AG St. Ingbert urteilt gegen LG Saarbrücken und lehnt JVEG-Anwendung ab
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RobGal -
20. Juli 2015 um 11:16 -
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Die hinter dem Unfallverursacher stehende Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte darauf lediglich 520,-- €. Die Differenz in Höhe von 338,23 klagte der Geschädigte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht St. Ingbert im Saarland ein. Die Klage hatte Erfolg.
Der beklagte Unfallverursacher ist unstreitig verpflichtet, dem Kläger dessen gesamten Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 3.9.2014 in St. Ingbert zu ersetzen. Die hinter dem Beklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung ist der Ansicht, dass der Kläger die Überhöhung der berechneten Sachverständigenkosten hätte erkennen können. Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, dass er seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe durch Vorlage der Rechnung über insgesamt 858,23 € Genüge geleistet hat. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 II 1 BGB. Eine Kürzung kommt nur in Betracht, wenn die berechneten Kosten eklatant überhöht sind und sich die Überhöhung sofort aufdrängen musste. Tatsächlich liegt ein derartiges Aufdrängen Müssen nicht vor. Der vom Kläger an den Sachverständigen gezahlte Rechnungsbetrag ist zur Schadensbeseitigung erforderlich im Sinne des § 249 BGB, da sich dem Kläger eine unterstellte Unangemessenheit nicht aufdrängen musste. Der hinter dem Beklagten stehenden Kfz-Haftpflichtversicherung kann nicht entgangen sein, dass eine mannigfaltige Rechtsprechung zu den Sachverständigenkosten vorliegt.
Eingetragene Volkspreise gab es in der DDR, in der Bundesrepublik ist die Marktwirtschaft verbreitet, es sei denn, der Gesetzgeber ordnet für bestimmte Berufsbilder Gebühren- und Kostenordnungen an. Offensichtlich erkennt der Gesetzgeber keinen Regelungsbedarf bei Kfz-Sachverständigen. Der Gesetzgeber lässt insoweit eine freie Preisbildung zu. Die vielfachen Versuche der Rechtsprechung, die Marktwirtschaft einzuschränken oder abzuschaffen, finden in diesem Amtsgerichtbezirk keine Anerkennung. Das Gericht hält sich an die vom BGB gezogenen Grenzen. Deshalb folgt das erkennende Gericht auch nicht der Rechtsprechung der Berufungskammer des LG Saarbrücken, die davon ausgeht, dass die Üblichkeit in Anlehnung an das JVEG festzustellen ist. Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken dazu ist nicht vertretbar. Beim Abschluss des Gutachtervertrages ist niemand beteiligt, der dem JVEG unterworfen ist. Die Sachverständigen kennen keine Gebührenordnungen. Das erkennende Gericht kann auch nicht als Gesetzgeber tätig werden und die Sachverständigentätigkeit an eine für sie überhaupt nicht vorgesehene Gebührenordnung binden. Das JVEG gilt nur für die in § 1 des JVEG benannten Personen. Auch eine mittelbare Einbeziehung ist nicht möglich.
[color=#FF0000]Fazit und Praxishinweis:[/color] Mit erfreulicher Klarheit hat hier der Amtsrichter des AG St. Ingbert die JVEG-basierte Bemessung der Sachverständigenkosten, wie sie von der Berufungskammer des LG Saarbrücken (zum Beispiel in dem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – [die Unfallzeitung berichtete darüber]) vorgenommen wird, abgelehnt. Der BGH hatte auch bereits mit dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1540 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) eine Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter abgelehnt. Das betraf sowohl das Grundhonorar als auch die Nebenkosten. Die Haftungen der Privatgutachter und die der gerichtlich bestellten Gutachter sind auch unterschiedlich, so dass auch von daher eine Übertragung weder direkt noch analog angezeigt erscheint.