LG Neuruppin urteilt zu erforderlichen Sachverständigenkosten nach Unfall
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RobGal -
29. Juli 2015 um 14:04 -
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Der Geschädigte beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens.Dieser ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 3.531,81 € brutto sowie einen Wiederbeschaffungswert von 3.234,-- € inklusive 2,5 ProzentMehrwertsteuer. Sein Gutachten berechnete er mit 778,74 € brutto. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung erstattete für die Gutachterkosten lediglich 671,16 €.
Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreits. Das Amtsgericht Prenzlau hat mit Urteil vom 17.7.2014 – 10 C 86/14 – der Klage vollumfänglich stattgegeben, allerdings die Berufung zugelassen. Gegen das Urteil des AG Prenzlau richtet sich die Berufung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung. Die Berufung blieb allerdings ohne Erfolg.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch besteht dem Grunde und der Höhe nach. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls darf einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem beschädigten PKW beauftragen und von der Beklagten nach § 249 II 1BGB den Ersatz der erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte daher damit begnügen, einen ihm in seiner Lage ohne weitere Mühen erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH NJW 2014, 1947).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast im Hinblick auf die Schadenshöhe dabei regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm beauftragten Sachverständigen. Denn der sich hieraus ergebende Betrag bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 II 1 BGB, sofern dieser nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Dies beruht darauf, dass sich in der Rechnung sowohl die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles als auch die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig niederschlagen. Daher reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH aaO.)
Diese Grundsätze finden auch in einem durch den Sachverständigen nach Abtretung selbst geführten Rechtsstreit Anwendung (BGH NJW 2014, 3151). Allerdings muss im vorliegenden Sachverhalt berücksichtigt werden, dass der Geschädigte die Rechnung gerade noch nicht beglichen hat. Das schwächt die Indizwirkung der Rechnung ab (vgl. BGH NJW 2014, 3151 Tz. 16, 19). Diese abgeschwächte Indizwirkung führt gleichwohl nicht dazu, dass die Kammer die Rechnung des Klägers ihrer Schätzung nach § 287 ZPO nicht zu Grunde legen kann. Der Kläger hat hierzu im Einzelnen vorgetragen und detailliert dargelegt, dass er sein Grundhonorar unter Anwendung der Honorarumfrage des BVSK ermittelt hat. Hieraufhat die Beklagte über einfaches Bestreiten hinaus nichts dazu vorgetragen, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund das Honorar vom üblichen Honorar abweicht und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang etwa regionale Besonderheiten bei der Abrechnung bestehen. Vielmehr hat sie sich darauf beschränkt, die Geeignetheit der BVSK-Honorartabelle zur Honorarermittlung zu bestreiten. Sie hat auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die im Grundsatz zulässige pauschale Abrechnung (vgl. BGH NJW 2007, 1450) vorliegend zu einer die übliche Vergütung übersteigenden Höhe führt. Deshalb sind erst recht keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Geschädigte im Rahmen der erforderlichen subjektbezogenen Schadensbetrachtung von einer überhöhten Vergütung ausgehen musste. Nicht anderes gilt im Hinblick auf die abgerechneten Nebenkosten.
Der Sachverständige ist grundsätzlich berechtigt, neben einem in pauschalierter Weise an der Schadenshöhe orientierten Grundhonorar für die Erstellung eines Schadensgutachtens, Nebenkosten abzurechnen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 56; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08. Mai 2014 – 4 U 61/13 –). Insoweit verbietet sich eine schematische Betrachtung etwa im Wege von prozentualen Kappungsgrenzen oder Höchstbeträgen (vgl. BGH NJW 2014, 3151). Da schon keine hinreichenden Anhaltspukte für eine überhöhte Vergütung vorgetragen sind, konnte die Kammer offenlassen, ob sich der Kläger andernfalls durch die Verletzung einer Aufklärungspflicht im Verhältnis zum Geschädigten schadensersatzpflichtig gemacht hätte und ihm dies im Wege der Dolo agit-Einrede von der Beklagten entgegengehalten werden könnte (so wohl: OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 U 111/12 –). Ebenso konnte die Kammer offenlassen, ob bei hinreichendem Vortrag zu überhöhten Nebenkosten eine Schätzung auf der Grundlage des JVEG in Betracht kommt (so LG Saarbrücken, Urteil vom 19. Dezember 2014 – 13 S 41/13 - ). Aus den dargestellten Gründen hat die Berufung insgesamt keinen Erfolg.
[color=#FF0000]Fazit und Praxishinweis:[/color] Mit zutreffender Begründung hat die Berufungskammer die Berufung der Kfz-Haftpflichtversicherung zurückgewiesen, wobei die Berufungskammer auch gleich zu den abweichenden Meinungen, z.B. des OLG Dresden und des LG Saarbrücken zutreffend Stellung genommen hat. Die Ansicht des OLG Dresden in dem Urteil vom 19.2.2014 – 7 U 111/12 – ist schon deshalb abzulehnen, weil das Urteil durch das am 19.2.2014 noch nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 11.2.2014 (BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) überholt wurde. Das angeführte Urteil des LG Saarbrücken ist abzulehnen, weil die Nebenkosten an den Beträgen des JVEG gemessen werden. Hierzu hatte der BGH bereits in dem Urteil vom 23.1.2007 (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann) entschieden, dass die Grundsätze des JVEG nicht auf Privatgutachten anwendbar sind. Das gilt auch für die Nebenkosten, denn die Revision richtete sich auch gegen JVEG-basierte Schätzungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der Nebenkosten.