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Unfallprävention: Hier werden Falschfahrer durchgerüttelt
Ein Projekt des baden-württembergischen Verkehrsministeriums will mit speziellen Rüttelstreifen verhindern, dass Autofahrer auf die falsche Spur kommen

RobGal

Geisterfahrer, die auf die falsche Spur geraten sind und unter Lebensgefahr für sich und andere in Gegenrichtung über die Autobahn oder Schnellstraße brettern, sind für jeden Autoinsassen ein Horrorszenario.
Es scheint, dass weder auffällige Warnschilder noch deutliche Markierungen auf den Einfahrten einen wirkungsvollen Schutz gegen dieses Phänomen bieten. In offiziellen Statistiken werden die gemeldeten Falschfahrer und die durch sie verursachte Unfälle auf Deutschlands Autobahnen und Schnellstraßen nicht speziell ausgewiesen, sagt das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Dem Notruf des ADAC wurden nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr insgesamt 3.100 Falschfahrer gemeldet, 2.200 davon auf Autobahnen. Dabei kam es zu 60 Unfällen mit Personenschaden.

Nun hat das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg eine neue Initiative zur Falschfahrerprävention ergriffen. Das Land begann 2013 damit, alle Anschlussstellen von Bundesfernstraßen und Rastanlagen mit auffälligen Pfeilmarkierungen auszustatten, seitdem gilt es als Vorreiter im Kampf gegen Geisterfahrer. Nun wurde Mitte Juli ein neues Pilotprojekt gestartet: An drei Anschlussstellen auf der B 29 östlich von Stuttgart (Lorch-Ost und Schwäbisch-Gmünd-West) wurden Rüttelstreifenmarkierungen aufgebracht.

Rüttelstreifen oder -schwellen sind an sich nichts Neues. Die Franzosen nennen sie „schlafende Polizisten“, weil sie die Autofahrer auf tempobegrenzte Zonen in Städten und Gemeinden aufmerksam machen. Doch mit diesen bekannten Rüttelstreifen sind die jetzt auf den vierspurig ausgebauten Anschlussstellen angebrachten Streifen nicht vergleichbar. Sie wurden von einem Polizisten aus Sachsen entwickelt und haben eine Besonderheit: Ihre auf- und durchrüttelnde Wirkung tritt beim Überfahren nur dann auf, wenn die Anschlussstelle in entgegengesetzter Richtung, also als Einfahrt, benutzt wird. Wer hingegen die Schnellstraße verlässt, also richtig fährt, spürt von ihnen nichts.

Bewährung in der Praxis

Die Rüttelstreifen bestehen aus widerstandsfähigem Plastik und werden über die gesamte Fahrbahnbreite aufgetragen. Am Ende eines Streifens befindet sich eine deutliche Kante, die beim Überfahren aus der richtigen Richtung kaum bemerkt wird, weil die Schichtauflage des Streifens zur Kante hin anwächst. Wer aber von der entgegengesetzten Richtung kommt, für den meldet sich die Kante mit einer „kräftigen haptischen und akustischen Wirkung“, wie es in dem Konzept des Erfinders heißt. So soll auf eine „anstehende Gefahrensituation“ aufmerksam gemacht und „zum sofortigen Verlassen der falschen Auffahrt“ aufgefordert werden. Der Effekt wird dadurch verstärkt, dass fünf solcher Rüttelmarkierungen hintereinander und in wenigen Metern Abstand aufgebracht sind, so dass für Falschfahrer ein nerviges Intervall entsteht.

„Die Kombination aus optischen, akustischen und haptischen Signalen sollen irrtümlich falsch Fahrende auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei der Präsentation des Systems. Die Streifen ziehen die zusätzlich die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie lichtreflektierend sind. Außerdem wurden im Bereich der Anschlussstellen zusätzliche Leitlinien auf die Fahrbahn gepinselt, wodurch die Autofahrer „intuitiv“ zur richtigen Auffahrt geführt werden sollen. Schließlich wurden auffällige Warntafeln auf beiden Seiten der Straße aufgestellt, wie sie in Österreich bereits seit 1997 verwendet werden. Für den Winterdienst stellen die Streifen übrigens kein Problem dar, und auch die Rettungskräfte „werden nicht behindert“, wie Julia Pieper, Pressesprecherin des Landesverkehrsministeriums, im Gespräch mit den Kraftfahrtberichter unterstrich.

Ein Jahr lang soll nun beobachtet werden, wie sich die Rüttelstreifen auf der B 29 unter der täglichen Belastung von Pkw und Lkw bewähren und ob ihre Griffigkeit unter den verschiedenen Witterungsbedingungen leidet. Wichtig ist vor allem, ob sich weniger Autofahrer verirren und wie sich die richtig fahrenden Autofahrer verhalten: Akzeptieren sie die Rüttelschwellen, oder bremsen sie sogar erschreckt ab?

Wenn sich das neue Präventionskonzept bewährt, soll es „dauerhaft bleiben“, erklärte das Stuttgarter Verkehrsministerium. Dann ist nicht ausgeschlossen, dass auch andere Ausfahrten damit ausgerüstet werden. Die Kosten pro „Paket“ betragen um die 10.000 Euro.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Fotodienst/Daniel K. Gebhart - pressetext