AG Witten urteilt zum anzurechnenden Restwert
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RobGal -
26. Juni 2015 um 10:26 -
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Die Grundsätzliche Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung ist unstreitig. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hat bis auf die Restwertdifferenz den Schaden des Unfallopfers ausgeglichen. Im Streit liegt der Restwertdifferenzbetrag, der sich aus dem Höchstbetrag der drei eingeholten Restwertangebote aus dem Schadensgutachten und dem von der Versicherung – allerdings nach der Veräußerung des Unfallfahrzeugs -angegeben höheren Restwertgebot.
Der vom Geschädigten eingeschaltete Gutachter hatte drei Angebote aus der Region eingeholt. Dabei lag das Höchstgebot bei 2.550,-- €. Die Versicherung gab vier Tage nach Veräußerung des Fahrzeugs zum Höchstgebot aus dem Gutachten ein Restwertgebot über 4.090,-- € ab. Bei der Schadensregulierung legte sie diesen Restwert als erzielbaren Restwert zugrunde. Der Kläger ist damit nicht einverstanden und klagt bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Witten den Differenzbetrag von 1.540,--- € ein. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Betrages von 1.540,-- € gemäß der §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 ff. BGB. Hinsichtlich des Restwertes ist allein der tatsächlich realisierte Restwert von 2.550,– € abzuziehen, nicht der von der Beklagten in Ansatz gebrachte Restwert von 4.090,– €. Denn der Kläger hat eine ihm obliegende Schadensminderungspflicht nicht verletzt. Im Veräußerungsfall genügt der Geschädigte dem allgemeinen Gebot zur Wirtschaftlichkeit und bewegt sich in den für die Schadensbehebung gemäß § 249 II 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert zu dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH Urt. v. 6.3.2007 – VI ZR 120/06 – BGH NJW 2007, 1674 = ZfS 2007, 382).
Zwar können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen und durch die günstigere Verwertung seines Fahrzeuges den ihm entstandenen Schaden geringer zu halten. Doch müssen derartige Ausnahmen in Grenzen gehalten werden, weil anderenfalls die dem Geschädigten nah § 249 II 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, wonach es Sache des Geschädigten ist, in welcher Weise er mit dem beschädigten Fahrzeug verfährt. Insbesondere dürften dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden (BGH aaO.). Allerdings kann der Geschädigte unter besonderen Umständen gehalten sein, von einer Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten zur Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens und im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Deshalb gilt der Grundsatz, dass der von einem Sachverständigen ermittelte Restwert eine geeignete Grundlage für die Schadensberechnung nur in aller Regel ist (BGH aaO.).
Ausnahmen sind somit nicht ausgeschlossen, müssen sich indes in engen Grenzen halten. Solche sieht der BGH dann als gegeben an, wenn ein bindendes Angebot bereits vorlag. Das ist hier aber nicht der Fall. Zum Zeitpunkt des Verkaufs des verunfallten Fahrzeugs am 20.11.2014 lag dem Kläger ein konkretes, bindendes und höheres Angebot noch nicht vor. Der Kläger hätte nach Auffassung des Gerichts auch nicht noch zuwarten müssen. In dem Schreiben der Versicherung war unklar, wann oder bis wann die Beklagte beabsichtigte, ein verbindliches höheres Restwertgebot vorzulegen. Es kann indes nicht von dem Geschädigten verlangt werden, vor einer Veräußerung Rücksprache zu nehmen und somit quasi um Erlaubnis für die Veräußerung zu bitten. Die Frage, wann der Geschädigte sein Fahrzeug veräußert, ist ihm allein überlassen. Wenn der Geschädigte beabsichtigt, zeitnah ein Ersatzfahrzeug zu erwerben und den erzielbaren Restwert hier zur Finanzierung mit einzusetzen, so ist dies ihm grundsätzlich zuzubilligen.
Der Kläger hatte keinerlei Anlass daran zu zweifeln, dass die vom Sachverständigen ermittelten regionalen Angebote diejenigen sind, die im Umkreis für ihn realistisch erzielbar sind. Er musste nicht damit rechnen, dass ein ca. 1.500,- € besseres Angebot noch erzielbar sein würde, wobei auch noch unklar ist, ob es sich nicht um ein Angebot aus der Internetrestwertbörse handelt. Dem Kläger stand eine sofortige Verwertungsmöglichkeit offen, ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kann nicht darin gesehen werden, dass er nicht seinerseits vor dem Verkauf nochmals Rücksprache bei der Beklagten genommen hat. Dem Schädiger bzw. der Versicherung steht es offen, ein günstigeres Angebot zeitnah und so schnell wie möglich zu ermitteln.
[color=#FF0000]Fazit und Praxishinweis:[/color] Mit diesem Urteil hat die Amtsrichterin des AG Witten deutlich auf die bestehende Rechtslage hingewiesen. Der Geschädigte verhält sich durchaus korrekt, wenn er ohne Rücksprache mit dem eintrittspflichtigen Versicherer das verunfallte Fahrzeug zu dem Restwert veräußert, den der von ihm beauftragte Sachverständige als Höchstgebot der drei einzuholendenRestwertangebote aus dem allgemeinen regionalen Bereich ermittelt hat. Würde er zuwarten, würde ihm ein Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht vorgeworfen werden können, denn durch längeres Abwarten entstehen höhere Ausfallschäden. Um die zu vermeiden, ist es dringend geboten, kurzfristig das verunfallte Fahrzeug zu veräußern. Der Geschädigte muss daher – anders als das OLG Köln meint – dem eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer keine Möglichkeit einräumen, eventuell ein höheres Restwertgebot, möglicherweise auch noch aus dem nicht maßgeblichen Sondermarkt der Internetrestwertbörsen, abzugeben. Bei einer zeitnahen Veräußerung verletzt der Geschädigte nicht seine ihm obliegende Pflicht zur Schadensgeringhaltung.