Akustik: Fußgänger lassen E-Autos zu nah an sich heran
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RobGal -
22. Februar 2016 um 15:04 -
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Alle Verkehrsteilnehmer müssen gut und richtig informiert werden | Forschungen zur Gestaltung des künstlichen Motorgeräuschs erforderlich
Von Anfang an sorgte die fast lautlose Fahrweise der Elektromobile für Diskussionen. Das kann vor allem im Stadtverkehr mit seiner starken Geräuschkulisse zu Problemen für Fußgänger und Radfahrer führen. Um zu verstehen, wie Fußgänger auf die leisen Stromer reagieren und wie sie im Straßenverkehr mit den ungewohnten "Schleichern" zurechtkommen, führte das österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) im Raum Klagenfurt eine fünfjährige Untersuchung durch, die Ende August vergangenen Jahres abgeschlossen wurde. Dabei wurden auch Fragen zur akustischen Wahrnehmung von Elektrofahrzeugen behandelt.
Die Wissenschaftler untersuchten vor allem zwei Fragen: Nehmen Fußgänger, insbesondere solche mit Sehbehinderungen, Elektrofahrzeuge bei niedrigen Geschwindigkeiten bis 50 km/h später wahr als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor? Und werden die Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt? An den Untersuchungen nahmen 27 Testpersonen teil, davon fünf mit eingeschränktem Sehvermögen. Die Testfahrzeuge (Elektroautos und konventionelle Autos) fuhren 20, 30 und 50 km/h.
Gleich zu Beginn der Tests gab es eine Überraschung: Die Probanden waren erstaunt, wie gut sie anhand der Reifengeräusche der Stromer die Entfernung und Geschwindigkeit der Leisetreter einschätzen konnten. Die Messungen ergaben dann aber auch, dass die Fußgänger unabhängig von ihrer Sehschwäche die Elektroautos um bis zu zwei Sekunden näher herankommen ließen als die lauteren Autos mit Verbrennungsmotor. Zwei Sekunden können bei einer drohenden Kollision entscheidend sein. Nicht bestätigt hat sich hingegen die Vermutung, dass Fahrer von Elektroautos aufgrund des sehr leisen Innenraums schneller fahren als Fahrer von Benzin- oder Dieselautos.
Als Fazit der Studie empfehlen die österreichischen Verkehrssicherheitsexperten vor allem "bewusstseinsbildende Maßnahmen für alle Verkehrsteilnehmer". Denn wenn immer mehr Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs sind, sollten Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer die Risiken kennen, die von den leisen Stromern ausgehen. Sie brauchen spezifische und angemessene Informationen, um sicher am Straßenverkehr teilnehmen zu können.
Dies gelte insbesondere für Menschen mit Sehbehinderungen, mahnen die Verkehrsforscher. Die Einführung eines zuschaltbaren künstlichen Motorgeräusches für Elektrofahrzeuge, das bei vielen Modellen bereits serienmäßig vorhanden ist, würde nach Ansicht der Wissenschaftler die Wahrnehmung der Stromer insbesondere für Sehbehinderte und vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten erleichtern. Zur genaueren technischen Ausgestaltung und zum gezielten Einsatz eines solchen Zusatzgeräusches, etwa beim Anfahren, stehen allerdings noch weitere Untersuchungen aus, die auch Unfallstatistiken und Unfallursachenanalysen einbeziehen sollten, wie die österreichischen Experten fordern.