteht im vorliegenden Fall ein derartiger der Klägerin entgegenzuhaltender Schadensersatzanspruch nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin die Geschädigte aufgrund ihrer vertraglichen Nebenpflichten darauf hätte hinweisen müssen, dass ihre Vergütung überhöht und nicht erstattungsfähig ist. Wie oben dargelegt, bewegt sich das von der Klägerin gegenüber der Geschädigten geltend gemachte Sachverständigenhonorar einschließlich der Nebenkosten im Rahmen des branchenüblichen, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht besteht. Abzüglich der bereits geleisteten 529,55 € hat die Klägerin somit noch Anspruch auf 83,54 €.
Fazit und Praxishinweis:
Mit diesem Berufungsurteil hat das erkennende Landgericht zutreffend auf die Rechtsprechung des BGH aus den Urteilen VI ZR 225/13 und VI ZR 357/13 verwiesen, wonach nur für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich überhöhte bzw. erkennbar deutlich überhöhte Sachverständigenkosten nicht mehr der Indizwirkung der Erforderlichkeit unterlegen. Es kommt nämlich entscheidend auf die Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung an. Das ist Ausfluss der subjektbezogenen Schadensbetrachtung. Die Beweislast, dass der Geschädigte die Überhöhung hätte erkennen können, liegt beim Schädiger.