AG Arnstadt Zwgst. Ilmenau sieht bei 757,13 € keinen Bagatellschaden
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RobGal -
17. Mai 2017 um 10:00 -
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Als sich im Ortsbereich Ilmenau ein Verkehrsunfall ereignete, ging der den Unfall verursachende Kraftfahrer davon aus, dass nur ein geringer Schaden am gegnerischen Fahrzeug eingetreten sei. Der Geschädigte suchte aber gleichwohl einen Kfz-Sachverständigen auf, der die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 757,13 € brutto schätzte. Seine Gutachterkosten berechnete er mit 343,80 €. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung verweigerte die Erstattung der Gutachterkosten, weil sie der Meinung war, hier läge ein Bagatellschaden vor und ein Gutachten sei nicht erforderlich gewesen. Der Geschädigte klagte jedoch den Schadensbetrag in Form der Sachverständigenkosten bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Arnstadt – Zweigstelle Ilmenau – ein. Die Klage hatte Erfolg.
Die Kosten für das Sachverständigengutachten waren vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens aufgrund der schlüssigen Darlegungen des Klägers zur Überzeugung des Gerichts zweckmäßig und erforderlich (BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Der Einwand der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung, es handele sich im Falle des beschädigten Fahrzeugs des Klägers um einen Bagatellschaden, greift nicht. Tatsächlich ist dem Kläger ist ein Schaden an seinem Pkw in Höhe von insgesamt 757,13 € Brutto-Reparaturkosten entstanden. Ein Bagatellschaden liegt jedenfalls bis zu einem Schaden in Höhe von 700,-- € vor (vgl. Palandt BGB § 249 Ränder. 58), sodass es sich bei dem Fahrzeugschaden des Klägers gerade nicht um einen solchen handelt. Abzustellen war dabei auf den dem Kläger entstandenen Bruttoschaden, da der Kläger nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Darüber hinaus ist nicht alleine das Überschreiten einer bestimmten Schadenssumme dafür entscheidend, ob ein Sachverständigengutachten im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB erforderlich ist (BGH Urteil vom 30.11.2004 -VI ZR 365/03 -).
Es kommt auf den Einzelfall an. Der Vortrag der Beklagten, an dem Fahrzeug des Klägers sei nur wenig bis gar nichts erkennbar gewesen und auch das Auffahren im Unfallzeitpunkt auf den Pkw des Klägers sei für diesen kaum merklich gewesen, führen nach Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass der Kläger ein Sachverständigengutachten nicht einholen und lediglich auf einen Kostvoranschlag einer Reparaturwerkstatt zurückgreifen muss. Denn dem Kläger war insbesondere mit Blick auf die Schadenshöhe, welche die Bagatellgrenze von 700,00 € nur knapp übersteigt, das Risiko nicht zuzumuten, dass der Unfallgegner oder dessen Haftpflichtversicherer einen Kostenvoranschlag als unzureichend erachten würden (vgl. LG Darmstadt Urteil vom 5.7.2013 – 6 S 34/13 -). Die Kosten für das Sachverständigenhonorar in Höhe von 295,12 € sind weiterhin angemessen. Dessen Vergütung unterliegt gemäß § 287 ZPO der Schätzung des Gerichts. Dabei schätzt das Gericht die notwendigen Sachverständigenkosten anhand der BVSK-Honorarumfrage. Insoweit sind die berechneten Kosten einschließlich der Nebenkosten nicht zu beanstanden.
[color=#B22222]Fazit und Praxishinweis: [/color]Mit zutreffender Begründung hat das erkennende Amtsgericht hier die Gutachterkosten in voller Höhe zugesprochen, denn das eingeholte Privatgutachten war erforderlich und zweckmäßig. Das erkennende Gericht hat sich daher korrekt an der Rechtsprechung des BGH in seinem Grundsatzurteil zu den Sachverständigenkosten vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) orientiert. Der VI. Zivilsenat des BGH hatte die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei einem Schaden von ungerechnet 715,-- € revisionsrechtlich nicht beanstandet. Der Geschädigte wird als technischer Laie kaum erkennen können, ob der an seinem Fahrzeug eingetretene Schaden eindeutig unter 715,-- € liegt. Daher erscheint die vom VIII. Zivilsenat des BGH getroffene Definition des Bagatellschadens stichhaltiger zu sein. Als Bagatellschaden hat der VIII. Zivilsenat des BGH bei Personenkraftfahrzeugen nur ganz geringfügige, äußere Lackschäden anerkannt, nicht jedoch andere Blechschäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war(BGH DS 2008, 104, 106).