AG Darmstadt verurteilt zur Zahlung der von Versicherung gekürzten SachverständigenkostenAG Darmstadt Urteil vom 8.3.2017 – 312 C 509/16 –
Die zulässige Klage ist begründet. Die Abtretungsvereinbarung des Schädigten mit dem Kfz-Sachverständigen ist wirksam. Ebenso bestehen hinsichtlich der weiteren Abtretung an die Klägerin keinerlei Bedenken. Auch diese Abtretung ist wirksam, so dass die Klägerin für den Restschadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht aktivlegitimiert ist. Der ursprüngliche Gläubiger des Schadensersatzanspruch hat einen Rechtsanspruch auf Erstattung der vollen Gutachterkosten aus schadensersatzrechtlichen Gründen. Darauf, ob die Rechnung des Sachverständigen aus sachverständigenvertragsrechtlichen Gründen überhöht ist, kommt es vorliegend nicht an. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist erstattungsfähig, was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Dabei ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die „spezielle Situation“ des Geschädigten und seine individuellen Einfluss- und Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH a.a.O.). Preisvergleiche sind dem Geschädigten in diesem Bereich regelmäßig nicht zuzumuten (OLG Nürnberg SP 2002, 358; OLG Naumburg DS 2006, 286 ff.). Überhöhte Rechnungen des Sachverständigen sind dem Geschädigten daher grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.), da der Sachverständige nicht etwa Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, sondern des Schädigers ist und etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB dem Schädiger zuzurechnen sind (OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.). Ein Mitverschulden des Geschädigten selbst kann in diesem Fall nur dann angenommen werden, wenn diesem die Unangemessenheit der Vergütung bei Auftragserteilung offensichtlich ins Auge springen musste (BVerfG SP 2008, 162(163); OLG Naumburg a.a.O.). Eine solche Erkenntnismöglichkeit kann aber von einem Laien, der regelmäßig zum ersten Mal mit einer Unfallabwicklung konfrontiert ist, nicht verlangt werden (LG Saarbrücken SP 2008, 410).
Die Sachverständigenhonorare stehen zu den festgestellten Schäden nicht außer Verhältnis. Eine Benachteiligung der Beklagten durch das gewonnene Ergebnis kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie im Gegenzug einer Erstattung der vom Geschädigten aufgewandten Sachverständigenkosten die Abtretung eventueller Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen kann (OLG Düsseldorf SP 2008, 340). Schließlich liegt auch kein Bagatellschaden vor, der die Einholung eines Sachverständigengutachtens als einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB erscheinen ließe. Eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten ist nämlich zumindest dann zu bejahen, wenn der Schaden über 700,00 € liegt (BGH NJW 2005, 356 (357)). Vorliegend betrugen die Nettoreparaturkosten 1.147,76 €. Die Gutachtenkosten betragen 475,86 €. Hierauf hat die Beklagte 397,00 € gezahlt, so dass eine Verurteilung in Höhe der Klageforderung zu erfolgen hat.
Fazit und Praxishinweis: Im Ergebnis zu Recht hat das erkennende Gericht die restlichen Sachverständigenkosten zugesprochen. Dass die Sachverständigenkosten abgetreten waren, ändert nichts an dem Rechtscharakter des Schadensersatzanspruchs. Auch nach der Abtretung an den Sachverständigen bleibt es bei einem Schadensersatzanspruch. Das erkennende Gericht löst die Schadensersatzforderung über § 249 II 1 BGB. Zwar hat der BGH (in NJW 2007, 1450) entschieden, dass die Sachverständigenkosten zu dem nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Gleichwohl können die Sachverständigenkosten aber auch als mit dem Schaden unmittelbar verbund4ener Vermögensnachteil angesehen werden, der nach § 249 I BGB auszugleichen ist. Der letzteren Auffassung dürfte der Vorzug zu geben sein, denn die Sachverständigenkosten werden als Schadensposition des Geschädigten immer konkret geltend gemacht. Die Rechnung bildet dabei ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten, ob dabei die Kosten beglichen sind oder nicht, ist - entgegen der Auffassung des BGH – unerheblich, da auch unbeglichene Rechnungen einen Schaden darstellen.